Ein Festakt im wahrsten Sinne war die Matinee im Hubertussaal auf Schloss Nymphenburg. Sowohl hohe Würdenträger der katholischen und orthodoxen Kirche als auch viele Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kunst Gesellschaft haben mit Papa emeritus seinen 95. Geburtstag nachgefeiert. Dank einer Live-Übertragung durch EWTN konnte Joseph Ratzinger im vatikanischen Kloster Mater Ecclesia die Veranstaltung mitverfolgen. Von Stefan Groß Lobkowicz.
Bei sommerlichen Temperaturen wurde in München der 95. Geburtstag von Joseph Ratzinger, der am 16. April 1927 in Markl am Inn geboren wurde, nachgeholt. Corona-bedingt war die Feier des Würdenträgers und kirchlichen Hirten verschoben worden.
300 geladene Gäste, darunter der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, der persönliche Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., Erzbischof Dr. Georg Gänswein, aber auch Politiker wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber, der langjährige Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer und Peter Gauweiler sowie Prinz Ludwig von Bayern und Michael Triegel zählten zur Gästeschar. Der Hubertussaal war fast bis auf den letzten Platz gefüllt.
Auch aus Regensburg, wo Ratzinger seine letzte Professorenstelle innehatte, waren viele Gäste gekommen, darunter Generalvikar Dr. Roland Batz, Weihbischof Dr. Josef Graf und Domprobst Prälat Dr. Franz Frühmorgen. Viele Mitarbeiter des „Institutes Papst Benedikt XVI.“, dessen Direktor der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer ist, waren gekommen, um Papst Benedikt XVI. ihre Ehre zu erweisen. Das Regensburger Institut fungierte beim festlichen Akt als Mitveranstalter und Kooperationspartner. Musikalisch umrahmt wurde der Festakt durch das Vokalensemble „Passero“, einem Zusammenschluss einer Männergruppe der ehemaligen Domspatzen. Mit dem Studentenlied „Als wir jüngst in Regensburg waren“ hatten die Künstler Papst emerito eine ganz besondere Freude bereitet. Denn Musik war und ist für einen der größten Theologen des 21. Jahrhunderts im wahrsten Sinne göttlich.
In seinem Grußwort schrieb der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder: „Papst Benedikt hat die Menschen weltweit bewegt. Sein tiefer Glaube, sein brillanter Geist und seine aufrichtige Bescheidenheit eröffneten ihm den Zugang zu den Herzen der Gläubigen“. Der Theologe Achim Buckenmaier, neuer Vorsitzender der „Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI.-Stiftung“ betonte „dass die Kirche in unserem Land nicht nur einen Papst, sondern auch einen der wichtigsten Theologen und Denker des 20. und 21. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Benedikt XVI. braucht diese Erinnerung nicht, aber wir glauben, unsere Kirche braucht sie“.
Dr. Christian Schaller, stellvertretender Direktor des Instituts Papst Benedikt XVI., würdigte Benedikt XVI. als eine Persönlichkeit, die unmittelbar anspricht. „Und sie spricht von Gott, von Jesus und von den Menschen.“ Wie Schaller in seiner Begrüßungsrede hervorhob, war jeder, der ihn predigen hörte und Liturgie mit ihm feierte vom „ersten Augenblick angezogen und neugierig darauf, was es da noch alles zu entdecken gibt“. Seine Theologie habe aber nicht nur das akademische Feld bedient, „um der Wissenschaft neue Erkenntnisse zu präsentieren, sondern aufgezeigt, dass Theologie etwas mit meiner Lebens- und Glaubensentscheidung zu tun hat.“ Erzbischof Nikola Eterović unterstich, dass Ratzinger den Menschen zu den „Quellen des Heils führen wollte“ und das Ratzinger „immer ein Mitarbeiter der Wahrheit gewesen“ sei.
