Der amerikanische Präsident hat in dieser Woche mit großer Geste angekündigt, die Importzölle auf chinesische Importe in die USA von 25 Prozent auf 100 Prozent zu erhöhen. Betroffen sind unter anderem Elektroautos, Batterien und Solarzellen. Auch die EU plant, die bisherigen Zölle auf chinesische E-Fahrzeuge von 10 Prozent auf 25 bis 30 Prozent anzuheben, möglicherweise noch bevor die laufende Antisubventionsuntersuchung der EU-Kommission abgeschlossen ist. Man wird wohl sagen müssen, dass vor allem mit der Entscheidung der amerikanischen Regierung in dieser Woche eine lange Zeit des mehr oder weniger offenen Welthandels zu Ende geht und wir in eine Phase weiter zunehmender Handelskonflikte eintreten.
Die Ankündigung von Importzöllen stößt beim eigenen Wahlpublikum regelmäßig auf große Zustimmung. Das war schon unter Trump so, und auch Präsident Biden folgt dem öffentlichen Druck, der in den USA immer weiter befeuert wurde. In der Handelspolitik gibt es zwischen Republikanern und Demokraten auch eine ansonsten selten gewordene Übereinstimmung, sie unterscheiden sich lediglich in der Radikalität, mit der sie Wettbewerber von außen vom eigenen Markt fernhalten wollen.
Die Botschaft an das heimische Publikum lautet regelmäßig: Wir schützen unsere Arbeitsplätze gegen die Billigkonkurrenz aus dem Ausland. Und das kommt natürlich gut an. Allerdings müssen Importzölle nicht von den betroffenen Herstellern der importierten Waren bezahlt werden, sondern von den Konsumenten des eigenen Landes – also des Landes, das die Zölle erhebt. Diesen Preiseffekt verschweigen Trump und Biden gern, und er spielt in der Diskussion um Importzölle in die EU auch bei uns keine besondere Rolle.
Nun gibt es durchaus Gründe für die Erhebung von Zöllen, insbesondere dann, wenn die Hersteller aus dem Ausland mit unfairen Handelspraktiken arbeiten. Dazu zählen vor allem Subventionen und Exportbeihilfen im Herstellerland. Die EU hat daher zu Recht ein Antisubventionsverfahren gegen solche (vermuteten) Subventionen in China eröffnet. Allerdings fehlt uns heute ein wirksamer, international anerkannter Streitschlichtungsmechanismus, denn die Welthandelsorganisation WTO, der China im Jahr 2001 beigetreten ist, ist weitgehend wirkungslos, die USA verweigern seit Jahren der Benennung von neuen Richtern die Zustimmung. Handelskonflikte werden also ausgetragen ohne eine Instanz, die schlichten könnte. Und damit wird eine Spirale in Gang gesetzt, die am Ende niemandem nutzt und allen schadet.
Die Europäische Union sollte daher mit der möglichen Verschärfung von Importzöllen sehr zurückhaltend umgehen. Die USA und China werden sonst ihrerseits reagieren und Zölle erheben und vorhandene Zölle noch weiter anheben. Auch wenn die jetzige Phase der Handelspolitik in die andere Richtung zeigt, sollte die EU grundsätzlich festhalten an ihrer Überzeugung, dass offene Märkte und ein freier Welthandel am ehesten geeignet sind, Wohlstand und Wachstum zu ermöglichen. Im Übrigen wissen wir aus der Wirtschaftsgeschichte: Dort, wo Handelskonflikte offen ausbrechen, sind oftmals weitere Konflikte bis hin zum Krieg nicht weit.
Quelle: MerzMail