In früheren Jahrhunderten war es nicht unüblich, dass Verlage und Buchhandlungen unter einem Dach existierten. Auch in Zeiten von Vater und Sohn Frommann, im 19. Jahrhundert, war dies in Jena so. Die traditionsreiche Jenaer „Bücherstube“ nahm diese Tradition auf, indem Vater und Sohn, Gunther und Kristian Philler, ein altes Buch „ausgruben“. Es erschien erstmals 1898 unter dem Titel „Jena in Wort und Bild“ in der „Frommannschen Buchhandlung“.
Diese Kostbarkeit wird nunmehr authentisch präsentiert, auch wenn man die Schrift für den heutigen Leser eingängiger gestaltete und sich von wenigen allzu deutschtümelnden Texten trennte. Die „wilde typographische Gestaltung“ des 19.Jahrhunderts wurde annähernd beibehalten, auch die historischen Anmerkungen blieben. Die nützlichen, weiterführenden Erklärungen aus der Jetztzeit sind typographisch etwas klein geraten. Der Vorspann, eine lyrische Liebeserklärung an die Saale-Stadt, dürfte aus der Feder des vormaligen Herausgebers stammen, dessen Namen wir nicht kennen. Das Tolle an dem Buch im Querformat, dessen erste Auflage nach kurzer Zeit verkauft war, ist die gelungene Einheit von Wort und Bild. Die frühen Fotos stammen von einem „Hofphotographen“ der Firma Bräunlich, die eng mit der „Zeiß Werkstätte“ zusammen gearbeitet hatte.
Die Mehrheit der Wortbeiträge sind Gedichte und Lieder. Auch Erinnerungen und Briefe finden sich. Etliche lyrische Texte sind „Volkspoesie“, von der wir die Autorennamen nicht kennen. Bereits das Cover verspricht Texte mit „ernstem und heiterem Inhalt“. Einen besonderen Spaß wird der Leser bei den Stammbuchversen haben, denen es mehrfach an Deftigkeit nicht fehlt. Zwei Textproben seien gestattet:
Ein Buch, ein Glas ein schönes Weib
Ist Jenischer Purschen Zeitvertreib.
(1731)
Nicht zum Spielen, nicht zum Saufen,
Sondern Weisheit einzukaufen
Hat das liebe Vaterland
Uns nach Saal‘-Athen gesandt.
(Friderici, 1781)
Es ist in Jena, dem Ursprungsort der Burschenschaften, nicht verwunderlich, dass die zechenden Burschen es waren, die diese Lieder und Gedichte sangen oder rezitierten. Meine Generation, die in den siebziger Jahren in Jena studierte, hat an den Biertischen im „Rosenkeller“ manche der Lieder noch lauthals gesungen. Jüngere sollten sagen, ob sie in ihren stürmischen Jahren derartiges ebenso getan haben.
Die in der Anthologie vertretenen Poeten werden von Goethe und Schiller angeführt. Der Weimar-Jenaer Dichterfürst ist unter anderem mit dem „Erlkönig“, einem Sonett für Minchen Herzlieb (einer Pflegetochter der Frommanns) und einem Dornburg-Gedicht von 1828 vertreten. In Dornburg nahm Goethe zurückgezogen Abschied von seinem verblichenen Freund und Mäzen Carl August. Nur Goethe war es vorbehalten, hier mit einem lyrischen Text ohne Jena-Bezug vertreten zu sein. Immer wieder kommen Heimatdichter wie der „Fuchsturm Poet“ Otto Engau oder Leo Sachse zu Wort. Mit Franz Theodor Kugler begegnet uns ein alter Bekannter: Sein Lied „An der Saale hellen Strande“ lebt noch immer.
Verwunderlich ist, dass der erste Herausgeber auf Gedichte des den in Jena geborenen und begrabenen Stadtpoeten Wilhelm Treunert verzichtete. Dies überrascht insofern, als es Frommanns Sohn Friedrich Johannes war, der mehrere Treunert-Bücher drucken ließ. Möglich wäre, dass sich der neue „Verlag der Jenaer Bücherstube“ dieses Poeten einmal annimmt.
Das tolle Buch enthält nur männliche Stimmen – von Burschen. Auch Frauen sind ausdrücklich zur Lektüre eingeladen. Dies aber formulierten bereits die verdienstvollen Herausgeber Gunther und Kristian Philler selbst.
Jena in Wort und Bild – eine Sammlung von Anekdoten, Liedern und Aussprüchen ernsten und heiteren Inhalts. Neu herausgegeben von Gunther und Kristian Philler im „Verlag der Jenaer und Bücherstube“ 2022, 80 Seiten. Das Buch hat keine ISBN-Nummer. Es ist nur in der „Jenaer Bücherstube“ erhältlich oder zu bestellen.