Schuster, Handschuhmacher, Feintäschner, Trachtenschneider, Sattler, Gürtler, Tischler, Buchbinder – die Reihe der Leder verarbeitenden Handwerksberufe ist ergänzbar. Um den Sportgerätehersteller etwa. Schon vor 100 Jahren machte er Turnmatten aus braunem Leder. Oh, wie waren die Dinger schwer, die man als kräftiger Schüler an Schlaufen in die Turnhalle zu hieven hatte! Wer denkt denn in diesem Kontext an den Schmuckdesigner?Leder wird heutzutage, allerdings von Damen, tatsächlich zu Schmuck verarbeitet, zu kuriosen Broschen und auffällig üppigen Fingerringen.
In der Münchner Galerie Handwerk stellen derzeit Eunmi Chun, München, Halsschmuck aus Darm, Ulrike Hamm, Berlin, Armschmuck aus Kalbspergament aus. Beide Damen bringen den Besucher der Ausstellung „Leder“ zum Staunen. So fein, so zart – Pergament ist ja auch Tierhaut – kann Leder sein. So bunt und gefällig dazu – man betrachte nur mal die pastellig eingefärbten, filigran bemalten Armreife von Ulrike Hamm. Ihre Berliner „Werkstatt für Echtes Pergament“ stellt sie nicht von ungefähr unter das Motto „Anmut & Kühnheit“.
Fast ein halbes Hundert heimisch tätige und europaweit bekannte Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker zeigen neueste, ebenso konservative wie verrückte Kreationen, alle mit ausschließlichem oder teilweisem Leder-Anteil: Umhängetaschen und Hosengürtel, Luxusschuhwerk und Krachlederne, Langhandschuhe und Cowboystiefel, Haferl- und Bowlingschuhe, Foto- und Aktentaschen, Bucheinbände und Sättel, Stierbeutel sogar. Eh ein Wunder, dass es noch Firmen gibt, die sich auf die „Altsämischgerberei“ verstehen.
Wenn auch nicht ausführlich, so doch in groben Zügen wird, per Fotos und Objekten, erklärt, wie Leder hergestellt wird – sei`s von Kalb, Ziege, Hirsch oder Schaf, vom Charolaisrind, Perlrochen, Seewolf, Lachs, Papageienfisch oder vom Vogel Strauß. Hohe Vorratsgläser bergen die natürlichen Gerbstoffe aus der Rinde von Akazie, Eiche und Kastanie.
In Vorträgen informiert die Handwerkskammer für München Oberbayern am 23. September um 14 Uhr bei freiem Eintritt über den künstlerischen und handwerklichen Umgang mit Leder und Pergament – über die traditionelle Herstellung von Lederhandschuhen (Annette Roeckl), zwiegenähtes Schuhwerk aus München (Schuh Bertl), die Arbeit mit Pergament und dessen Gewinnung sowie allgemein über das seit Jahrtausenden aus Tierhaut gewonnene Material (Gerhard E. Moog, Lederinstitut Reutlingen), das aus unserem Alltag nicht wegzudenken ist.
Die Ausstellung (bis 1. Oktober, geöffnet Dienstag, Mittwoch und Freitag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr und Samstag von 10 bis 13 Uhr) zeigt in bedachtsamer Auswahl prachtvolle Einzelstücke und bildhaft applizierte Ensembles, manche von ihnen, etwa Beate von Hartens mit reinem Leinen gewebter Rindsleder-Teppich „Planquadrat 1070 Wien“, legen die Überlegung eines (durchaus möglichen) Erwerbs zur Ausstattung des eigenen Heimes nahe. Die ganze Schau in Parterre und Untergeschoß wertete eine Besucherin am Ende ihres wohl sehr genossenen Rundgangs als „liebevolle Ode an das Leder“. So jedenfalls steht`s von Damenhand nun im Gästebuch zu lesen. Eine Ode ist bekanntlich ein feierliches Gedicht …
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.