Sahra Wagenknecht vorzuhalten, dass sie vor dreissig Jahren gegen Gregor Gysi stalinistische Vorstellungen in der damaligen PDS vertrat, widerspricht dem Wesen demokratischer Gesellschaften, auf die Einsicht von Menschen zu setzen, auf ihre Bereitschaft, aus Fehlern, auch eigenen, zu lernen.
Aber es ist nicht zu übersehen, dass die Thüringer BSW-Vorsitzenden Katja Wolf und Steffen Schütz (Foto: Rechts) gerade eine Kampagne in schlimmer stalinistischer Tradition erleben, weil sie es gewagt haben, ihre Rechte als Landesverband gegen die grosse Vorsitzende durchzusetzen. Gut orchestriert wird ihnen Verrat an den politischen Ideen aus niederen persönlichen Motiven vorgeworfen:
Fabio de Masi wirft Wolf, die aus politischen Gründen erst kürzlich ein Ministeramt unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow abgelehnt hatte, vor, „sich für ein Ministeramt gegen Frau Wagenknecht instrumentalisieren“ zu lassen und „um in Thüringen ein paar Bratwürste zu grillen“ (https://www.spiegel.de/…/bsw-machtkampf-das-lager-von…) So wurden einst Volksfeinde und werden jetzt Parteifeinde markiert.
Denn entscheidend ist der „Mehrheitswillen“ des Volkes, den BSW-Funktionärin Sevim Dağdelen gegen die vom Volk gewählten Mehrheiten des Landtages setzt. BSW-Bundesschatzmeister Ralph Suikat und die Parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag Jessica Tatti halten den Thüringern vor, das BSW „auf dem besten Weg zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht“.
Sie werfen ihnen vor, „sich dem transatlantischen Treueschwur eines Friedrich Merz zu beugen“, was sie nirgendwo tun. Tatsächlich haben sie, wie es unter Demokraten gute Tradition ist, auch die unterschiedlichen Auffassungen öffentlich formuliert. Der stellvertretende BSW Vorsitzende Shervin Haghsheno geisselt diesen demokratischen Gepflogenheiten als „Bereitschaft, grundsätzliche Positionen des BSW in der Frage von Frieden, Krieg und Abrüstung aufzugeben“.
Ergebenheits-Adressen für den Führer der Bewegung waren ein zentrales stalinistisches Disziplinierungsinstrument: „Wir stehen dabei geschlossen hinter Sahra Wagenknecht und unterstützen es sehr, dass sie sich in die Gespräche einbringt“, erklärt der sachsen-anhaltinische
BSW-Chef John Lucas Dittrich in gekonntem neudeutschen Betroffenheits-Slang („sich einbringen“). Andere folgen.
Nach aller politischen Erfahrung wird sich Sahra Wagenknecht durchsetzen und eine Koalition in Thüringen unter ihrer Beteiligung verhindern. Noch ist nicht abzusehen, welche und wie viele Thüringer BSW Politiker die Bewegung verlassen. Wagenknecht weiss, dass sie damit die AFD stärkt.