Eine Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen wird schwierig

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Von Gerold Hildebrand

Mal abgesehen davon, dass man in Deutschland weder Trump noch Nikki Haley und weder Kamala Harris noch einen unsichtbaren Kennedy-Sproß wählen kann, auch wenn es manchmal in der Berichterstattung und den Debatten fast so scheint, ist der Angriffskrieg des putinistischen Russlands das existenzielle Hauptthema. Aber bewegt es auch wirklich? Bei einer nicht geringen Anzahl der deutschen Wähler steht leider die Haltung im Vordergrund: „Dafür ham se Geld! – Und wir? Alles wird nur teurer.“

Andererseits besteht das Bedürfnis, dass der Staat besser vor islamistischen Fanatikern, die nicht nur kürzlich erst zugewandert sind, schützen solle. Und das ist nicht erst seit Mannheim so.

Diese Stimmung wird von AfD, BSW, Linkspartei und Teilen der SPD aufgegriffen und geschürt. Auch bei Landtagswahlen, die nur zweitrangig etwas mit Außenpolitik zu tun haben.

Natürlich stecken da jeweils noch ganz andere und differierende Interessen bei den genannten Parteien dahinter. Einig sind sie sich nur in der Frage, dass sie Wählerstimmen gewinnen wollen – wenn auch als Konkurrenten.

Der Offene Brief von in der Opposition gegen das SED-Regime Aktiven zielte auf den neuen Umfrage-Shooting-Star BSW. http://h-und-g.info/editorial/was-ist-von-sahra-wagenknecht-zu-halten  bzw. https://www.theeuropean.de/gesellschaft-kultur/bsw-wie-haeltst-du-es-mit-der-wahrheit

Dabei ging es lediglich um den Aspekt der Wahrhaftigkeit bezüglich der russischen Invasion in der Ukraine.

Wenn also Frau Wagenknecht in den vielen Talkshows, die ihr ein Podium bieten, russische Fake-News verbreitet wie die, dass französische Truppen bereits in der Ukraine kämpfen würden – und das auch später nicht zurücknimmt, nachdem offensichtlich geworden ist, dass es nicht stimmt, dann kann davon ausgegangen werden, dass hier absichtlich Stimmungsmache in der Art betrieben werden soll: der „Westen“ und die Ukraine haben selber Schuld, wenn sich Putin vorbeugend mit verschiedenen Annexionen „wehrt“. Dabei muss nicht einmal ein Outing erfolgen, auf welcher Seite man eigentlich steht, wenn auch dem aufmerksamen Betrachter in der Gesamtschau auffällt, dass hier in marxistisch-leninistischer Art eine tiefe Feindschaft gegenüber den westlichen Demokratiemodellen, die zudem als „Kapitalismus“ diffamiert werden, dahinter steht.

Aber es bedient tief sitzende Vorurteile einiger „Ossis“ und einiger West-„Linker“ gegenüber einer nicht konfliktfreien Demokratie und Heilserwartungen bezüglich einer glühenden kommunistischen Zukunft, die entweder durch die Zurichtung im ideologisch geprägten „Verbildungs“-System der DDR eingetrichtert wurden und innerfamilär heftig weiter gepflegt werden oder – bei den linksradikalen „Wessis“ – durch das jahrzehntelange Leben in der linken Blase mit dabei gepflegten leninistisch-maoistischen Revolutionsagitationen verfestigt worden sind.

Die aus Jena stammende Sahra Wagenknecht (amtlich zunächst Sarah Wagenknecht) und ihr saarländischer Lebensabschnittsbevollmächtigter Oskar Lafontaine sind das Paradepaar dafür.

Natürlich gäbe es noch viel mehr zu sagen – auch zu den anderen Parteien. Aber der Offene Brief hatte schlichtweg einen Fokus und war deshalb auch in vielen Medien als Debattenanstoß präsent. Vordem war von Kritik am BSW selten etwas wahrnehmbar.

Mit Kritik an der AfD wurde (manchmal auch unglücklich oder gar durchschaubar überzogen) hingegen nicht gespart, so dass der Eindruck entstehen konnte, die Medien kennen keine Parteien mehr.

Natürlich ergibt sich daraus auch die Frage, wie überhaupt Koalitionen von CDU (und in Brandenburg noch SPD) gebildet werden können, wenn AfD, BSW und Linkspartei ausgeschlossen werden. Ein Paradigmenwechsel, wie ihn unter anderen sogar Joachim Gauck und Marianne Birthler vorschlagen, indem sie empfehlen, die Abgrenzung zur Linkspartei zu beenden?

Okay, die Reinwaschung der SED-PDS-Linkspartei erfolgt ja schon seit einiger Zeit. Beginnend mit der Tolerierung in Magdeburg über Regierungsbeteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen und Thüringen.

Die Rechtsnachfolgerin der SED wird mittlerweile bereits zum „demokratischen“ Spektrum gezählt, ohne dass unmissverständlich eingefordert wurde, dass sie die SED-Diktatur ohne Wenn und Aber als Unrechtsstaat kennzeichnen solle und ihre anti-freiheitlichen (antikapitalistischen, antiamerikanischen, antiisraelischen) Attitüden und ihre Unterstützung linksradikaler Gruppen aufgeben müsse.

Keine Frage, dass nicht alle so sind in dieser Partei, aber es sind auch nach der Spaltung genügend Marxisten-Leninisten in ihr verblieben.

