Felix Klopotek „Auf der Suche nach der verschmähten Hoffnung“, in: NEUES DEUTSCHLAND vom 30./31. Juli 2022

offener brief brief umschlag, Quelle: schoelper, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Wir drucken hier einen Leserbrief ab: betrifft: Felix Klopotek „Auf der Suche nach der verschmähten Hoffnung“, in: NEUES DEUTSCHLAND vom 30./31. Juli 2022

Sehr geehrter Herr Meueler,

ich habe mit großer Spannung am 30. Juli Felix Klopoteks zweiseitigen Artikel über den Anna-Seghers-Roman „Das siebte Kreuz“ gelesen.

Der Artikel ist lesenswert und fordert zur Diskussion heraus. Bemerkenswert ist, dass in der weiterführenden Literatur mehrere „Renegaten“ wie Arthur Koestler, Gustav Regler und Marcel Reich-Ranicki genannt sind, was für eine gewisse Aufgeschlossenheit des Verfassers Felix Klopotek spricht.

Gestört haben mich allerdings die beiden Vorspanntexte, die offensichtlich von der Redaktion, also von Ihnen, stammen. So lese ich auf Seite 17 der ND-Ausgabe vom 30. Juli: „Im mexikanischen Exil…verfasste Anna Seghers das Buch `Das siebte Kreuz`“.

Allein dieser eine Satz zeugt davon, dass der Verfasser des Vorspanntextes weder den Lebenslauf von Anna Seghers noch das Schicksal des Romanmanuskripts kennt. Der Roman, 1938 begonnen, war bereits beendet, bevor 1940 deutsche Truppen in Paris einmarschierten. Während der Flucht 1940 nach Südfrankreich und während des Aufenthalts in Marseille, bevor sie mit dem Schiff über die Vereinigten Staaten nach Mexiko fuhr, schrieb sie bereits an ihrer Erzählung „Transit“ (1943).

Das Manuskript ihres Romans „Das siebte Kreuz“ hatte sie noch in Paris an mehrere Freunde in anderen Exilländern verschickt, nur eins davon erreichte ihren Schriftstellerfreund Franz Carl Weiskopf (1900-1955), der 1939 von Paris nach New York emigriert war, im Januar 1940.

Im zweiten Vorspanntext, direkt unter der Titelzeile, kann man lesen: „Die Erzählung beschreibt den Faschisierungsprozess der deutschen Landbevölkerung.“ Das ist haarsträubender Unsinn! Da ist der Verfasser bei der Durchsicht der Sekundärliteratur sicher auf die falsche Seite geraten, denn dieser Satz bezieht sich eindeutig auf den frühen Roman „Der Kopflohn“ (1933).

Da Sie, wie ich gelesen habe, 1968 geboren sind und in Darmstadt studiert haben, verfügen Sie offensichtlich über keinerlei DDR-Erfahrung, woran auch Ihre Tätigkeit als Kulturredakteur der JUNGEN WELT nichts ändern konnte. Vom literarischen Werk, das Anna Seghers hinterlassen hat, wissen Sie wenig bis nichts, sonst könnten Sie solche Fehler, wie oben erwähnt, nicht machen.

Ich wurde 1977 in Mainz mit einer Arbeit über die frühe Prosa von Anna Seghers promoviert.

Mit freundlichen Grüßen,

Jörg Bernhard Bilke

Finanzen

Über Jörg Bernhard Bilke 258 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.