Friedrich Merz fragt: „Was bedeutet eine nun immer wahrscheinlicher werdende zweite Amtszeit von Donald Trump für uns?“

donald trump politiker amerika donald wahl feier, Quelle: tiburi, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

90 Minuten hat die erste Fernsehdebatte der beiden Präsidentschaftskandidaten in den USA – die von ihren jeweiligen Parteien förmlich noch gar nicht nominiert sind – in der vergangenen Woche gedauert. Die Hoffnung der Demokraten, mit ihrem amtierenden Präsidenten Joe Biden einem Erfolg bei den Wahlen am 5. November ein Stück näher zu kommen, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, die Zweifel an seiner Fitness für das Amt sind noch einmal gewachsen. Und Donald Trump bleibt sich treu mit rüden Attacken und einem gestörten Verhältnis zu Wahrheit und Fakten. Er ist einer erneuten Präsidentschaft nach diesem Aufeinandertreffen mit dem amtierenden Präsidenten wohl einen weiteren Schritt nähergekommen.

Was bedeutet eine nun immer wahrscheinlicher werdende zweite Amtszeit von Donald Trump für uns?

Donald Trump ist auf die Übernahme der Präsidentschaft heute besser vorbereitet als vor acht Jahren. Er hat wesentlich mehr Personen um sich, die mit Regierungserfahrung in ihre Ämter kommen werden – und es wird nicht lange dauern, bis sehr weitreichende Entscheidungen vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik getroffen werden. Die NATO dürfte vor größeren Veränderungen stehen, auch wenn mit Marc Rutte ein neuer Generalsekretär ins Amt kommt, der Trump kennt und den Trump respektiert („I like this guy“). Als Folge eines vermutlich disruptiven Strategiewechsels der USA in der NATO werden wir Europäer sehr viel mehr für unsere eigene Sicherheit tun müssen als dies bisher der Fall war.

Richten wir uns auch in der Handelspolitik darauf ein, dass die Zeiten einer gemeinsamen Grundüberzeugung, dass nämlich weltweiter Handel und möglichst offene Märkte uns allen nützen, zunächst einmal der Vergangenheit angehören. Jedes Mal, wenn die Handelsbilanz der USA mit einem Land negativ ist, werden sie reagieren. Trumps Regierung dürfte das als Protektionismus ansehen und sofortige, drastische Zölle und weitere Einfuhrbeschränkungen auf amerikanischer Seite veranlassen.

Die Streitbeilegungsmechanismen der Welthandelsorganisation WTO werden von einer nächsten Trump-Regierung noch weiter unterminiert und in Frage gestellt als schon vor acht Jahren. Die Welt kehrt zurück zu nationalen Alleingängen und einer Desintegration der bisherigen weltwirtschaftlichen Verflechtungen. Nicht nur Wohlstandsverluste auf allen Seiten, auch weniger Zusammenhalt in dem Teil der Welt, den wir einst geografisch und vor allem normativ „den Westen“ nannten, werden die Folge sein. Mit anderen Worten: Der „Zeitenwende“ wird unter einem Präsidenten Donald Trump noch einmal eine weitere Dimension hinzugefügt.

Das alles hat Folgen, vor allem für Europa und in Europa für uns Deutsche. Der Handel mit den USA wird schwieriger und die militärischen Beistandsgarantien der USA könnten aufgeweicht werden. Also ist es höchste Zeit, dass sich die EU strategisch auf diese und weitere Szenarien vorbereitet. Die nächste Amtszeit der EU-Kommission, die im Herbst beginnt, muss unter dem Vorzeichen einer solchen politischen Entwicklung auf eine höhere Eigenständigkeit und auf größere europäische Verantwortung hin ausgerichtet werden. Und Deutschland muss zu dieser Neuausrichtung der europäischen Politik einen großen und umfassenden Beitrag leisten. Angesichts des anhaltenden Haushaltsstreits der Koalition erscheint es allerdings mehr als zweifelhaft, ob diese Bundesregierung dafür die Kraft und den politischen Willen aufbringt. Aber die Welt wartet nicht darauf, dass die deutsche Bundesregierung ihre innere Zerrissenheit und ihren anhaltenden Streit überwindet.

Quelle: MerzMail

Finanzen