Da ist es doch nur folgerichtig, wenn Parteien wie die CDU oder die FDP sich abgrenzen und keine Koalition bilden möchten ab Landesebene aufwärts. Das sollte natürlich auch für die Bündnisgrünen oder die Freien Wähler gelten. In diesem Punkt stimme ich also Joachim Gauck und Marianne Birthler nicht zu, auch wenn argumentiert werden könnte, dass eine kommunistische Diktatur in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen und Thüringen bisher nicht errichtet wurde. Aber eine klare Kante gegenüber radikalen und extremistischen Parteien sollte in einer wehrhaften Demokratie schon deutlich geäußert werden vor Wahlen – auch wenn ein solches Wahlversprechen möglicherweise nicht ganz durchzuhalten ist.

Was die überwiegende und jüngere Wählerschaft betrifft, die sagen: DDR? Wollen wir nicht zurück, aber alles kalter Kaffee, wir haben doch ganz andere Probleme. Nur kann es passieren, dass der kalte Kaffee wieder erhitzt wird bis man sich an ihm verbrüht. Ein Frosch im Wasserglas merkt es auch nicht, wenn die Temperatur langsam aber stetig Richtung Siedepunkt ansteigt.

Warum wird der eher moderate Bodo Ramelow wohl abgewählt, nicht nur von den Überläufern zu AfD und BSW? Und warum sind auch die Umfrageresultate der Grünen und der SPD im Fünf-Prozent-Keller? Das sind doch auch hausgemachte Fehler.

Nun stünde dies allein (dass eine Regierung kein Vertrauen mehr genießt) einer künftigen Regierung unter Führung einer anderen Partei nicht im Wege.

Okay, das Vertrauen in Parteien ist generell nahezu am krachenden Siedepunkt, also bei Null. Das liegt an den rasanten Veränderungen der letzten zehn Jahre und der fehlenden Debattenkultur.  Übertreibungen, Verletzungen, Überforderungen, Folge- und Vorauszahlungskosten, Zukunftsängste, Sprachverwirrungen und Sprachlosigkeit spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger ist nicht plötzlich irrational gestiegen sondern hat reale Ursachen. Wenn da überhaupt nichts dran wäre, würde das auch gar nicht verfangen.

Allerdings wird eine Regierungsbildung vor allem in Sachsen und Thüringen wohl schwierig, es sei denn dass FDP und Grüne für eine Koalition in Frage kämen, was aber nahezu illusorisch ist, da sie die Fünf-Prozent-Hürde diesmal nicht überspringen werden. Das wiederum liegt auch an der Politik der Ampel in Berlin.

Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass es in Thüringen etwa so ausgeht:

AfD 28 %

CDU 21 %

BSW 19 %

Die Linke 15 %

SPD 6 %

Grüne 4 %

FDP 2 %

Werteunion 1%

Sonstige 4%

Nun würden CDU, Linkspartei und SPD das BSW zur Koalition auffordern. Frau Wagenknecht in der Runde: „Wir haben die meisten Stimmenzuwächse und beanspruchen den Ministerpräsidentenposten!“

Die anderen sagen, nee, das wird diesmal der Mario Voigt oder Ramelow bleibt. Das würfeln die noch unter sich aus.

Dann kommt Herr Höcke um die Ecke und lädt die Frau Wagenknecht ein, standesgemäß in das schickste Restaurant Eisenachs.

Er bietet ihr an: „Sie oder einer der Ihren – die Frau Wolf aus unserem wunderschönen Eisenach – könnte in einer Koalition mit uns zum Ministerpräsidenten gewählt werden! Okay, die wichtigsten Ministerposten erhalten im Gegenzug wir. Sie bekommen noch Sport, Frauen und Gedöns.“

Dann kommen wieder die anderen und betteln, zumindest eine Tolerierung durch das BSW zu vereinbaren.

Wie würde sich Frau Wagenknecht wohl entscheiden?

Ob sich die Wahlergebnis-Voraussagen als gültig erweisen, wird sich herausstellen. Es ist aber durchaus damit zu rechnen. Denn früher bestehende „Schamgrenzen“ sind passé. In einer offenen Gesellschaft ist es nicht unüblich, dass das eigene Wahlverhalten vom sozialen Umfeld nicht als völlig abwegig klassifiziert wird. Nun wird weiterhin ein potenzieller AfD-Wähler seine Entscheidung nicht gerade an der Universität herausposaunen, im Dorf oder der Kleinstadt mittlerweile schon. Das hat sich geändert. Wer aber offen damit hausieren geht, BSW oder die Linke zu wählen, wird bestenfalls belächelt. Nur Grünen-Wähler werden eher beschimpft.

So könnte es sein, dass bei Umfragen, die zwar anonym bleiben, der jeweilige Wahlentscheidungswille nicht adäquat abgebildet wird, weil auch viele mit zugebissenen Zähnen – zwischen denen die Faust liegt – Protest wählen.

Hinzu kommt auch, dass aktuelle politische Entscheidungen letztlich bei manchen den Ausschlag geben werden. Ein Einfrieren der Militärhilfe für die Ukraine oder der Umstand, dass Direktkandidaten künftig eine völlig belanglose Rolle spielen müssen, kann Aufgeweckte noch in die Nichtwählerschaft treiben.

In Sachsen wird es mit der Regierungsbildung voraussichtlich noch komplizierter werden. In Brandenburg dann ist wiederum mit einer Reaktion auf die Ergebnisse in Thüringen und Sachsen und eine Besinnung zu rechnen.

Es bleibt spannend, aber noch hält der Rechtsstaat. Auch Trump und Biden konnten nicht einfach machen, was sie wollten.

Gerold Hildebrand am 19. August 2023

Gerold Hildebrand im Zeitzeugenbüro: https://www.zeitzeugenbuero.de/zeitzeugensuche/zeitzeuge/hildebrand-gerold

Quelle: Weissgerber – Freiheit

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