Presseinformation – Am kommenden Donnerstag, den 22. September, wird Stadtrat Winfried Kaum in Vertretung des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München Erinnerungszeichen für Semaya und Julius Davidsohn an die Öffentlichkeit übergeben. Initiiert wurden diese von Dr. Andrea Bambi, der Leiterin der Provenienzforschung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Sie war im Jahr 2019 an der Rückgabe von neun Kunstwerken an die Erben von Semaya und Julius Davidsohn beteiligt und wurde so auf das Schicksal der jüdischen Eheleute aufmerksam. Ihre Kunstwerke waren 1938 von der Gestapo geraubt worden, wenige Jahre später wurden Semaya und Julius Davidsohn im Ghetto Theresienstadt ermordet.
Die Erinnerungszeichen werden am ehemaligen Wohnhaus des Ehepaares in der Widenmayerstraße 45 angebracht. Teilnehmen werden an der Übergabe neben Dr. Andrea Bambi auch Frau Dr. h.c. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und Dr. Frank Matthias Kammel, der Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, das ebenfalls an der Ermittlung der Provenienz der Kunstwerke beteiligt war. Als Vertreter der Angehörigen von Semaya und Julius Davidsohn kommt Hardy Langer.
Semaya Davidsohn, geboren 1879 in Frankfurt, und der Kaufmann Julius Davidsohn, geboren 1874 in Hannover, heirateten 1901 in Mannheim. Julius Davidsohn besuchte die Höhere Bürgerschule und kämpfte von 1916 bis 1918 im Ersten Weltkrieg. 1917 zogen die Eheleute nach München, seit 1920 wohnten sie in der Widenmayerstraße 45. 1932 nahmen sie Semaya Davidsohns gehörlosen Bruder Ludwig Hirsch bei sich auf. Von 1928 bis 1930 war Julius Davidsohn Teilhaber des Reklameunternehmens Rewag – E. Batz & Co. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten bestimmten Ausgrenzung und Enteignung das Leben des jüdischen Ehepaares. Im Zuge der „Kristallnacht“ vom 9./10. November 1938 verschleppte die Gestapo Julius Davidsohn in das Konzentrationslager Dachau, am 20. November 1938 kam er wieder frei. Wenige Tage später stand die Gestapo erneut vor der Tür und raubte den Eheleuten etliche Kunstwerke.
1939 mussten Semaya und Julius Davidsohn ihre Wohnung verlassen und fortan beengt an verschiedenen Adressen leben. Im Dezember 1941 pferchte die Gestapo sie in der „Judensiedlung Milbertshofen“ ein, am 16. Juli 1942 wurden die Eheleute in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starben sie aufgrund der unmenschlichen Bedingungen – Julius Davidsohn am 11. August 1942, Semaya Davidsohn am 24. April 1943. Ihr Bruder Ludwig Hirsch war dort am 8. Dezember 1942 umgekommen.
2019 restituierten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, das Bayerische Nationalmuseum und die Staatliche Graphische Sammlung München neun Kunstwerke aus dem Besitz des Ehepaars Davidsohn an die Erben: fünf Gemälde, drei Farbstiche und eine Holztafel mit Elfenbeinreliefs. Vorangegangen waren jahrelange Recherchen, in deren Zuge die Provenienz der Werke, der Kontext der Beschlagnahmung sowie der Verbleib nach 1945 rekonstruiert wurden. Zudem konnten die Erben in London, Simbabwe, Tel Aviv, Mannheim und Bielefeld ausfindig gemacht werden. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
Programm am Donnerstag, 22. September 2022:
16:00 Uhr
Übergabe der Erinnerungszeichen am ehemaligen Wohnort
in der Widenmayerstraße 45
Stadtrat Winfried Kaum in Vertretung des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München
Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern
Dr. Frank Matthias Kammel, Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums
Dr. Andrea Bambi, Leiterin Provenienzforschung und Kulturgüterausfuhr der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und Initiatorin der Erinnerungszeichen
Hardy Langer für die Angehörigen vopressn Semaya und Julius Davidsohn
Andrea Stadler-Bachmaier, Bezirksausschuss Altstadt-Lehel
Rabbiner Shmuel Aharon Brodman
Zu den Erinnerungszeichen:
Erinnerungszeichen werden seit 2018 an Orten angebracht, an denen Menschen lebten, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die Erinnerungszeichen bestehen aus gebürstetem Edelstahl und sind vergoldet. Es gibt sie in zwei Ausführungen – als Wandtafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Sie enthalten die wichtigsten Lebensdaten, Angaben zum Schicksal und – falls vorhanden – ein Bild. Durch die gelochte Oberfläche können die Informationen auch ertastet werden.
Weitere Informationen unter www.erinnerungszeichen.de und
www.map.erinnerungszeichen.de