Sichtlich bewegt zeigte sich Kurienerzbischof Georg Gänswein in seinem Grußwort. Wie der langjährige Privatsekretär betonte, hätte er nie „geglaubt, dass die letzte Wegstrecke vom Monasterium Mater Ecclesiae bis zur Himmelstür des heiligen Petrus so lange“ für Joseph Ratzinger ist. Aber Gänswein unterstrich auch, dass Papst Benedikt das oberste Hirtenamt nicht nur als „Last“, sondern auch als „Seelenfreude“ wahrgenommen habe. „Und diese Seelenfreude hat er sich bewahrt – über alle Nöte und Enttäuschungen hinweg. Sie ist wie ein Licht, das ihn innerlich begleitet.“ Trotz körperlicher Gebrechen sei Benedikt bei „wachem, hellwachem Geist und Blick“. Zwar hätten die letzten Jahre mächtig an seinen Kräften gezehrt, aber über alle diese Mühen hinweg habe „er sich die demütige Heiterkeit seines Herzens bewahrt“. „Auch sein ungebrochener Humor blitzt immer wieder auf, der von seiner persönlichen Milde eingerahmt ist, die immer schon Markenzeichen seiner Persönlichkeit gewesen ist. Er hat sich gefreut wie ein Kind, als er über den heutigen Festakt informiert wurde. Und er hat mich gebeten, Ihnen allen herzliche Segensgrüße zu senden.“
Die deutsche Dogmatikerin Marianne Schlosser, Ratzinger-Preisträgerin des Jahres 2018 und Universitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, hatte sich das Thema „Joseph Ratzinger als Hirte und Lehrer“ zum Thema ihres Festvortrages genommen. Schlosser hob hervor, dass Ratzinger vor allem ein Hirte sein wollte, dem es darum ging, dass die Arbeit für die Menschen zugleich eine Mitarbeit für Gott selbst ist. Der Hirte ist einer, der eine persönliche Beziehung zu Gott hin zu stiften vermag und diese frohe Botschaft mit anderen in Freude teile. Der Glaube, so Schlosser, lädt zur Begegnung ein. Und sie mahnte: Wenn das göttliche Licht erlischt, verliert der Mensch seine Würde. Und dies habe letztendlich nicht nur Auswirkungen auf die Kirche, sondern auch für alle Menschen. Erlösung könne nur daher nur im gemeinsamen Dialog durch das Hören auf die Wahrheit gelingen. Wie Schlosser Ratzinger zitierte, bestehe die aktuelle Glaubenskrise in einem latenten Deismus. Nur wenn es gelingt, Christus wieder in die Herzen zu holen, lässt sich eine neue Gemeinschaft mit Gott stiften. Aber dies bedeutet auch, dass die Kirche wieder von ihrer Herkunft leben und diese beseelen muss. Es gilt daher die Zeichen Gottes in der heutigen Zeit zu erkennen. Denn nur so kann die Theologie erneut zur wahren Verkünderin des Glaubens werden. „Die Verkündigung ist das Wahrste der Theologie, es gibt einen Vorrang des einfachen Glaubens. In diesem Sinne hat das Lehramt einen demokratischen Charakter, weil es keine Randgunterschied zwischen Gelehrten und einfachen Menschen gibt.“
Der Festakt 2022 wurde von Martina Heim, seit 2021 neuer Vorstand der Stiftung, maßgeblich mitgetragen. Auf charmante Weise führte Gudrun Sailer von Vatican News, durch eine Veranstaltung, die mit Wort und Musik allen Teilnehmern in wohlklingender Erinnerung bleiben wird.
Edmund Stoiber: Ratzinger hat einen großen Einfluss auf das Denken des 21. Jahrhunderts
In einem Interview am Ende der Veranstaltung erklärte der ehemalige Ministerpräsident Bayerns, Dr. Edmund Stoiber: „Ich habe in meinen Leben keinen Menschen mehr getroffen habe, und ich habe viele hochstehende Persönlichkeiten, der die Komplexität des Glaubens und die einfache Botschaft miteinander vermitteln konnte, wenn er über Glauben und Vernunft auf höchstem intellektuellem Niveau gesprochen hat.“
Hintergrund
Die Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung wurde 2007 auf Initiative ehemaliger Schüler des früheren Professors für Dogmatik und Fundamentaltheologie gegründet. Zu ihren Zielen gehört es, sein theologisches Werk für die Öffentlichkeit zu erschließen, seine Theologie durch wissenschaftliche Arbeiten zu fördern und sein Denken mit den Fragen der Gegenwart in das Gespräch zu bringen. Am 12. November 2008 fand in der Katholischen Akademie in Bayern die Präsentation der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung statt. In einem Brief vom 30. November 2007 schrieb der damalige Papst. „Ich habe zur Kenntnis genommen, dass meine Schüler-Professoren Stephan Horn, Peter Kuhn, Theo Schäfer, Ludwig Weimer und OStR Wolfram Schmidt die Einrichtung einer Stiftung bürgerlichen Rechts mit dem Namen Josef Ratzinger Papst Benedikt-Stiftung beabsichtigen. Ich erkläre mein Einverständnis damit, daß die Stiftung sowohl meinen bürgerlichen als auch meinen päpstlichen Namen führt.“