Es ist schon etwas eigentümlich mit der Liszt-Pflege in der Universitätsstadt Jena. Dabei hätte man manchen Grund, etwas dafür zu tun, denn er hat so manches für Jena getan. Was steht also im Jahre des 200. Geburtstages an?
1. Camelia Sima begann das Liszt-Jahr im Karl von Hase-Haus mit der Klaviersonate „Apres dune lecture du Dante“.
2. Ronald Uhlig schloss sich im Evangelischen Gemeindezentrum mit den „Schweizer Pilgerjahren“ und „Venetia e Napoli“ an.
3. Die Kirchen tragen durchaus ihr musikalisches Scherflein bei, obwohl in der Stadtkirche die Orgelmusik wegen der Bauarbeiten brach liegen muss. Sie setzen damit die bisherige Pflege fort. Das sind aber Institutionen, in denen die Musik nicht die Hauptrolle spielt. Was tun also die hauptamtlichen?
4. Die Jenaer Philharmonie nimmt sich des „Christus“ an und bietet einen Orgelabend an.
5. Die Universität veranstaltet im Herbst eine Ausstellung „Franz Liszt und seine Schüler in den Akademischen Konzerten“.
6. Der Autor dieses Artikels bringt dazu ein Büchlein heraus „Der Ehrenbürger Franz Liszt und sein Wirken in Jena“, wobei die Fertigstellung wegen der überreichlichen Aktenbestände, vor allem aber wegen der Druckkostenzuschüsse noch in den Sternen steht.
Alles in allem: insgesamt ein etwas dürftiger Beitrag, zumal es versäumt wurde, sich rechtzeitig in die Tourismusaktivitäten um Liszt einzubinden, wo neben Weimar z. B. auch Eisenach und Sondershausen genannt sind.
Was sind also Liszts Verdienste um Jena?
1. Schon das erste Konzert in Jena brachte Liszt die Ehrenbürgerwürde ein. Er weilte in Weimar zur Hochzeit von Carl Alexander von Sachsen-Weimar mit der niederländischen Prinzessin Sophie, derselben, der die Sophien-Ausgabe von Goethes Gesammelten Werken zu danken ist. Auf Bitten erklärte sich Liszt zu einem Konzert in den Rosensälen bereit. In Städten wie Wien oder Berlin brachte derlei manchmal tausend Taler und mehr ein, in Jena waren es ganze 196 Taler, aber immerhin war das ein Drittel der Summe, die die Akademische Konzertkommission sonst fürs ganze Jahr zur Verfügung hatte. Liszt legte noch 104 Taler aus eigener Tasche hinzu und so betrug die „Lißtsche Stiftung“ für die Kleinkinderbewahranstalt, die zur Hochzeit von Carl Alexander eingerichtet worden war, immerhin 300 Taler. Am folgenden Samstag fuhr der Stadtrat mit der Kutsche – die Eisenbahn ließ noch Jahrzehnte auf sich warten – nach Weimar und überbrachte die Ehrenbürgerurkunde.
2. Im zweiten, nun regulären Akademischen Konzert Liszts in Jena verzichtete der Musiker ebenfalls auf sein Honorar. Diesmal wurde damit der Ankauf eines neuen Flügels gefördert, denn der eigene war allzu marode. Übrigens wandelten heutzutage die Professoren Maria-Luise Leihenseder-Ewald und Thomas Steinhöfel auf den Spuren Liszts, als es um den neuen Flügel in der Ratsdiele ging, sie spendeten beim letzten Kulturamtskonzert des Autors dafür ihr Honorar.
3. Franz Liszt beglich stillschweigend so manches Geld für Musiker aus Weimar, die mit der Kutsche zu den Akademischen Konzerten kamen, z. B. auch zu seinem Beitrag zur Schillerfeier.
4. Während seiner Jahre in Weimar kam Liszt in den Sommermonaten mit einer ganzen Schülerschar zu den Konzerten der Singakademie oder des Akademischen Gesangvereins nach Jena, beteiligte sich an den Proben, hielt dann Lunch im „Schwarzen Bären“ und wirkte dann bei so manchen Aufführungen mit. Schließlich ging es zu Gilles Garten in der Bachgasse zum Bratwurstessen. Ein Ergebnis: Liszt wurde bald Ehrenmitglied des Akademischen Gesangvereins.
