Offener Brandbrief an die Regierungen des Bundes und der Länder:
„Sehr geehrte Damen und Herren in den Regierungen des Bundes und der Länder,
durch die corona-bedingten Absagen, Stornierungen und Arbeitsausfälle sind die Film- und Fernsehschaffenden außerhalb der Sender in den meisten Fällen kurzfristig mit dem Totalverlust ihres Einkommens konfrontiert. Wer nicht fest angestellt ist, verliert in aller Regel jegliche Einnahmenperspektive, da Dreharbeiten derzeit aufgrund des gebotenen Gesundheitsschutzes nicht mehr stattfinden können. Wie lange diese Krise anhält, kann aktuell niemand beurteilen.
In dieser außergewöhnlichen Lage stehen viele Kulturschaffende, die oft als Solo-Selbständige arbeiten oder nur tageweise oder für kurze Produktionen vertraglich verpflichtet werden, vor dem ökonomischen Abgrund. Seit Jahrzehnten sind die Einkommen in vielen Bereichen des Kunst- und Kulturschaffens nicht auskömmlich oder gar geeignet, Rücklagen aufzubauen bzw. eine adäquate Absicherung zu finanzieren.
Mit der Künstlersozialkasse wurde für einen Teil der in Kulturwirtschaft Beschäftigten eine sehr dankenswerte Linderung im Bereich des Krankheits- und Pflegefall-Risikos sowie der Altersvorsorge geschaffen. Tageweise oder auf Projektdauer Beschäftigte werden über die KSK aber nicht erreicht, weil ihnen der Zutritt in dieses System nicht möglich ist, welches auch viele eher technische Berufe ausklammert. Zudem ist die KSK für den aktuellen Krisenfall und die hier erforderliche Liquiditätshilfe in keinster Weise zuständig oder geeignet. Ein hervorragendes Institut, aber für diesen Fall nicht ausgelegt. Die z.T. aktuell gehörten Hinweise auf die KSK gehen also an der Sachlage und den Handlungserfordernissen vorbei.
Die ökonomische Krise aufgrund der wegbrechenden Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten betrifft aber auch die zahlreichen tageweise bzw. auf Produktionsdauer Beschäftigten, also die jeweils zweck- oder zeitbefristet angestellten Filmschaffenden. Diese sind mit fristlosen Projektabbrüchen wegen höherer Gewalt konfrontiert – und selbstverständlich gibt es für die nächsten Monate keine Ersatz- oder Folgeprojekte, weil der gesamte Kulturbetrieb gegen Null gefahren werden mußte. Es tut sich für Hunderttausende nun ein ökonomischer Abgrund auf.
Die in der Kulturwirtschaft Tätigen – auch die freien Filmschaffenden – brauchen schnelle und unbürokratische ökonomische Nothilfe. Selbstverständlich können die Branchenstrukturen hier genutzt werden. Für Solo-Selbständige und für auf Produktionsdauer Beschäftigte der Film- und Fernsehindustrie außerhalb der festen Strukturen der Sender muß ein wirksames ökonomisches Netz gespannt werden.
„Fachkräftemangel“ war gestern: Heute und morgen geht es um den Erhalt der Arbeitsfähigkeit der deutschen Film- und Fersehwirtschaft nach der Zeit des Stillstands wegen Corona! Dazu braucht man aber auch Filmschaffende! Wer sich jetzt nicht für das ökonomische Überleben der Filmschaffenden stark macht, braucht sich später nicht beklagen, daß sie nach dem voraussehbaren Absturz infolge von Corona in diesem Berufsfeld nicht mehr arbeiten, weil sie sich umorientieren.
Nicht nur die Firmen brauchen Liquiditätshilfen. Die im Kulturbetrieb tätigen Menschen benötigen dringend Überlebenshilfe! Viele sind nicht einmal mehr in der Lage, ihre in diesen Zeiten unbedingt erforderlichen Krankenversicherungsbeiträge für sich und ihre Angehörigen zu leisten.
Freiberufliche und tageweise bzw. projektweise beschäftigte Kulturschaffende nehmen in dieser existenziellen Notlage keine Kredite auf, die sie bei ihren zumeist prekären Einkommensverhälnissen selbst in guten Zeiten niemals werden zurückzahlen können.
Was mindestens die Hälfte der freien Kulturschaffenden jetzt dringend benötigt, sind echte Zuschüsse zum Lebensunterhalt. Die Grundsicherung ist hierfür ungeeignet, denn sie ermöglicht nicht die Aufrechterhaltung der Infrastruktur in der „freien“ Filmschaffenden, die laufend mit Büromieten, Ratenzahlungen für Equipment oder Ausstattung, berufsbedingten Versicherungen und anderen Kosten konfrontiert sind.
Wer den Zusammenbruch des freien Kulturbetriebs verhindern will, muß nicht nur die Institutionen, Produzenten oder Agenten fördern, sondern gerade auch die Individuen, die diesen ganzen Bereich mit ihrem Schaffen konstitutiv tragen. Ohne Kulturschaffende und KünstlerInnen nutzen Kultureinrichtungen und Produktionsfirmen nichts.
Wie unbürokratische Soforthilfe auch für Solo-Selbständige geht, beweist etwa der Freistaat Bayern mit seinem Nothilfe-Programm für KMU. Zu bedenken ist aber, daß es eben auch die tageweise und projektweise angestellten Kulturschaffenden sind, die nun massenhaft ökonomisch in den Abgrund stürzen.
Wir bitten die Politik um Aufmerksamkeit und adäquates Gegensteuern. Die Kulturschaffenden in Deutschland wollen sich auch in – und nach! – dieser Krise für unsere Gesellschaft konstruktiv engagieren.
Schaffen Sie hierfür bitte nun die Möglichkeit, indem Sie die freien Kulturschaffenden bei den ökonomischen Hilfen nicht vergessen!
Wir danken den Regierungen für gutes Engagement – und wünschen Ihnen und uns allen ein Durchkommen in dieser schweren Zeit.“
VRFF – Die Mediengewerkschaft
BG Freie Produktionswirtschaft
Und die Berufsverbände ADU, BFS, BVK, BVFK, IDS, VSK