Der Senat der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald votiert deutlich gegen eine Namensänderung
Ernst Moritz Arndt darf auch weiterhin auf „seine“ Universität blicken. Der berühmte Gelehrte (1769 bis 1860), Freiheitskämpfer, Schriftsteller und spätere Paulskirchen-Abgeordnete wurde nicht von seinem Sockel auf dem Rubenowdenkmal gestoßen, von dem aus er auf das Hauptgebäude der nach ihm benannten Universität in Greifswald blickt. Eine „Uni ohne Arndt“, so der Name einer aus Hochschullehrern und Studenten geformten Initiative, wird es an einer der ältesten deutschen Hochschulen nicht geben. So hat es das oberste Gremium der Universität, der Senat, entschieden. 22 Mitglieder des 36-köpfigen Gremiums votierten für die Namensbeibehaltung, 14 Senatoren waren dagegen. Somit wurde die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Ablegung des Namens Ernst Moritz Arndt nicht erreicht. Studentische Senatoren und ein Senator der Gruppe der Professoren hatten einen Antrag zur Änderung der Grundordnung der Universität eingebracht. Der Name sollte von Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald in Universität Greifswald geändert werden. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Grundordnung wurde damit verfehlt. „Die Universität hat sich lange mit dem Namensgeber der Hochschule auseinander zu setzen gehabt. Auch in der Öffentlichkeit ist darüber intensiv diskutiert worden, leider nicht immer nur sachlich. Ich empfinde es als gutes Zeichen und guten Stil, dass der Senat diese Frage sehr ernsthaft diskutiert hat und zu einer eindeutigen demokratischen Entscheidung gekommen ist“, erklärte Rektor Professor Dr. Rainer Westermann.
Dieses deutliche Votum war so nicht unbedingt zu erwarten gewesen. In den örtlichen Medien wurden seit Monaten die Pro- und Contra-Positionen ausgetauscht und hatten den Eindruck erweckt, dass es zu einer denkbar knappen Entscheidung kommen würde (Tagespost berichtete). Vermeintlich gut informierte Schreiberlinge verkündeten am Tage der Senatssitzung in ihrem Blatt, so beispielsweise der Kölner Stadt-Anzeiger, den Ausgang der Senatorensitzung und nutzten dies dann auch noch vorschnell, um ihre Sympathien für die Namensablegung zu begründen und die so dann doch nicht präjudizierte Entscheidung als Beginn einer Diskussion im „nationalen Maßstab“ zu markieren. Als ob es die nicht gegeben hätte!
Schließlich hat der Namensstreit in der alt-ehrwürdigen vorpommerschen Hansestadt in den zurückliegenden Monaten nicht nur am Strand der nahe gelegenen Ostesee hohe Wellen geschlagen. In zahlreichen Feuilletons wurden prominent und zum Teil hoch wissenschaftlich über die das Wirken und die Bedeutung des von der Insel Rügen stammenden Gelehrten gestritten. Durch öffentliche und wissenschaftliche Veranstaltungen und Symposien hatte die Universität selbst die Debatte transparent und sachlich befördert und somit zu einer differenzierten Auseinandersetzung beigetragen. Bereits im Juli 2009 war vom Senat eine Kommission eingerichtet worden, die bis Februar die stichhaltigsten Argumente für beide Seiten zusammengetragen hatte. Die Kommission hatte ihren Ausgang im Sommer vergangenen Jahres genommen, nachdem in einer vom örtlichen AStA einberufenen Vollversammlung der Studentenschaft mit großer Mehrheit für die Namensablegung plädiert worden war.
Über die Arbeit der Namenskommission teilt die Universität mit, dass als ein „Argument für die Beibehaltung des Namens unter anderem aufgeführt wurde, dass Arndt ein vorbildlicher und publizistisch wirksamer Streiter für soziale Gerechtigkeit, für mehr Demokratie und Verfassungsrechte, für Meinungs- und Pressefreiheit war. Sein Name habe traditionsbildend gewirkt, und er sei auch zu DDR-Zeiten Identifikationsfigur für die deutsche Einheit gewesen.“ Demgegenüber steht die Auffassung, dass wissenschaftliche Argumente allein keine Entscheidungsgrundlage sein könnten. „Aufgrund ihres herausgehobenen Status in der Gesellschaft sowie ihrer internationalen Beziehungen sollte eine Universität in besonderem Maße die Implikationen einer Namensgebung bedenken“. Es wird darauf verwiesen, dass Arndt in unerträglicher Weise „Fremdenhass“ und „Judenfeindlichkeit“ und einen aggressiven Nationalismus gepredigt habe. Er sei ein Propagandist gewesen, der selbst propagandistisch instrumentalisiert wurde.
Die Befürworter der Namensablegung werden wohl auch weiterhin Ernst Moritz Arndt in erster Linie als einen Nationalisten, Fremdenfeind und Antisemiten darstellen. Ein Argument für sie war auch der Hinweis darauf, dass die Universitäts-Namensgebung im Jahr 1933 vom damaligen preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring verfügt worden ist. Die Verantwortlichen der zweiten deutschen Diktatur interessierte das übrigens nicht: DDR-Kulturvertreter gaben der 1456 gegründeten Alma Mater im Jahr 1954 das nach dem Krieg abgelegte Patronat von Arndt wieder zurück.
Die Gegner der Namensablegung verwiesen auf Arndts Verdienste wie sie auch die Namenskommission identifiziert hatte. Seine – unbestritten – fremdenfeindlichen und auch antisemitischen Äußerungen stellen sie in den historischen Kontext der unterschiedlichen Strömungen des damals vorherrschenden Zeitgeists im Zuge der deutschen Freiheitsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts. In der Tat mutet es geradezu verwegen und wenig valide an, von hier aus mit damaligen Protagonisten wie Arndt eine Linie zum Antisemitismus nationalsozialistischer Provenienz mit all seinen Exzessen zu ziehen. Ob die Debatte um Arndt im Besonderen und andere unbequeme historische Figuren im Allgemeinen damit zu Ende ist, darf bezweifelt werden. Schließlich hatte es schon vor etwa zehn Jahren das Unterfangen gegeben, die Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald in die Universität Greifswald umzubenennen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es in einigen Jahren einen erneuten Anlauf zur Geschichtsklärung geben könnte.
Oder ist es eher Geschichtsklitterung? Nicht selten zeigt eine Umbenennungsaktionen oder aber die bewusste Ausblendung aus der Erinnerungskultur die Unfähigkeit im Umgang mit der Vergangenheit und den untauglichen Versuch, durch solches Vorgehen ungerade Wege, unbefriedigende Verläufe sowie unbequeme Protagonisten zu begradigen oder zu korrigieren.
Arndt selbst, der auch langjähriger Rektor der Bonner Universität war und dessen Todestag sich Ende Januar zum 150. Mal jährte, dürfte die Debatte um ihn mit Gelassenheit verfolgt haben. „Seht die Sonne geht zur Ruh/kommt doch morgen wieder“, lautet die Schlusszeile auf der Tafel an Arndts Grab auf dem Alten Friedhof in Bonn. Unruhe droht ihm da nur durch das mächtige Wurzelwerk der Eiche zwischen ihm und der Ruhestätte seiner Frau. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
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