Kein Paar bleiben, aber Eltern. Das ist gar nicht so einfach. Dabei verlieren viele Paare bzw. Ex-Paare aus dem Blick, dass sich ihre Zweifel einzig auf ihre Beziehung zum Partner beziehen und nicht auf ihre Rolle als Vater oder Mutter. Es ist eine Herausforderung. Gerade dann, wenn es schwierig in der Beziehung ist, müssen Eltern also gemeinsam versuchen, die beste Entscheidung für ihre Kinder zu treffen. Das klingt unmöglich? Es ist auch schwer. Es kann gelingen, es kann schief gehen oder chaotisch werde…
Sechs Jahre ist es her, dass der Ich-Erzähler nach seiner Scheidung von Basel nach Hamburg zog oder – wie es ein Freund formulierte – die Flüsse wechselte. Die danach folgenden Besuchsregelungen für seine beiden Kinder Alex und Nora gestalten sich zunehmend schwieriger und komplizierter. Letztendlich schippert Nora mit einiger Verzögerung ebenfalls nordwärts, um ihrem Vater zu folgen. Dessen Beziehung zu Johanna und deren zwei Kindern akzeptiert sie. So weit so gut mit der Flickenfamilie.
Nun steht Nora vor dem Abitur und plant, ihre Eltern gemeinsam zur Abschlussfeier einzuladen. Aber auch Johanna will mit ihrem Ex-Mann und Sohn Tobias, der im gleichen Alter von Nora ist und an ebendieser Schule sein Zeugnis erhält, auflaufen. „Ich sah uns fünf an dem Tisch sitzen und die anderen drei, böse gesagt die Trümmer der zwei früheren Familien, im Orbit um uns herum kreisen.“ Doch vielleicht könnte dies auch ein Neuanfang der beiden Familienkonglomerate sein, die sich bis dato kaum kreuzten. Der gemeinsam anberaumte Tisch wird kurzerhand zur „Vereinigung von Vergangenem und Neuem, von Irgendwie und wahrer Verwandtschaft, von Bekannten und Fremden“ ausgerufen, selbst auf die Gefahr hin, dass diese Tischordnung für jeden Beteiligten etwas Unangenehmes haben dürfte. Und schließlich sollte diese „Zusammenführung zweier Welten“ nicht die einzige bleiben. Auch anderen befreundeten Patchwork-Pärchen-Eltern der beiden Abiturienten ergeht es ähnlich. Emotionaler Zündstoff scheint vorprogrammiert oder – wie es der Ich-Erzähler treffend feststellt: „Wie ganz anders würde die Welt doch aussehen würde, wenn die Menschen sich wie die Pilze asexuell, über das Ausblasen von Sporen, fortpflanzen würden.“
In einem wohlbalancierten Wechsel zwischen witzig und Ernsthaftigkeit der Lage, gelingt es Eric Nil, die Vorgeschichte und Vorbereitung der Feierlichkeit bis hin zum natürlich nicht reibungslos über die Bühne gehenden und mitunter zum Tohuwabohu ausartenden Abend mit allen seinen verketteten Unwägbarkeiten zu skizzieren. Der Leser wird dabei beinahe suggestiv in einen Sog gezogen, dem er sich nur schwer entziehen kann und der in ein Inferno Finale zu münden oder zumindest lang und schwierig zu werden scheint.
Nicht blümerant und ausufernd, sondern kurze knackige Sätze gestalten das Lesen flüssig. Vielfach verstecken sich gelungene Phrasen und Gedankengänge zwischen den Abschnitten. Daher lohnt es, sich zur Leselangsamkeit zu zwingen. Und: vor allem den letzten Satz – ohne zu viel zu verraten – noch eine Weile nachklingen zu lassen: „Jetzt sehnte ich mich manchmal danach, es möge alles so sein wie sehr lange vor der Abifeier, wie in alten Zeiten, als in den Stuben an langen Tischen viele Menschen saßen.“
Eric Nil
Abifeier
Verlag Galiani, Berlin (15. Februar 2018)
160 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3869711655
ISBN-13: 978- 3869711652
Preis: 17,00 EURO
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