30 Stunden Verhandlungen zwischen den zerstrittenen Ampelfraktionen haben nicht einmal im Ansatz ausgereicht, um überhaupt nur einen wesentlichen Streitpunkt auszuräumen. Der am letzten Freitagabend hektisch verbreitete Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministers über das zukünftige Schicksal der Öl- und Gasheizungen lässt mehr Fragen offen als er beantwortet, Widerspruch aus den eigenen Reihen inklusive.
Über einen viel weiterreichenden Streit der Ampel wurde in der vergangenen Woche angeblich überhaupt nicht gesprochen, nämlich über die sogenannte „Kindergrundsicherung“, das von den Ampelparteien selbst so bezeichnete wichtigste sozialpolitische Projekt der laufenden Wahlperiode.
Aber was ist diese „Kindergrundsicherung“ eigentlich? Und was soll sie tatsächlich kosten?
Auch über diese Fragen gehen die Meinungen in der Ampel fröhlich durcheinander. In den Augen der Sozialpolitiker, allen voran der Familienministerin und des Sozialministers, ist die „Kindergrundsicherung“ ein weiterer Baustein auf dem Weg hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Die „Grundrente“ gibt es bereits, das „Bürgergeld“ in abgespeckter Form, und jetzt eben die „Kindergrundsicherung“. Bezeichnend ist, dass die Ampel bisher jede detaillierte Auskunft darüber verweigert, wie denn die Berechnungen zustande kommen, die zu einem Bedarf von angeblich 12 Milliarden Euro zusätzlich für eine solche neue Grundsicherung führen. Nach der bereits vollzogenen Anhebung des Kindergeldes auf einheitlich 250 Euro pro Monat und pro Kind sollen die Transferleistungen also noch einmal kräftig angehoben werden. Welche Einkommensgrenzen der Eltern gelten sollen, woran sich der zusätzliche Bedarf bemisst – alle Fragen in diese Richtung bleiben offen.
Kinder aus einkommensschwachen Familien brauchen ohne Zweifel mehr Hilfe und Unterstützung. Aber schon die von großen Teilen der Öffentlichkeit geglaubte Annahme, dass es den Kindern in unserem Land beständig schlechter geht, hält einer Überprüfung nicht stand. Die Zahl der deutschen Kinder, die von Hartz IV und nunmehr „Bürgergeld“ leben, ist seit 2015 um rund 500.000 Kinder zurückgegangen. Die trotzdem steigende Zahl der Leistungsempfänger geht vorrangig auf Kinder von Asylbewerbern und seit letztem Jahr auf die Kinder aus der Ukraine zurück. Aber die SPD und die Grünen haben an dieser Differenzierung keinerlei Interesse, denn ansonsten ließe sich ihre Erzählung von der zunehmenden Verarmung der Kinder nicht aufrechterhalten, und sie müssten zugleich zugeben, dass ihre eigene Migrationspolitik samt aller Folgewirkungen das eigentliche sozialpolitische Problem unseres Landes ist und nicht die behauptete Kinderarmut.
Hilfe und Unterstützung für Kinder aus prekären familiären Familien darf sich daher nicht an immer höheren Transferleistungen orientieren. Wir brauchen bessere Betreuungsmöglichkeiten, Sprachunterricht, gezielte Förderung von leistungsgeminderten Kindern, zuverlässigen Schulunterricht, Hausaufgabenbetreuung und ganzheitliche Förderkonzepte. Das alles kostet sehr viel Geld, vermutlich sogar mehr als die behaupteten 12 Milliarden für die Kindergrundsicherung. Aber die Investitionen in die Bildung und die damit einhergehende Infrastruktur leisten schon von Beginn an mehr als jede zusätzliche finanzielle Förderung der Familien. Und eine bessere Bildung hilft auch, dass Kinder nicht da bleiben, wo Eltern schon zu lange sind, nämlich in der Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen. Daran müssen wir arbeiten, und diese Kraftanstrengung setzt mehr voraus als nur mehr Geld. Unser Land braucht einen Mentalitätswandel im Hinblick auf Bildung, Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung. Die „Kindergrundsicherung“ zielt deshalb unabhängig von ihrer Höhe und Ausgestaltung in die falsche Richtung. Aber über diese Richtung streitet die Koalition erst gar nicht, sie streitet eben „nur“ ums Geld.
Quelle: MerzMail