CDU-Chef: Die Protest-„kultur“ in Deutschland wird immer ruppiger

Deutschland, Flagge, Fahne, Quelle: moinzon, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung

Der Fähranleger Schüttsiel im Norden der Republik wäre dem größten Teil der Bevölkerung vermutlich noch längere Zeit unbekannt geblieben, wenn sich dort nicht am Donnerstagabend eine weitere Eskalation der in Deutschland ohnehin immer ruppiger werdenden Protest-„kultur“ gezeigt hätte: Der Bundeswirtschaftsminister wurde von Landwirten aus der Region gewaltsam daran gehindert, die Fähre zu verlassen, die ihn von seinem Urlaub zurück auf das Festland bringen sollte.

Wenn sich jetzt auch der Bundespräsident – wie ich finde zu Recht – veranlasst sieht, öffentlich zu diesen Vorfällen Stellung zu beziehen, dann ist die Lage ernst genug, und dann geht der gewaltsame Bauernprotest weit über den Einzelfall hinaus. Demonstrieren zu gehen reicht offenbar niemandem mehr aus, es muss etwas hinzukommen, damit die Aufmerksamkeitsschwelle überhaupt erst erreicht wird, und dieses Etwas besteht mittlerweile ganz regelmäßig aus irgendeiner Form von Gewalt: der Erstürmung von Gebäuden, dem Festkleben auf Straßen, der Behinderung des Flugverkehrs, dem Beschmieren von Kunstwerken, aus Farbattacken auf nationale Symbole wie das Brandenburger Tor oder jetzt eben aus der gewaltsamen Behinderung eines Bundesministers.

Dies sind alles Straftaten, die ein Rechtsstaat nicht dulden darf, und die durch kein einziges wie auch immer geartetes Motiv zu rechtfertigen sind.

Das Jahr 2024 beginnt also, wie das Jahr 2023 geendet hat: Mit einer größer werdenden Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich in ihrem Lebensalltag von „der Politik“ und „den Politikern“ nicht mehr hinreichend verstanden, geschweige denn ausreichend repräsentiert fühlt.

Der Protest der Bauern lässt sich deshalb noch sehr viel tiefergehender einordnen, denn er setzt sich ja in den nächsten Tagen unvermindert fort, obwohl größere Teile der Belastungen, die den Protest überhaupt erst ausgelöst haben, von der Bundesregierung schon längst zurückgezogen worden sind. Denn genau da liegt das Problem: Auch die deutlich reduzierten Subventionskürzungen werden als einseitig und ungerecht empfunden, sie stehen nicht in einem größeren Kontext einer umfassenden Anstrengung, die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen.

Mit dem Rechenschieber werden im Kanzleramt über Tage und Wochen kleinteilige Einzelmaßnahmen besprochen, nach der Beschlussfassung in der Bundesregierung selbst streitig gestellt und nach dem Protest der Betroffenen dann stückweise wieder zurückgenommen. Dieses Muster kennzeichnet die Regierungspolitik der Ampel von Anfang an. Mit anderen Worten: Der Bundesregierung fehlt offenbar ein Gesamtkonzept, wie sie denn mit den aufgetretenen Problemen umgehen soll. Stattdessen wird nach dem Muster der Echternacher Springprozession eine Maßnahme nach der anderen diskutiert, vorgeschlagen und wieder zurückgezogen.

So verunsichert und verärgert man immer größere Teile der Bevölkerung, die zugleich mit einem Gefühl der Hilfslosigkeit mit ansehen muss, wieviel Geld für andere Aufgaben offenbar im Überfluss vorhanden ist, sei es für die weitere Aufblähung des Staatsapparates, sei es für Transferleistungen an illegale Migranten, sei es für Milliardensubventionen an große Unternehmen.

Das Jahr 2024 wird ein Jahr größter außenpolitischer und sicherheitspolitischer Herausforderungen werden. Da wäre es gut, wenn es wenigstens in der Innenpolitik eine gewisse Beruhigung und Verstetigung des Regierungshandelns geben würde. Dies aber setzt Führungswille und Führungsfähigkeit desjenigen voraus, der der Regierung vorsteht.

Wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllt, und damit müssen wir rechnen, dann bleibt trotzdem der Appell an alle, die gegen die Bundesregierung und ihre Politik protestieren wollen, dies mit Augenmaß und vor allem ohne Gewalt zu tun. Vor allem: Landwirte, Spediteure oder wer auch immer dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen von Leuten und Gruppierungen, die den legitimen Protest missbrauchen, um das ganze System unseres Landes in Frage zu stellen.

Unsere Demokratie hat gewaltige Schwächen, und die werden im Augenblick sichtbarer denn je; aber alles andere, was an ihre Stelle träte, würde erst recht zu Wohlstandsverlusten und ganz anderen Verteilungskonflikten führen.

Quelle: MerzMail

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