Eigentlich war das Ende der Götter schon im vorausgegangenen „Siegfried“ zu erahnen, doch jetzt, auf einem rostigen Schiff, einer Mischung aus Schleppkahn und Hausboot mit dem Namen „MS Wodan“, sorgen die vorbelasteten Nachkommen zusammen mit süchtigen Gibichungen und Hagen, dem erblich belasteten Bösewicht und Sohn Alberichs, für das endgültige Aus. Hagen ist der Stratege der Zerstörung und bei den anderen paart sich Liebe mit Hass, Verblendung mit Leichtsinn und Rausch mit Schwäche.
Aber vorher, im Vorspiel mit den drei Nornen, geht es in dieser Inszenierung noch vergleichsweise gemütlich zu. Die Damen sitzen am Rheinufer mit Blick auf den Drachenfels bei Kaffee und Kuchen, werfen sich ein imaginäres Schicksalsseil zu und singen von Vergangenheit und Zukunft.
Wagners Endspiel um den verfluchten Ring kann beginnen, und ein erfahrener Opernprofi wie Hilsdorf weiß, wie man einen so langen Abend publikumswirksam gestalten kann. Zusammen mit einem Bühnenbildner wie Dieter Richter, seit der „Walküre“bekannt für seine Vorliebe für phantasievolle Fahr-und Flugobjekte, entstand in einem Einheitsbühnenbild ein ansehnlicher Schauplatz für die Machtkämpfe um den Ring. Der wenig manövrierbare rostige Pott der „MS Wodan“ kommt dank Videoeinspielungen in Fahrt: Burgenromantik und rauchende Essen des industriell geprägten Niederrheins, eine Rheinfahrt, die aus einer Postkartenlandschaft unter Düsseldorfer Brücken führt und im dritten Akt in Duisburg endet. Auf diesem Schiff haben die Protagonisten dank geschickt angelegter Aufbauten, Treppen und Zugänge genügend Bewegungsfreiheit und können ihren extremen Gefühlen freien Lauf lassen. Nur für die Jagdszene geht ein Vorhang mit der Duisburger Industriekulisse herunter, vor der bei Altbier(!) Siegfrieds Erinnerung zurückkehrt, bevor er hinterrücks erstochen wird. Man mag so manchen Regieeinfall Hilsdorfs belächeln oder hinterfragen, so, wenn Siegfrieds Leiche zu den gewaltigen Tönen des Trauermarsches nacheinander mit den Fahnen aus der deutschen Geschichte bedeckt wird. In einer Regie mit leichter Hand, die gegen die Schwere des Stückes arbeitet und auf seine schwierige Rezeptionsgeschichte anspielt, haben sie ihre Berechtigung. Beinahe karnevalesk geht es in der Chorszene des zweiten Aktes zu, grell buntes Lampenflimmern am Bühnenportal inklusive. Nein, Hilsdorf will die Welt des „Rings“ nicht wie Frank Castorf neu erfinden, er will sie uns nur neu und anschaulich erzählen. Zu Wagners musikalisch so versöhnlich klingendem großartigen Schluss darf Wotan mit seinem Fahrrad noch einmal auftreten, und wird als Schauspieler enttarnt, denn, um mit Brecht zu sprechen, wir sind schließlich im Theater.
Wie schon im „Siegfried“ und auch in den vorausgegangenen Teilen des „Rings“ konnte sich Dietrich Hilsdorf voll auf die stimmliche und darstellerische Kraft seiner Sängerinnen und Sänger verlassen, die vom Publikum mit anhaltendem Beifall honoriert wurde. Böser als Hans-Peter König kann man den Hagen nicht singen und mehr Spitzentöne in den Raum schleudern als Linda Watson, welche Brünnhilde kann das schon? Der schwedische Tenor Michael Weinius hat viel Kraft in der Stimme und eine erstaunliche Kondition. Bogdan Baciu spielt den schwächlichen Gunther mit um so stärkerem Bariton, und die Rheintöchter sind nicht nur schön anzusehen sondern singen auch so. Keine Schwächen im gesamten Ensemble, und Renate Schmitzers Kostüme glänzen mit fein abgestufter farbiger Vielfalt. Auch die Düsseldorfer Symphoniker unter Axel Kober ernten viel Beifall, hatten sie doch die Mammutaufgabe, dem komplizierten und vielfältigen musikalischen Geflecht der „Götterdämmerung“ gerecht zu werden.
Die Oper wird in Düsseldorf noch drei Mal am 18.11, 25.11. und 02.12. gespielt.
2019 kann man den gesamten „Ring“ in Folge erleben.
Foto: Rheinoper/Hans-Jörg Michel