„Freelancer sind oft Innovationstreiber“, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger im Gespräch mit The European. Umso unzufriedener ist der Liberale mit der derzeitigen Gesetzeslage, die Freiberuflern sowie Auftraggebern das Leben schwer macht. Das im April 2017 in Kraft getretene „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ habe dazu geführt, dass ein bulgarischer Schlachtarbeiter genauso behandelt werde wie ein IT-Experte.
Laut Sattelberger, der in seiner vorpolitischen Karriere als Manager in namhaften deutschen Großunternehmen tätig war, nimmt der Druck auf die Regierung zu, das Gesetz „nachzubessern“. Kürzlich beklagten Topmanager großer deutscher Konzerne in einem Schreiben an Bundesarbeitsminister Heil (SPD), dass die Regierung es ihnen schwer mache, in puncto Digitalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das Gesetz unterscheide nicht hinreichend trennscharf zwischen wirklich Schutzbedürftigen, die nur scheinbar selbstständig sind, „und echten Freiberuflern, die gut verdienen und sich problemlos versichern und für ihr Alter vorsorgen können“, so Brandeins über das Schreiben.
„Befördert ein schlecht gemachtes Gesetz einen Braindrain und den Export von IT-Kompetenz?“, fragte das Magazin. Sattelberger bejaht diese Frage, auch wenn keine konkreten Zahlen vorliegen. 48 Prozent der Freelancer generell und 62% der Freelancer, die schon von einer Projektbeendigung wegen der Rechtsunsicherheit betroffen waren, erwägen zumindest, Deutschland wegen der bürokratischen Hürden und der Rechtsunsicherheit den Rücken zu kehren. Dies haben Befragungen ergeben.
Deutsche Experten flüchten ins Ausland
„Ich habe es schon vor Jahren prophezeit, und es zeigt sich nun auch in der Praxis: Die bisherige Regelung ist ein Beschäftigungsprogramm für Juristen und wird dem Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig schweren Schaden zufügen. In Ländern mit einer Gesetzgebung, die im Zeitalter der Digitalisierung angekommen ist und sich nicht mehr in der Steinzeit befindet, leckt man sich die Finger nach unseren gut ausgebildeten Freelancern und IT-Fachkräften“, sagt der Stuttgarter Personalberater Michael Zondler, dessen Unternehmen CENTOMO unter anderem Freiberufler für hochkomplexe Spezialaufgaben unter Vertrag nimmt.
FDP-Digitalexperte Sattelberger sieht die ganz reale Gefahr, dass nicht nur deutsche Experten ins Ausland flüchten, sondern auch Unternehmen aus Furcht vor der deutschen rechtlichen Grauzone vermehrt auf Outsourcing setzen. Freelancer in den skandinavischen Ländern, in den USA, in Vietnam, Polen oder sonstwo stehen quasi schon in den Startlöchern.
Doch nicht nur die Unternehmen fürchten Prozessrisiken, auch die Freelancer gehen aus Angst vor drohenden juristischen Problemen in die Zeitarbeit oder in abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Dies schlägt sich natürlich auf ihre Gehälter nieder, die deutlich sinken. „Wenn Menschen gegen ihren eigentlichen Willen in Angestelltenverhältnisse wechseln, dann sinken automatisch Motivation und Kreativität. Alles zusammen ist das eine zunehmende Katastrophe. Ich hoffe, dass der Druck des Verbandes der Gründer und Selbstständigen und einzelner Abgeordneter wie Thomas Sattelberger und auch mehr mediale Aufmerksamkeit wie zum Beispiel durch die Brandeins-Story ‚Ich bin nicht schutzbedürftig‘ dafür sorgen, dass die Große Koalition in Berlin endlich aufwacht“, so Zondler.
Noch aber regiert hierzulande der „DIN A4-Staat“, so Sattelberger. Am legislativen Umgang mit Freiberuflern wird sich zeigen, ob Deutschland fit für die Digitalisierung ist oder auch hier immer mehr ins Hintertreffen gerät. „Freelancer sind das Plankton für die digitale Transformation“, meint Sattelberger. Ob Hubertus Heil dies verstehen wird?