Trumps Verrat, eine Chance für Europa?

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In diesen Tagen zeigen sich manche wenig überrascht von der Entwicklung der US-amerikanischen Politik, als hätten sie es doch schon immer gewusst. Da scheint ein deutsches Ressentiment durch zu klingen, dass von den im Zweiten Weltkrieg besiegten Landsern über die Demonstranten gegen das kriegerische Wüten der USA in Vietnam bis in die Gegenwart reicht. Während die Achtundsechziger „USA, SA, SS“ skandierten und damit nicht zuletzt ihre Väter en Passant entschuldeten, stellen die Karnevalisten Trump und Putin mit einem gelungenen Wagen in die Tradition des Hitler-Stalin-Paktes.

Tatsächlich steht Donald Trump bei aller persönlichen Irrlichterei in einer langen und alten Tradition amerikanischer Politik, die Heinrich August Winkler im Aufmacher des FAZ-Feuilletons unter dem Titel „Verrat auf offener Bühne“ nachzeichnet (https://zeitung.faz.net/…/2ad9162dae4a44c3dab35a24ccaa5…). Diese Politik ist also keinesfalls irrational. Für Winkler gibt es „kaum noch Zweifel: Das Jahr 2025 dürfte zur tiefsten Zäsur der Weltgeschichte seit dem Untergang des Sowjetimperiums in den Jahren 1989 bis 1991, ja vermutlich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren werden…

Der neue Herr des Weißen Hauses und seine Mitstreiter für „Realpolitik“ … teilen die Welt in imperialistischer Manier in Einflusssphären auf und erkennen als gleichrangig nur noch das China Xi Jinpings und das Russland Wladimir Putins an. Dabei spielt offenkundig das Kalkül eine Rolle, Russland im Falle eines militärischen Konflikts zwischen den USA und China wenn nicht auf ein Bündnis, so doch zumindest auf eine neutrale Haltung festlegen zu können. Das käme einem „renversement des alliances“ – einer Umkehrung der Allianzen auf Kosten Europas – gleich“.

Winkler erinnert an „das gemeinsame Erbe des alten Okzidents oder, anders gewendet, des lateinischen Europas. Die ansatzweise Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt (imperium versus sacerdotium) im hohen Mittelalter, die es nur im Bereich der Westkirche, nicht aber in dem der Ostkirche gab, wurde zur Keimzelle weiterer Gewaltenteilungen und damit zur Bedingung der Möglichkeit von Individualismus, gesellschaftlichem Pluralismus und Aufklärung: Errungenschaften, die grundlegend sind für das, was wir den Westen nennen…

Neben dem Verbindenden steht das Trennende. Auf einen ersten wichtigen Unterschied zwischen dem kontinentalen Europa und den USA hat bereits 1835 Alexis de Tocqueville in seinem Werk „Über die Demokratie in Amerika“ hingewiesen: Das Wesen der anglo-amerikanischen Zivilisation sei das Produkt zweier völlig verschiedener Elemente, die sich andernorts häufig bekriegt, in Amerika aber wechselseitig durchdrungen und auf wunderbare Weise verbunden hätten: der Geist der Religion und der Geist der Freiheit. In Europa und zumal in Frankreich war es die aufgeklärte Vernunft, welche die Forderung nach politischer Freiheit hervorbrachte. „In Amerika ist es die Religion, die zur Erleuchtung führt (c’est la religion, qui mène aux lumières); es ist der Gehorsam gegenüber den göttlichen Gesetzen, die den Menschen zur Freiheit führt.“

So buchstabiert Winkler die Unterschiede zwischen den Kontinenten durch und erklärt, warum „Voltaire nur bis Virginia kam, also nicht bis zum Bible Belt“, Max Weber nicht in den Wilden Westen und Bismarck nicht nach Buffalo.

Er sieht Deutschland in besonderer Verantwortung und mag nicht ausschließen, dass Trump Europa dann doch noch eine Chance bietet: „Deutschland, dessen Eliten sich im 19. und noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts großteils gegen die Ideen von 1776 und 1789 gewehrt haben, verdankt seine Öffnung gegenüber der politischen Kultur des Westens nach 1945 vor allem dem militärischen, wirtschaftlichen, politischen und humanitären Engagement Amerikas. Wenn Washington heute die Werte des Westens infrage stellt, haben die Deutschen mehr noch als die anderen Europäer die Verpflichtung gegenüber dem anderen, dem verfassungspatriotischen Amerika, zu verteidigen, was Trump und die Seinen für normativen Ballast halten. Sollte der 47. Präsident der USA Deutschland und Europa zu dieser Erkenntnis zwingen, wäre das ein Aspekt seiner Wahl, den Hegel vielleicht als List der Vernunft bezeichnet hätte“.

Quelle: Franz Sommerfeld

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