Beeindruckende Dank- und Bittmesse unterhalb des Michaelsbergs in Siegburg
Als das kräftige Glockengeläut der ehrwürdigen Stadtpfarrkirche St. Servatius über den Dächern von Siegburg ertönt, streben immer mehr Menschen durch die vorweihnachtlich geschmückten Gassen über den Marktplatz dem Gotteshaus zu. Am Morgen war Schnee gefallen und hatte der kleinen Kreisstadt noch zusätzlich ein adventlich anmutendes Gepräge gegeben. Im Hintergrund des in mildem Licht angestrahlten Kirchturms sind die Konturen des Klosterbergs erkennbar. Auf seinem Scheitelpunkt ist die mächtige Abteikirche angestrahlt und ragt in den tiefschwarzen Abendhimmel hinein. Doch die traditionsreiche und weithin sichtbare Landmarke des Glaubens ist ins Wanken gekommen, seitdem die dort beheimateten Benediktiner aus finanziellen und personellen Gründen bekannt gegeben haben, dass sie „nach langen und intensiven Beratungen zu der schmerzhaften Erkenntnis gelangt sind, dass unsere Kraft nicht ausreicht, unsere Niederlassung in die Zukunft zu führen“ (Tagespost berichtete). Die Menschen, die an diesem Freitagabend vor dem ersten Advent nach St. Servatius gekommen sind, wollen nun für diejenigen beten, die selbst Jahrhunderte lang stellvertretend für sie gebetet haben. Sie erhoffen sich Antworten auf diese „Nagelprobe des Glaubens“, wie der zuständige Regionalbischof aus Köln, Weihbischof Heiner Koch, in seiner Predigt so treffend das für Mitte kommenden Jahres festgelegte Ende des klösterlichen Lebens benediktinischer Prägung auf dem heiligen Berg des Rhein-Sieg-Kreises beschreibt. „Die Schließung ist für uns Siegburger und viele Menschen in der Region eine große Enttäuschung“, bringt Stadtpfarrer Peter Weiffen zu Beginn des als Votivmesse zum Heiligen Geist gefeierten Dank- und Bittgottesdienstes die Stimmungslage seit Anfang November auf den Punkt. „Was helfen uns die schweren Sorgen was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach?“, singen die Gläubigen in der gut gefüllten Kirche die bekannte Strophe aus „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Die Antwort: „In der Hoffnung liegt unsere Kraft“, so Pfarrer Weiffen, „die Hoffnung in die Kraft des Heiligen Geistes – für die Benediktiner sowie um eine neue geistliche Gemeinschaft.“
Denn neben dem Dank für die seit fast 950 Jahren währende geistliche Begleitung, seelsorgerischen Dienste und stellvertretenden Gebete durch die Mönche geht es auch um die Hoffnung, dass sich die Bitte um die geistliche Zukunft des Ortes erfüllen möge. Sieben Geistliche, unter ihnen der amtierende Hausobere des Kloster, Pater Christian Dieckmann, stehen dafür um den Altar des Herrn, und unter den Gottesdienstbesuchern bitten unter anderen auch der erste Bürger Siegburgs sowie der für die Region verantwortliche Superintendent der Evangelischen Kirche um geistlichen Beistand bei diesem „Problem, das wahrhaft historische Züge trägt“, so Bürgermeister Franz Huhn. „Nur in einem geistlichen Zentrum kann die Zukunft liegen, und darum müssen wir alle ringen: Stadt, Kreis und Erzbistum Köln“, sagt er nach der Messe und fügt hinzu: „Ich bin Erzbischof Joachim Kardinal Meisner dankbar, dass er die Suche nach einer geistlichen Gemeinschaft zur Chefsache erklärt hat.“ Der Kölner Oberhirte hatte dieser Tage seine Trauer darüber, dass das geistliche Leben im Erzbistum durch den Weggang der Benediktiner ärmer werde, mit dem Dank verbunden, „dass wir fast 950 Jahre dieses Zeugnis gelebten Glauben haben durften“. Dass die Suche nach neuer geistlicher Strahlkraft jedoch viel Zeit und Geduld beanspruchen und zu einem intensiven, möglicherweise auch kritischen Ringen führen wird, wissen sie alle in und um Siegburg. „Es braucht Ausdauer, um die gewaltige Aufgabe zu stemmen, die Zukunft des Michaelsbergs als geistliches Zentrum zu erhalten“, betont Kreisdechant Monsignore Anno Burghof.
Mit der Votivmesse wurde indes eine beeindruckende und bewegende Wegmarke gesetzt, um sich weiter gemeinsam auf den schwierigen Weg dieser Nagelprobe des Glaubens zu begeben. „Das einzig Stabile in unserer Gesellschaft scheint die Instabilität zu sein“, hatte Weihbischof Koch seine Predigt mit einem Verweis auf die Schnelllebigkeit und rasanten Veränderungen des alltäglichen Lebens eingeleitet. „Wer heute von morgen sein will, erreicht nur, dass er morgen von gestern ist.“ Es sei auch für gläubige Menschen schmerzhaft und oftmals schwer einzusehen, dass man eben nicht alles im Griff habe – obwohl doch seit Jahren alles scheinbar so gut lief mit diesem Kloster. „Es ist jedoch eine Hybris zu glauben, dass alles planbar ist.“ In dieser Bewährung sei es sicherlich leicht gesagt auf Gott als den Einzigen zu verweisen, der bleibe. „Doch Gott lässt sich nicht einfach auf unsere Pläne und Wirklichkeit setzen.“
Vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens verwies der Kölner Weihbischof in einem wunderbaren Rekurs auf die biblischen Geschichten von den Emmaus-Jüngern oder dem Volke Israel, welches mit dem heiligen Zelt immer wieder zum weiteren Weg durch die Wüste habe aufbrechen müssen, und stärkte die Gläubigen in Siegburg mit der Zuversicht: „Der Gott, der bleibt, ist der Gott im Aufbruch, der auf dem Weg ist, der immer erfahrbar ist als Weggeschichte.“ Das könne oftmals ein Wagnis, ja ein Risiko sein so wie damals beim Jünger Petrus, der sich über den See Genezareth auf den Weg zu Jesus begab, zwischenzeitlich den Mut verlor und unterzugehen drohte. Viel Mut und Vertrauen sei daher jetzt in den Stunden des Abschieds und des Aufbruchs nötig, um sich weiter von Gott führen zu lassen und auch die Chancen im Kairos dieser Stunden zu erkennen. Weihbischof Koch erinnerte abschließend an das so glaubensstarke Wort des Apostel Paulus, das nicht nur in dieser Situation, sondern auch für die Kirche im Allgemeinen und für jeden Gläubigen im Besonderen ein zuversichtliches, vertrauensvolles und Mut machendes Zeugnis ist: „Gott führt bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten.“
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