
Zum Regieren verdammt
Olaf Scholz ist ungeachtet wichtiger Weichenstellungen durch seine Regierung nicht nur als Kanzler der Ampelkoalition gescheitert, sondern er hat auch seine Partei weiter an einen historischen Abgrund heran geführt. Dieser in das Wort „ich“ so verliebte Politiker hat die Möglichkeit, persönliche Verantwortung für das dramatische Scheitern dieser Regierung zu übernehmen, ausgeschlagen und die eigene Partei mit in seinen eigenen Absturz hineingerissen.
Das wiegt um so schwerer, als mit Boris Pistorius ein weitaus populärerer Politiker zur Kanzlerkandidatur bereit war, ungeachtet der Frage, ob er der Aufgabe gewachsen wäre. Über Wochen liessen die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil mitten im einsetzenden Wahlkampf ein innerparteiliches Gezerre um den Kanzlerkandidaten zu.
Heute verweigern sich die SPD-Vorsitzenden, Verantwortung für die historische Niederlage ihrer Partei zu übernehmen und sich Zeit zu verschaffen für das, was sie wohl können, Gitarre zu spielen. In ihrer Unfähigkeit, strategische Zielvorstellungen für ihre Partei zu entwickeln, stehen sich beide in nichts nach; Saskia Esken wirkt im Auftritt nur ungelenker. Klingbeil greift nun noch nach dem Amt des Fraktionschefs.
Auch jetzt geben die Vorsitzenden ihrer Partei keine Orientierung und der deutschen Öffentlichkeit keinen Hinweis, worauf sie sich in den Verhandlungen konzentrieren werden. Sie sprechen von „klaren Erwartungen“ an eine Regierung unter Merz, ohne sie zu benennen, sondern recyceln Wahlkampf-Parolen: „Es gehe um eine Politik, die „für Menschen, die hart arbeiten“ gemacht werde, um „bessere Löhne“, „mehr Geld im Geldbeutel“ und „stabile Renten“ (https://lnkd.in/exMTm-AY).
Schliesslich raunen die SPD-Vorsitzenden, dass die Regierungsbildung nicht so schnell gelingen werde, wie Merz das, vermutlich im Einklang mit vielen Deutschen und aus guten Gründen, fordert, ergänzt um den verständlichen Wunsch, dass Merz doch seinen Ton ändern möge. Doch souverän klingt das nicht.
Die Sozialdemokraten haben eine Oppositionszeit verdient, wie sie die CDU in den letzten Jahren zur Neuaufstellung genutzt hat. Nun stehen sie einem CDU-Chef gegenüber, der die eigene Partei geeint und die Union wieder zur stärksten Fraktion im Parlament gemacht, aber angesichts des Ampel-Debakels ein im Grunde katastrophales Ergebnis eingefahren und AFD und Linke stabilisiert hat. Das erleichtert die Regierungsbildung nicht. Und doch haben allen Sprüchen von Klingbeil, das noch nichts entschieden sei, zum Trotz Union und SPD keine andere Wahl, als zu regieren. Bei Strafe ihres Unterganges, wie ein Blick in viele europäische Staaten zeigt.
Quelle: Franz Sommerfeld