Einführung in die Philosophie

Tina-Louise Eissas Einführung in die Philosophie »Frage und erkenne« steht in der philosophischen Tradition, die von einigen Vorsokratikern über Platon, Nietzsche, Sartre bis hin zu Jostein Gaarder reicht.
Es handelt sich jedoch nicht um eine distanzierte Betrachtung philosophischer Konzepte, bei der verschiedene Theorien und Positionen auf unparteiische Weise gegenübergestellt und erörtert werden, vielmehr macht die Autorin deutlich, welche Anschauungen ihr plausibel erscheinen und welche sie ablehnt. Das Themenspektrum ist dabei so gewählt, dass viele zentrale Problemstellungen behandelt werden, wobei die Schwerpunkte auf Fragen der Erkenntnis, der Metaphysik und der Ethik liegen. Die Thematik des Schönen wird eher indirekt angesprochen. Bei der sprachlichen Umsetzung der Gedanken und theoretischen Reflexionen hat sie es verstanden, diese in ein literarisches Gewand zu kleiden, das reich an Metaphern, Allegorien und historischen Anspielungen ist. Der Leser wird behutsam und ohne fachspezifische Voraussetzungen zu den verschiedenen Fragen der Philosophie hingeführt und zum Weiterdenken angeregt. Die von der Autorin empfohlenen Antworten entsprechen dem gegenwärtigen Zeitgeist der westlichen Welt.
Im Rahmen der Erkenntnistheorie stellen sich etwa folgende Fragen: Was kann ich wissen? Wie kann ich etwas wissen? Was bedeutet es, etwas zu wissen? Bei deren Erörterung wird die Sympathie für eine dem Skeptizismus, Perspektivismus und Relativismus nahe stehende Grundhaltung durchaus deutlich.
Die Metaphysik hingegen stellt sich folgenden Herausforderungen: Wie kann das Verhältnis des Leibes zur Seele beschrieben werden? Was ist das Wesen der Welt? Welche Charakteristika sind für Raum und Zeit bezeichnend? Auch in diesem Kontext entsprechen die von der Autorin gewählten Positionen derzeit weit verbreiteten Einschätzungen, die dem Naturalismus eine zentrale Bedeutung zukommen lassen.
Besonders viel Aufmerksamkeit wird ethischen Themen geschenkt, von denen zahlreiche Facetten erörtert werden: Wie sind die Normen der Gleichheit und Freiheit auf angemessene Weise zu verstehen? Welche Art von Gut stellen Freundschaft, Toleranz oder Mitleid dar? Kommt dem Menschen eine besondere Würde zu? Hier macht Tina-Louise Eissa deutlich, dass das noch immer in der westlichen Welt stark vertretene dualistische Denken von ihr nicht geteilt wird. Vielmehr erscheint ihr ein östliches Herangehen an diese Inhalte, wie es Meister Dogen personifiziert oder wie es auch in den abendländischen Philosophien von Schopenhauer, Nietzsche und Singer anzutreffen ist, als eine wesentlich plausiblere Art, die Welt zu verstehen, was ihre Bejahung einer pathozentrischen Grundhaltung unterstreicht. Die Rahmenhandlung kann ebenfalls als Synthese vorsokratischen Gedankenguts und buddhistischer Weltanschauung verstanden werden.
Die in diesem Werk geäußerten Sympathien hinsichtlich der verschiedenen philosophischen Grundfragen entsprechen der momentanen Strömung, die von einer Variante des christlichen Humanismus, nach der sich der Mensch kategorial von anderen Lebewesen unterscheidet und eine Sonderstellung in der Welt einnimmt, wegführt und eine Form des durch östliches Denken beeinflussten Posthumanismus bejaht, der seinerseits aktiv an der Auflösung verschiedener Dualismen arbeitet, die radikale Pluralität bei der Frage nach dem Guten ernst nimmt, die Welt als ein in sich geschlossenes Netz von immanenten Relationen auffasst, die politische Errungenschaft der Freiheit als ein beschützenswertes Gut ansieht und darum bemüht ist, paternalistische Strukturen zu untergraben.
Zu all diesen ernsten Themen im Kontrast steht die amüsante fantasievolle Erzählung, in die Tina-Louise Eissa auf gelungene Weise die philosophischen Betrachtungen eingebunden hat.

Das Buch ist im LIT-Verlag erschienen. Hier wurde das Vorwort abgedruckt.

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