Presseinformation – Das Luisengymnasium in München gedenkt zum 200. Jahrestag seiner Gründung zwanzig ehemaliger Schülerinnen mit Erinnerungszeichen. Die jüdischen Frauen und Mädchen hatten die Schule zwischen etwa 1908 bis 1938 besucht und wurden in der Shoa ermordet. Zu ihren Ehren findet am 23. November um 11 Uhr im Luisengymnasium eine Gedenkveranstaltung statt, bei der die zwanzig Erinnerungszeichen gesetzt werden. Teilnehmen werden unter anderem Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, Frau Dr. h.c. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und Florian Kraus, der Stadtschulrat und Sportreferent der Landeshauptstadt München. Michael Felsen, der Neffe der einstigen Schülerin Johanna Felsen (1913–1942), reist mit seiner Familie aus den USA an und erinnert mit einer Ansprache an seine Tante.
Das heutige Luisengymnasium wurde 1822 als „Schule für höhere Töchter“ gegründet. Bürgerliche jüdische Familien schätzten die Schule wegen ihrer religiösen Toleranz und ihres erstklassigen Rufes. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten mussten die jüdischen Schülerinnen und Schüler vielfältige Demütigungen erleiden. Nach der „Kristallnacht“ am 9./10. November 1938 mussten die letzten fünf Mädchen die Schule verlassen.
Aus den zwanzig Schülerinnen, derer mit Erinnerungszeichen gedacht wird, waren Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen, Ehefrauen und Mütter geworden, sie ergriffen die unterschiedlichsten Berufe und verfolgten verschiedene Lebensentwürfe. Den Jüngsten unter ihnen blieben die Chancen eines selbstbestimmten Lebens während des NS-Regimes verwehrt. Die Nationalsozialisten deportierten diese Frauen und Mädchen – teilweise mit ihren Angehörigen oder ihren kleinen Kindern – und ermordeten sie in den Vernichtungslagern Auschwitz und Sobibor, in den Lagern im Distrikt Lublin, in Kaunas und im Ghetto Warschau. Drei junge Frauen wurden Opfer der „Euthanasie“-Tötungsaktionen. Die Älteste der Frauen war bei ihrem Tod 43 Jahre, die Jüngste erst 18 Jahre alt.
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden: „Ich freue mich, dass das Luisengymnasium dieses dunkelste Kapitel seiner 200-jährigen Geschichte ausleuchtet und den ermordeten Schülerinnen einen Platz in der Schulgemeinschaft zurückgibt. Das ist jetzt besonders wichtig, da sich Judenhass wieder ausbreitet. Durch eine Kultur der Erinnerung erwächst eine Kultur der Verantwortung, die wir als Gemeinschaft kollektiv übernehmen müssen. Ich danke dem Luisengymnasium, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.“
Schülerinnen und Schüler des Luisengymnasiums haben sich mit den Biographien der Frauen beschäftigt und präsentieren diese bei der Gedenkveranstaltung in einer szenischen Lesung. Unter den Frauen war die Künstlerin Maria Luiko (geboren als Marie Luise Kohn, 1904–1941), nach der gerade eine Straße in Neuhausen benannt wurde. Von vielen ermordeten Frauen wie den Schwestern Ruth Pories (1921–1942) und Margot Pories (1924–1942) oder Josephine Löwy (1912–1942) sind noch nicht einmal Fotos erhalten. Mit den Erinnerungszeichen soll ihrer künftig gedacht werden.
Programm am Mittwoch, 23. November 2022:
11.00 Uhr
Gedenkveranstaltung und Übergabe der Erinnerungszeichen
Aula des Städtischen Luisengymnasiums
(Luisenstraße 7)
Gesa Hollauf, Direktorin des Städtischen Luisengymnasiums
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden
Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern
Florian Kraus, Stadtschulrat und Sportreferent der Landeshauptstadt München
Michael Felsen, Neffe von Johanna Felsen
Schüler und Schülerinnen des Luisengymnasiums zeigen in einer szenischen Lesung Lebensgeschichten der jüdischen Frauen und Mädchen auf
Dr. Svenja Jarchow-Pongratz, Bezirksausschuss 3 – Maxvorstadt
Rabbiner Shmuel Aharon Brodman
Zu den Erinnerungszeichen:
Erinnerungszeichen werden seit 2018 an Orten angebracht, an denen Menschen lebten, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die Erinnerungszeichen bestehen aus gebürstetem Edelstahl und sind vergoldet. Es gibt sie in zwei Ausführungen – als Wand- tafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Sie enthalten die wichtigsten Lebensdaten, Angaben zum Schicksal und – falls vorhanden – ein Bild. Durch die gelochte Oberfläche können die Informationen auch ertastet werden.