5. Franz Liszt lobte noch aus Rom die Bestrebungen seines Freundes Carl Gille in Jena wegen der Weitsicht der Konzertprogramme, z. B. bei den Aufführungen der Johannis-Passion von Johann Sebastian Bach, die er in Weimar bis dahin nicht durchsetzen konnte. Manchmal tragen die Konzertzettel der Akademischen Konzerte von Gilles Hand den Zusatz mit roten oder blauen Stiften: in Anwesenheit von Carl Alexander und/oder Franz Liszt. Dieser Carl Gille war dem Freund behilflich bei dessem „Allgemeinen Deutschen Musikverein“, bei Liszts Beethoven-Stiftung. Zudem war er Kustos des Liszts Museums gewesen.
6. Wiederholt war Franz Liszt Dirigent bei den Akademischen Konzerten, vielleicht hielt er sogar 1884 bei der Aufführung seiner „Graner Messe“ letztmalig den Dirigentenstab in den Händen. Natürlich waren auch der Pianist und der Komponist Liszt in Jena zu hören. Einige Werke erlebten in Jena ihre Uraufführung, z. B. eine Messe für Männerchor und Orgel und „Gaudeamus igitur“ für Soli, Chor und Orchester zur Hundertjahrfeier der Akademischen Konzerte 1870.
Ohne Liszts Interesse für die slawische Musik (z. B. das „Mächtige Häuflein“ in Russland oder Smetana) wären diese Werke wohl später in die Programme aufgenommen worden. Alexander Borodin hörte in Jena Liszts 2. Elegie in der Kollegienkirche. Ohne Franz Liszt ist das Gastspiel von Camille Saint Saens in Jena nicht zu denken, dessen Kompositionen danach öfters hier zu hören waren.
Es gibt eine lange Liste von Liszt-Schülern, die, öfters unentgeltlich, in Jena die Konzerte belebten, z. B. DFionys Pruckner, Hans von Bülow, Hans und Ingeborg Bronsart von Schenkendorf, Martha Rennert, Martha von Sabinin, Carl Tausig, Conrad Ansorge, Julius Reubke, Eugen d´Albert, Pauline Erdmannsdorfer-Fichtner, Anna Mehlig, Vera Timanoff, Arthur Friedheim, Bernhard Stavenhagen, und manche Sänger, sowie auch das Joachim-Quartett. Das Es-Dur-Klavierkonzert von Liszt wurde vier Wochen nach der Uraufführung der endgültigen Fassung in Weimar noch aus dem Manuskript mit Liszt am Pult und Dionys Pruckner am Klavier vorgestellt.
Wenn Liszt besonders in seinen letzten Jahren in Weimar weilte, verbrachte er den Geburtstag von Carl Alexander oft in Dornburg, so auch in seinem Todesjahr 1886. Er fuhr aber anschließend nicht mit dem Hof nach Weimar zurück, sondern machte in Jena Station, um sich den „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy mit den Jenaer Chören anzuhören. Seine allerletzte Unterrichtsstunde in Weimar begann er mit einem Präludium eben dieses Komponisten.
Für den befreundeten Kirchenhistoriker Karl von Hase schrieb Liszt „Nun danket alle Gott“ für Orgel, Trompeten, Posaunen und Pauken.
Es gab auch rechtschaffene Arten des Humors. Nach der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Franz Liszt wurde ihm auch die Ehrenmitgliedschaft in einem studentischen Trinkorden in Wöllnitz und Lichtenhain angetragen, bei dessen Formalitäten die förmlichen Gepflogenheiten durch den Kakao gezogen wurden, vielleicht mit ernsterer Zuneigung als manch anderes.
Im Jahre 1986 zum 100. Todestag von Franz Liszt hat Prof. Martin Högner Liszts Alterswerke vorgestellt, die erst nach dem zweiten Weltkrieg ihre eigentliche Wertschätzung erfahren haben. Später hat Dr Walter Börner die Zyklen „Unterm Weihnachtsbaum“ und „Historische ungarische Bildnisse“ dargeboten.
Bei rechtzeitiger Vorbereitung hätte man in Jena durchaus ein beispielhaftes Jahresprogramm auf die Beine stellen können, Chöre und Solisten haben wir durchaus ausreichend, und die Musikhochschule Weimar ist nicht weit. Liegt es an den Finanzen? Oder liegt das nun Versäumte an der Untätigkeit und Gedankenlosigkeit der eigentlich dafür Zuständigen?
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