Elham Manea. Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt, wo wir ihn zulassen

Baustelle, Foto: Stefan Groß

Eine jemenitisch-schweizerische Politologin, Privatdozentin an der Universität Zürich, die in ihren Fachgebieten Politischer Islam, Gender und Politik im arabischen Raum lehrt, die als Frauen- und Menschenrechtsaktivistin staatliche Organisationen und NGOs berät und ihre Jugend in Marokko, Iran und Jemen die jeweiligen Schulsysteme durchlaufen hat. Elham Manea verfügt über alle fachlichen Voraussetzungen, um die verschiedenen Schattierungen des gewaltlosen Islamismus im europäischen Raum zu bewerten und dessen Einwirkungen auf gesellschaftliche Strukturen wie auch auf die staatlichen Institutionen zu analysieren. Die Ideologie des gewaltlosen Islamismus ist nicht nur, so Manea in der Einleitung ihrer transparent gestalteten Abhandlung, „eine totalitäre politische Ideologie mit einem starken Herrschaftsanspruch; auch die religiöse Interpretation des Islams legitimiert diese Herrschaft und sanktioniert ihre Ausübung.“ (S. 16) Sie belegt ihre These an zahlreichen widersprüchlichen Aussagen, die anerkannten muslimischen Gelehrten über die Auswirkungen der Gräueltaten des IS in den Jahren 2013/14 gemacht haben. Ebenso aufklärend ist ihre Aussage über die Wirkungsweise des Islamismus in den westlichen Demokratien. Er breite sich in einem Netzwerk von Organisationen und Bewegungen aus, kontrolliere Moscheen, Schulen, Wohlfahrtsverbände, Stiftungen bis hin zu Finanzhäusern. Diese weltweite Ausbreitung unterliege natürlich einem Wettbewerb, in dem jedoch ein Prinzip der Einigkeit vorherrsche: „Der Islam wird angegriffen, und der Westen ist der Feind.“ Diese in sich geschlossene Haltung würden diese Organisationen auch gegenüber den westlichen Demokratien einnehmen, indem sie darauf bestehen, als homogene Gruppe zu sprechen, die ihre islamistischen Forderungen im Namen aller Muslime stellt. Eine von ideologischen Prämissen erfüllte Vortäuschung, der manche westliche Politiker insofern auf den Leim gehen, weil sie die Forderungen solcher Organisationen als Sprachrohr aller Muslime wahrnehmen würden. Eine solche Position stelle die größten Errungenschaften der westlichen Demokratien wie Trennung von Staat und Religion, Frauenrechte und Meinungsfreiheit infrage, umso mehr, als die Politik sich gemeinhin sträube, die Normen und Werte zu verteidigen. Manea warnt vor dem Eindringen des gewaltlosen Islamismus in die muslimischen Gemeinschaften, dem auch Linke und Liberale sich nicht entgegenstellen würden, weil sie sich durch die Bürde des weißen Mannes belastet fühlten.

Diese Bürde des weißen Mannes, „einem starken Gerechtigkeitsempfinden, gepaart mit starken Schuldgefühlen wegen der kolonialen und imperialen Vergangenheit des Westens und seiner aktuellen Politik“ (S. 21), lasse einen Beschützerdrang aufkommen, der sie zu einem ungewollten Verbündeten der Islamisten mache. Auch den Versuch vieler Politiker in den westlichen Demokratien, sich auf den gewaltbereiten Islamismus zu konzentrieren, bezeichnet sie als illusionär, weil Sicherheitsmaßnahmen allein zur Bekämpfung dieser Ideologie nicht ausreichten. Unter Berufung auf eine Reihe arabischer Politikwissenschaftler, der Erfahrungen, die Großbritannien mit dem salafistischen Fundamentalismus gemacht habe, und ihrer eigenen deprimierenden Sozialisationserfahrungen (Zerstörung lokaler Kultur, Propagierung eines krankhaften, sexualisierten Frauenbildes u.a.) in von der islamischen Kultur geprägten Ländern zeigt sie in fünf umfangreichen Kapiteln die Folgen dieser Radikalisierung auf: Die Problemfelder des Islams; der gewaltlose Islamismus mit den Schattierungen Neofundamentalismus, Wahhabitischer Salafismus und politischer Islamismus; die Einwirkung des gewaltlosen Islamismus auf die Gemeinschaft in verschiedenen europäischen Staaten; vier essentialistische Typen des Islamismus und die Bürde des weißen Mannes; der Kampf für Werte und Normen in Europa und Nordamerika.

Diese überzeugend vorgetragenen Ausführungen verdichtet sie in einem besonders lesenswerten Fazit, in dem vor allem ihre Forderungen an die politischen Instanzen zu einem notwendigen Gegenstand der öffentlichen Diskussion werden sollten. Integrationspolitik statt Segretation, Förderung einer Politik, die Migranten muslimischen Glaubens zu Bürgern und nicht nur zu Mitgliedern einer Religionsgemeinschaft macht, Auseinandersetzung mit den essentialistischen Reflexen der islamistischen Religion, Einleitung eines Paradigmenwechsel mit dem Ziel, den Islamismus jeglicher Couleur zu stoppen. Die Umsetzung dieser konkreten Vorschläge vollzieht sie mit dem Verweis auf zahlreiche Projekte in verschiedenen westeuropäischen Staaten, in denen nach dem Prinzip der gegenseitigen Achtung und der Neutralität das Zusammenleben unterschiedlicher Religionen und Alltagskulturen gehandelt werde. Eine nicht nur lesenswerte Studie mit vielen Verweisen auf wissenschaftliche und journalistische Arbeiten, sondern beredtes Beispiel für eine Toleranzkultur, die Elham Manea als Mitbegründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin praktiziert.

 

Elham Manea. Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt, wo wir ihn zulassen. Aus dem Englischen von Elsbeth Ranke und Claudia Van den Block. München (Kösel Verlag) 285 S., 20 Euro. ISBN 978-3-466- 37212-6.

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