„Die Deutschen arbeiten so viel wie nie zuvor“ – so und ähnlich lauteten die Überschriften in vielen Nachrichten der letzten Woche über eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das DIW hatte untersucht, wie sich Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnisse seit der Wiedervereinigung in Deutschland entwickelt haben. Die tatsächlichen Ergebnisse der Studie zeigen, dass die gewählte Überschrift in den Medien zumindest grob missverständlich ist.
Richtig ist, dass im wiedervereinigten Deutschland insgesamt noch nie so viel gearbeitet wurde wie im Jahr 2023, nämlich fast 55 Milliarden Stunden. Aber auch die Zahl der Beschäftigten war mit rund 46 Millionen Menschen im letzten Jahr so hoch wie nie zuvor. Die durchschnittlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten gehen seit der Wiedervereinigung allerdings – mit leichten Schwankungen um die Jahrtausendwende – kontinuierlich zurück. Und noch eine Zahl ist interessant: Seit der Wiedervereinigung hat die Erwerbsbeteiligung der Frauen zwar deutlich zugenommen; aber gerade Mütter würden ihre Arbeitszeiten gern ausweiten.
Aus diesen Daten gilt es politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Die eine ist: Wir arbeiten allenfalls alle zusammen „so viel wie nie zuvor“, auf jeden einzelnen von uns trifft dies aber im errechneten Durchschnitt gerade nicht zu. Im Gegenteil, wir arbeiten weniger als noch vor 30 Jahren, und dies wird im internationalen Vergleich der Jahresarbeitszeiten besonders augenfällig. So arbeiten die Schweizer mit rund 1.400 Stunden im Jahr gut 100 Stunden mehr als wir, bei den Vollzeitarbeitnehmern sind es sogar fast 200 Stunden mehr im Jahr! Das ist grob gerechnet rund eine Stunde am Tag mehr als in Deutschland. Neben vielen weiteren Faktoren dürfte diese eine Stunde den Unterschied machen zwischen Deutschland und der Schweiz – im Volkseinkommen, beim Wohlstand und bei der sozialen Absicherung.
Die zweite Schlussfolgerung der DIW-Studie betrifft die Frauenerwerbsquote, vor allem die Erwerbsquote der Mütter. Wenn es deren berechtigter Wunsch ist, mehr zu arbeiten und damit auch mehr zum Familieneinkommen beizutragen, dann geht dies nur mit besser Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur für die Kinder. Das Geld, das Teile der Ampel immer noch für die sogenannte „Kindergrundsicherung“ einplanen, einschließlich der 5.000 neu vorgesehene Stellen in den Behörden, die das verwalten sollen, wäre mehrfach besser angelegt im beschleunigten Ausbau von Kindertagesstätten und Kindervorschulen. Denn dort können die Kinder in kleinen Gemeinschaften heranwachsen und weitere Sozial- und Sprachfähigkeiten erwerben. Und ihre Eltern, vor allem die Mütter könnten ihre beruflichen Fähigkeiten weitaus besser nutzen.
Quelle: MerzMail