Die Bilder vom Herbst 2021 erscheinen uns heute wie Bilder aus einer anderen Zeit. Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister stehen gut gelaunt vor der Presse und präsentieren ihren Koalitionsvertrag. „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ – so lautete die Überschrift über dem umfassenden Vertragswerk auf fast 200 Seiten. Ein moderner Staat, ein digitaler Aufbruch und Klimaschutz in einer „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ wurden uns versprochen. Weniger als drei Jahre später bezeichnet der Vorsitzende der Grünen diese „Fortschrittskoalition“ nur noch als „Übergangsregierung“. Selten zuvor hat eine deutsche Bundesregierung in so kurzer Zeit so viel Vertrauen verloren wie die Ampel aus SPD, Grünen und FDP. Ganze 3 Prozent (in Worten: drei!) der Bevölkerung wollen die Fortsetzung dieser Regierung.
Als Opposition im Deutschen Bundestag könnten wir klammheimlich Freude haben an einem so erbärmlichen Zustand der Regierung. Aber wir sehen die Konsequenzen: Das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen insgesamt schwindet, Teile der Wählerinnen und Wähler wenden sich links- und rechtspopulistischen Parteien zu. Ja, wir stehen in den Umfragen ganz gut da, aber zugleich tragen wir im Rucksack einige Versäumnisse unserer eigenen Regierungszeit mit uns. Das Migrationsproblem ist bereits vor neun Jahren entstanden, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft war auch vor dem Regierungswechsel nicht die beste. Aber mit dem Regierungswechsel 2021 haben sich Hoffnungen verbunden, die enttäuscht wurden. Von diesen Enttäuschungen wird sich die Ampel nicht wieder erholen, und deshalb richten sich die Augen der Wählerinnen und Wähler jetzt wieder zunehmend auf uns.
Wenn es im nächsten Jahr zu einem erneuten Regierungswechsel kommt, dann dürfen wir die damit verbundenen Erwartungen nicht erneut enttäuschen. Wir müssen wissen, dass schon in der Vorbereitung auf den Wahltermin eine große Verantwortung auf uns liegt. Wir müssen den Menschen in unserem Land reinen Wein einschenken, wie wir die Lage sehen. Wir dürfen keine Versprechen machen, die wir nicht einlösen können. Und vor allem: Wir müssen dem Land wieder Hoffnung und Zuversicht geben, dass die Probleme lösbar sind, dass es sich für junge Menschen lohnt, in Deutschland zu leben und zu arbeiten.
Richten wir uns also darauf ein, dass wir noch bis zu einem Jahr von einer Koalition regiert werden, die sich weitgehend selbst aufgegeben hat, dass wir aber dann ein klares Zeichen setzen, dass wir unser Land nicht den Populisten überlassen mit den ebenso einfachen wie falschen Lösungen. Wir wollen die Kraft finden, Deutschland in eine gute Zukunft zu führen. Die Substanz und das Fundament dafür sind trotz der Ampel und ihres anhaltenden Streits immer noch vorhanden.
Quelle; MerzMail