Beim diesjährigen bundesweiten Holocaust-Gedenktag am 27. Januar liegt der Schwerpunkt erstmals auf dem Gedenken an Menschen, die wegen ihrer Sexualität verfolgt wurden. In München wird an diesem Tag im Glockenbachviertel ein Erinnerungszeichen für August Gänswein gesetzt. Der Münchner Unternehmer wurde 1936 wegen angeblicher Homosexualität in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen. 1942 wurde Gänswein, der bei einem Straßenbahnunfall ein Bein verloren hatte, Opfer der Aktion „14f13“, bei der arbeitsunfähige Häftlinge ermordet wurden. Bei der Gedenkveranstaltung im PlanTreff München (15.30 Uhr, Blumenstraße 31) sprechen unter anderem Bürgermeisterin Katrin Habenschaden sowie Expert*innen der KZ-Gedenkstätte Dachau und der städtischen Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*. Um 16.30 Uhr wird an August Gänsweins ehemaligem Wohnhaus in der Müllerstraße 34 das Erinnerungszeichen angebracht.
August Gänswein wurde 1891 in Riedern am Wald geboren. Seit 1912/13 war er in Konstanz als Unternehmer tätig. 1925 zog er nach München, wahrscheinlich 1928 gründete er ein Geschäft für zerlegbare Garagen und Baumaterial. Sein letzter Wohnsitz war in der Müllerstraße 34. Zwischen 1932 und 1934 wurde Gänswein wegen „widernatürlicher Handlungen“ angezeigt, die Polizei konnte ihm aber keine „Straftat wegen Homosexualität“ nachweisen. 1936 ermittelte die Polizei erneut. Obwohl sie abermals keine Verstöße gegen den § 175 StGB belegen konnte, wies sie ihn in das KZ Dachau ein. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs transportierte die SS August Gänswein zwischenzeitlich für elf Monate in das KZ Mauthausen.
Nachdem die SS und die „Kanzlei des Führers“ im Frühjahr 1941 die Aktion „14f13“ zur Ermordung arbeitsunfähiger Häftlinge in den Konzentrationslagern beschlossen hatten, traf auch in Dachau im Herbst eine „Medizinerkommission“ der SS ein, die die inhaftierten Männer selektierte. Am 22. Januar 1942 deportierte die SS August Gänswein in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz, wo sie ihn nach der Ankunft mit Giftgas ermordete.
Programm am Freitag, 27. Januar 2023:
15.30 Uhr
Gedenkveranstaltung im PlanTreff München (Blumenstraße 31)
Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk, Referentin für Stadtplanung und Bauordnung
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden
Dr. Klaus-Michael Dengler, Geschäftsführer (Sprecher) der GEWOFAG
Dr. Sabine Schalm, Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Andreas Unterforsthuber, Leiter der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*
Albert Knoll, KZ-Gedenkstätte Dachau
Lothar Hackling, Initiator des Erinnerungszeichens
Stefan Dickas, Erinnerungswerkstatt München e.V., verliest die Lebensgeschichte von August Gänswein
Benôit Blaser, Bezirksausschuss 02 – Ludwigvorstadt-Isarvorstadt
16.30 Uhr
Übergabe des Erinnerungszeichens am ehemaligen Wohnort in der Müllerstraße 34
Zu den Erinnerungszeichen:
Erinnerungszeichen werden seit 2018 an Orten angebracht, an denen Menschen lebten, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die Erinnerungszeichen bestehen aus gebürstetem Edelstahl und sind vergoldet. Es gibt sie in zwei Ausführungen – als Wandtafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Sie enthalten die wichtigsten Lebensdaten, Angaben zum Schicksal und – falls vorhanden – ein Bild. Durch die gelochte Oberfläche können die Informationen auch ertastet werden.
Weitere Informationen: www.erinnerungszeichen.de und www.map.erinnerungszeichen.de