Ein mangelnder Zugang zu Verhütung bedroht die Frauengesundheit und das Menschenrecht auf Familienplanung. Dies stellt der pro familia Bundesverband zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und dem Paritätischen Gesamtverband anlässlich des Internationalen Tages der Frauengesundheit fest. In Deutschland ist noch immer keine bundesweite Lösung in Sicht, die zumindest Frauen mit wenig Einkommen einen kostenfreien und damit niedrigschwelligen Zugang zu Verhütung sichert. Stattdessen hängt es von der Postleitzahl ab, ob eine Frau eine Kostenübernahme für Spirale oder Pille über einen kommunalen Verhütungsmitteltopf erhält. Politiker*innen haben gegenüber den Verbänden Verständnis für das Problem signalisiert. Nun müssen den Worten endlich Taten folgen.
Die Verbände erinnern anlässlich des Internationalen Tages der Frauengesundheit daran, dass für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit, sie umfasst auch das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden. Gemäß diesem Gesundheitsverständnis zählt die WHO Verhütung zu den „unentbehrlichen Arzneimitteln“, die für alle Menschen unentgeltlich zugänglich sein sollten.
„Der Zugang zu Verhütung und der Familienplanung steht für pro familia im Rang eines Menschenrechts“, sagt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „pro familia setzt sich für eine gesetzlich geregelte bundesweite Kostenübernahme ein, um allen Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität – einen selbstbestimmten Zugang zu Verhütung und Familienplanung zu ermöglichen.“
„Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und damit die eigene Gesundheit und das eigene Leben gehören aus der Perspektive der Arbeiterwohlfahrt zu den Grundvoraussetzungen für Frauen, ihr Leben frei und eigenverantwortlich gestalten zu können“ erklärt Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt. „Verhütung darf keine Frage des Einkommens sein.“
„Die Corona-Krise trifft Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, besonders hart. Die Preise für Nahrungsmittel steigen rapide. Wie sollen die, die sowieso wenig haben, auch noch für Verhütungsmittel aufkommen? Vielen war das aufgrund der niedrigen Regelsätze schon ohne Pandemie nicht möglich. In der Corona-Krise spitzt sich diese Problematik nun deutlich zu“, betont Professor Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands.
Verhütungsmittel spielen eine elementare Rolle bei der Vermeidung ungewollter Schwangerschaften. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich alle leisten können. Eine Spirale, die bis zu 400,- Euro kostet, können Frauen mit wenig Geld häufig nicht bezahlen. Auch Mehrmonatspackungen der Pille bleiben für viele unerschwinglich. Das betrifft zum Beispiel Frauen, die auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen sind, und auch Studentinnen, die BAföG beziehen. Aus finanziellen Gründen müssen sie auf die für sie individuell passende Verhütungsmethode verzichten und auf ein günstigeres, häufig unsicheres oder gesundheitlich weniger verträgliches Verhütungsmittel ausweichen.
Es gibt in Deutschland einen hohen Bedarf an kostenlosen Verhütungsmitteln. Die Auswertung des pro familia Modellprojekts biko, das im letzten Jahr ersatzlos auslief, hat deutlich gezeigt, dass Frauen, die über wenig Geld verfügen, für eine sichere Verhütung eine Kostenübernahme benötigen. Ohne eine Kostenübernahme verhüten viele nicht oder weniger sicher, belegte das Projekt. Denn ist das Geld knapp, werden akut nötige Anschaffungen getätigt und die Verhütung aufgeschoben. Es braucht endlich eine bundeseinheitliche Regelung, damit Verhütung für alle zugänglich ist.