Flossenbürg war die letzte Station – Zum Tod Dietrich Bonhoeffers am 9. April 1945

Im Jahr 1954, als ich 17 Jahre alt und Mitglied der „Evangelischen Jugend“ in meiner Heimatstadt Rodach bei Coburg war, schenkte mir Pfarrer Heinz Prengel, der aus Breslau stammte, das Buch „Widerstand und Ergebung“ (1951) seines schlesischen Landsmanns Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Dieses schmale Buch mit dem Untertitel „Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft“ habe ich damals verschlungen, und das dort abgedruckte Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ liebte ich ganz besonders, es ist nach dem Krieg von Siegfried Fietz vertont worden. Sein Vater Karl Bonhoeffer (1868-1948), der an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Breslau eine Professur für Neurologie und Psychiatrie innehatte, und seine Mutter Paula Bonhoeffer (1874-1951) überlebten die Exekution ihres Sohnes, von der sie freilich erst Wochen nach dem Kriegsende erfuhren. Das Ehepaar hatte acht Kinder, darunter das Zwillingspaar Dietrich und Sabine, geboren am 4. Februar 1906. Sechs Jahre später, 1912, erhielt der Vater einen Ruf an die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, und die Familie zog aus der schlesischen Provinz in die Reichshauptstadt.
Der hochbegabte Dietrich Bonhoeffer wuchs nunmehr in Berlin auf und bestand 1923 mit 17 Jahren das Abitur am Grunewald-Gymnasium, als Berufswunsch gab er an, evangelische Theologie studieren zu wollen. In den Jahren 1923/27 studierte er zunächst in Tübingen, dann in Rom und zuletzt in Berlin bei dem berühmten Theologen Adolf von Harnack (1851-1930), dessen Sohn Ernst und dessen Neffen Arvid und Falk später Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten und dafür mit ihrem Leben bezahlen mussten.
Schon 1927, im Alter von 21 Jahren, wurde Dietrich Bonhoeffer mit der Note „summa cum laude“ promoviert, die Dissertation trug den Titel „Sanctorum Communio. Eine Untersuchung zur Soziologie der Kirche“. Das Erste Theologische Examen folgte 1928. Danach wurde er als Vikar zur Evangelischen Kirchengemeinde nach Barcelona geschickt. Ein Jahr später schon wurde er Assistent an der Theologischen Fakultät der Berliner Universität, wo er 1930 das Zweite Theologische Examen ablegte und sich mit der Arbeit „Akt und Sein“ in Systematischer Theologie habilitieren konnte. Nach einem Jahr im New Yorker Stadtteil Harlem, wo er Pastoralarbeit leistete und mit den Opfern der Weltwirtschaftskrise konfrontiert wurde, wurde er in Berlin Assistent bei dem Neutestamentler Wilhelm Lütgert (1867-1938) und hielt im Wintersemester 1931/32 selbst seine erste Vorlesung „Geschichte der Systematischen Theologie im 20. Jahrhundert“. In Berlin-Tiergarten wurde er 1931zum Pfarrer ordiniert. In dieser Zeit begann er auch, sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
Die Freundschaft mit dem Schweizer Theologen Karl Barth (1886-1968), dem Begründer der „dialektischen Theologie“ 1918/32, der seit 1930 in Bonn lehrte, bot ihm dabei unersetzliche Hilfe und seelischen Beistand. Der aus Basel stammende Gelehrte, der 1919 mit der Exegese des Römerbriefs bekannt geworden war, wurde 1934 einer der Mitbegründer der „Bekennenden Kirche“, verlor deshalb 1935 seinen Bonner Lehrstuhl und wurde ausgewiesen.
Das Jahr 1933 brachte für Dietrich Bonhoeffer eine tiefe Einschränkung seiner seelsorgerischen und theologischen Möglichkeiten. Sein Radiovortrag „Wandlungen des Führerbegriffs“ (1. Februar 1933) wurde mitten im Text wegen der Kritik am „Führer“ abgebrochen. In seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ (1933) kritisierte er den staatlich verordneten Antisemitismus, bevor er1933/35 für anderthalb Jahre nach London ging. Nun betreute er 1935/37 die Ausbildung von künftigen Pfarrern der „Bekennenden Kirche“ im Predigerseminar Finkenwalde bei Stettin. Einer seiner Studenten dort war Eberhard Bethge (1909-2000), der sein engster Freund, Briefpartner, Biograf (1966) und Werkbetreuer werden sollte. Das Predigerseminar wurde 1937 von den Nationalsozialisten geschlossen.
Über seinenSchwager Hans von Dohnanyi (1902-1945), der am Reichsgericht in Leipzig arbeitete, fand Dietrich Bonhoeffer erste Kontakte zu Widerstandskreisen und lernte Wilhelm Canaris (1887-1945) und Ludwig Beck (1880-1944) kennen. Mit Helmuth von Moltke (1909-1945), dem Gründer 1940 des „Kreisauer Kreises“ in Schlesien,bereiste er 1940 Norwegen, Schweden und die Schweiz. Zur Jahreswende 1942/43 schrieb er den Rechenschaftsbericht „Nach zehn Jahren“, worin er seine Position im Widerstand überprüfte. Am 13. Januar 1943 verlobte er sich mit Maria von Wedemeyer (1924-1977), der Tochter eines ostpreußischen Gutsbesitzers. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet.
Dietrich Bonhoeffer wurde am 8.Oktober 1944 vom Wehrmachtsgefängnis in Berlin-Tegel in den GESTAPO-Keller in der Prinz-Albrecht-Straße verlegt und von dort am 7. Februar ins Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar. Am 5. April 1945 verfügte Adolf Hitler die Hinrichtung der noch lebenden Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944, darunter auch die Dietrich Bonhoeffers. Er traf am 8. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg/Oberpfalz ein, wo er im Morgengrauen des 9. April gehängt wurde. Zwei Wochen später, am 23. April, wurde Flossenbürg von amerikanischen Truppen eingenommen. Das Todesurteil wurde ein halbes Jahrhundert später, am 6. August 1996 vom Landgericht Berlin aufgehoben.

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Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.

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