Emil Lederer (1882 – 1939)

Den meisten Wirtschaftswissenschaftlern dürfte Name und Werk von Emil Lederer nicht mehr gegenwärtig sein. Dabei kann Lederer als herausragende Persönlichkeit des akademischen Lebens als Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretikers in der Weimarer Republik bezeichnet werden. Emil Lederer wurde 1882 in Pilsen geboren, studierte in Wien und lehrte vornehmlich dort und in Heidelberg. 1933 musste er emigrieren und war bis zu seinem Tode 1939 als Professor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der New School of Social Research in New York tätig. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zu Themen der Wirtschaftstheorie, der Wirtschaftspolitik, der Zeitgeschichte und der Gesellschaftstheorie veröffentlicht.
In einer Zeit, da wir es immer mehr mit einem zerfallenden Wachstumsoptimismus und permanenter Arbeitslosigkeit zu tun haben und die innere Verfassung der Industriegesellschaft bis zur Unkenntlichkeit verdüstern, dürften Lederers Werke wieder erheblich an Aktualität gewinnen. Noch ist nicht abzusehen, welche – möglicherweise explosiven Auswirkungen – die Einschnürung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung haben werden, zumal die jahrzehntelang sorglos verbreiteten und gutheißenden ökonomischen Ideen ins Wanken geraten sind, und die Wirtschaftswissenschaftler ständig dabei sind, sich „bis auf die Knochen“ zu blamieren.
Lederer verknüpfte Ökonomie und Soziologie, und war so der wichtigste Vertreter eines interdisziplinarischen Ansatzes in den Heidelberger Sozialwissenschaften. Seine wirtschaftswissenschaftlichen Analysen widerspiegelten einen reichhaltigen theoretischen Hintergrund, der sich vom holistisch-empirischen Ansatz der Historischen Schule bis zu den Theoriewerkzeugen der österreichischen Schule und darüber hinaus bis zu David Ricardo und Karl Marx spannte. So zitierte Lederer in seinem 1925 veröffentlichten Beitrag zu Konjunkturzyklen Schumpeter, Knut Wicksell und Gustav Cassel; in anderen Arbeiten Albert Aftalion sowie John A. Hobson, Thorstein veblen, Arthur Pigou, Wesley Mitchell, Irving Fisher und John M. Keynes.
Er untersuchte die Ineffizienz von Monopolen und sah in planwirtschaftlichen Instrumenten eine mögliche Alternative. Die Auswirkungen des technischen Fortschritts beurteilte Lederer skeptischer als die meisten anderen Ökonomen.
Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1931 erschien Lederes Hauptwerk „Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit.“ Er setzte sich für die Verstaatlichung einzelner, monopolisierter Wirtschaftszweige, für die Mitbestimmung und eine Vermögensabgabe ein. Seine Vorschläge zielten insbesondere auf die Beseitigung von Ineffizienzen durch Monopolpreise ab. Die Konservativen sahen zur damaligen Zeit allerdings in Lederer einen „wildgewordenen Professor“, da ihnen seine Vorschläge zu weit gingen. Als größte Gefahr für die Demokratie sah er die Massenarbeitslosigkeit an. Er analysierte den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und technischen Fortschritt im Kontext mit einem dynamischen und mehrsektoralen Konjunkturmodells. Seine Modellökonomie war von Marx und vom Austromarxismus ebenso beeinflusst wie von Überlegungen Schumpeters über Innovation und Kredit.
Lederer untersuchte intensiv die Beeinträchtigung des so genannten Arbeitsmarktes durch unterschiedliche Arten des technischen Fortschritts. Der Gedanke der Ledererschen Theorie ist nicht der technische Fortschritt welcher, zur Arbeitslosigkeit führt, sondern der schnelle arbeitssparende technische Fortschritt, wenn dieser durch ungleichgewichtige Kapitalumschichtungen eingeführt wird. Die Krisenursachen der Weimarer Republik äußerten sich demnach in Form starker Monopolisierung und Kapitalkonzentration. Als eine Möglichkeit der Veränderung sah Lederer die – allerdings seltene – Produktinnovation, den Fall also, in dem neue Produkte nicht alte verdrängen, sondern den Aufbau neuer Industriezweige ermöglichen, und zusätzliche Nachfrage schaffen.
In scharfer Form wandte sich Lederer gegen die von der damaligen Reichsregierung und der Industrie geforderten Lohnsenkungen. Allerdings die fast völlige Ausblendung des Geldes und der Wirkungen monetärer Faktoren auf die Güterwirtschaft wird von Kritikern für eine Schwäche seiner Theorien gehalten.
Wie bereits erwähnt, gelingt es den derzeitigen Wirtschaftswissenschaftler nicht, Lösungsansätze für bestehende Probleme zu finden. Diesen sei angeraten, sich einmal mit den Theorien von Emil Lederer zu befassen, da dieser sich einer interdisziplinären Vorgehensweise bediente. Eine fehlende interdisziplinäre Vorgehens- weise und das einseitige vertreten von leeren Lehrmeinungen dürfte eine der Ursachen für die Schwächen der Wirtschaftswissenschaften in der heutigen Zeit sein. Auf eine Interessenvertretung aus politischen und wirtschaftlichen Gründen wird nicht eingegangen.
Abschließend ist festzustellen, dass das Werk von Emil Lederer geradezu eine Fundgrube für die Wirtschaftswissenschaftler darstellen kann, welche sich um ehrliche ökonomische Lösungsansätze in der heutigen Zeit bemühen und für die Ökonomie kein Selbstzweck darstellt.
Am Schluss der Ausführungen wird Emil Lederer wie folgt zitiert:
„….. die primitive Vorstellung aber, man könne immer, wenn Arbeitslosigkeit herrscht,
durch Herabsetzung der Löhne das Gleichgewicht wieder herstellen, gehört in die Rumpelkiste der Theorie.“


Literatur: Hans Ulrich Esslinger, Neue Produkte gegen Arbeitslosigkeit.

Emil Lederer, Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit, Tübingen 1931.

Über Westphal Rainer 94 Artikel
Rainer Westphal, geboren 1944, ist seit 2 Jahren freiberuflich auf dem Sektor „Betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung“ mit dem Schwerpunkt Controlling tätig. Nach Abschluss der Mittleren Reife studierte er nebenberuflich Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Arbeitsrecht. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Geld- und Devisenhandel verfügt er über entsprechende interne Branchenkenntnisse.

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