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„Erst links, dann rechts, dann geradeaus“, lernen die Kinder bereits im Kindergarten. CDU-Chef Friedrich Merz setzt dagegen seine neue politische Leitlinie: „Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus“. Das ist die eigentliche politische Wende der Union in diesem Bundestagswahlkampf, nicht Merzens durchaus nachzuvollziehende Bereitschaft, mit der Kanzlerkandidatin der in Umfragen zweitstärksten Partei zu streiten. Und auch nicht die Ankündigung, politische Anträge allein zu Wahlkampfzwecken ins Parlament einzubringen, eine beliebte Praxis der SPD seit dem Ampelbruch, die die Union bislang zu Recht kritisiert hatte und nun selbst praktiziert.
Die eigentliche Wende liegt in dem Anspruch von Merz, mit einer Union, die vermutlich mehr oder weniger als ein Drittel aller Stimmen auf sich vereinigen wird, politisch durch zu regieren. Das zeichnete sich bereits ab „mit seiner Ankündigung, im Falle eines Wahlsiegs am ersten Tag seiner Amtszeit härtere Einwanderungsregeln durchsetzen, per Anweisung an den Bundesinnenminister. Damit eifert er der Dekretpolitik des neuen US-Präsidenten nach“, notiert das „Handelsblatt“ und stellt zutreffend fest: „Der Bundeskanzler ist kein amerikanischer Präsident mit fast monarchischen Befugnissen. Merz muss erst eine Koalition bilden und sich dann im Bundestag wählen lassen. Diesen „Sofortismus“, den er heute suggeriert, gibt es nicht.“ (https://hbapp.handelsblatt.com/cmsid/100102817.html).
Auch wenn Merz selbst noch nie Koalitionsverhandlungen geleitet hat, weiß er natürlich, dass sich keine demokratische Partei auf seine Friss-Oder-Stirb-Attitüde einlassen wird, mit der er demokratische Verhandlungen diskreditiert: „Jetzt ist Schluss mit irgendwelchen taktischen Spielchen.“ Gemeinsam um die geeigneten Lösungen für politische Herausforderungen zu ringen, macht das Wesen der parlamentarischen Demokratie aus. Dazu gehört der Kompromiss.
Nach den Grünen, die die Union längst als möglichen Koalitionspartner ausgeschlossen hat, blockiert Merz nun auch eine Koalition mit der SPD, die sich einem solchen Diktat nicht unterwerfen wird. Mit seinem „Sofortismus“ täuscht Merz seine Wähler: Entweder findet er doch zu politischen Kompromissen mit einer demokratischen Partei. Dann war das markige Geplapper und wird berechtigte Enttäuschung bei Wählern und Wählerinnen auslösen und sie der AFD zu treiben.
Oder er öffnet, zurzeit die wahrscheinlichere Option, den Weg zu einer von der AFD gestützten Minderheiten-Regierung der Union, vielleicht mit der FDP. Dann wird sich allerdings Merzens pathetische Warnung vor der „Natter AFD“ als so unernsthaft erweisen, wie sie vielen von Anfang an erschien. Eine solche Mehrheit könnte sich gleichsam als Generalprobe in der nächsten Woche im Bundestag bereits abzeichnen. Darum ist es gut, dass die Union ihre Anträge bereits vor den Bundestagswahlen in das Parlament einbringt. Das schafft Klarheit, abgesehen davon, dass es das gute Recht einer demokratischen Partei ist, Anträge einzubringen, unabhängig davon, ob Ihnen Extremisten zustimmen.
Natürlich bleiben außerhalb der Migrationsfrage grundlegende Unterschiede zwischen Union und AfD, aber schon bei der Unterstützung der Ukraine und der Verurteilung Russlands zeigt sich die CSU, deren Vorsitzender zu Corona Zeiten russische Sputnik-Impfstoffe importieren wollte, deutlich zurückhaltender als die CDU. Und bei der Kritik an den Asyl-Bestimmungen der EU gibt es für die AfD viele Anknüpfungspunkte, auch wenn ein Austritt Deutschlands aus der EU erst unter einer AfD geführten Regierung möglich würde.
Aber zuvor könnte es die Partei Konrad Adenauers, als eine der letzten Volksparteien Europas ein Faktor europäischer Stabilität, zerreißen: „Dieses Manöver ist politischer Selbstmord“, sagte ein CDU-Bundesvorstands-Mitglied dem Tagesspiegel: „Damit wird die CDU vom Jäger zum Gejagten. Ab heute sind alle gegen uns…Friedrich Merz sind die Nerven durchgegangen.“ (https://web-epaper.tagesspiegel.de/index.html…).
Wer nicht nach rechts oder links schaut, läuft Gefahr überfahren zu werden, lernen die Kinder im Kindergarten.