- Einleitung: Xi Jinping und die „Neue Seidenstraße“
Seit der chinesische Staatspräsident Xi Jinping im Herbst 2013 an der Nazarbayev University in Kasachstan seine „One Belt One Road“–Initiative (kurz: OBOR) angeküdigt hat, gewinnt das von China geplante Projekt einer „Neuen Seidenstraße“ in der Presse zusehends an Bedeutung. Wie der englische Name „One Belt One Road“ bereits andeutet, handelt es sich bei dieser „neuen Seidenstraße“ eigentlich um zwei geplante Handelsrouten: einer maritimen von China über Südasien nach Afrika (der sog. „Maritime Silk Road, kurz: MSR) und einer über den nördlichen Landweg (dem sog. „Silk Road Economic Belt“, kurz: SREB) vom Reich der Mitte über Zentralasien, den Iran, die Türkei und Moskau nach Europa, von „Peking (bzw. Xi’an) nach Rotterdam“ verlaufenden Strecke (Vgl. Abb. 1).
Das Projekt hat neben der wirtschaftlichen und geopolitischen auch eine hohe symbolische Bedeutung, knüpft es doch an die berühmte Seidenstraße an, die China schon im 2. Jh. v. Chr. über viele Zwischenstationen mit Europa verbunden hatte. In dieser Tradition möchte China Asien und Europa mit Straßen, Schienennetzen, Schifffahrtslinien, Häfen, Industriekorridoren und Kommunikationsnetzen nun im 21. Jahrhundert verbinden. Die Führung in Peking verspricht sich davon einen engeren wirtschaftlichen Austausch mit seinen Nachbarn bis hin nach Afrika, den mittleren Osten und Europa. Die Sicherung der großen Öl-, Edelmetall- und Gasvorkommen in Zentralasien ist ein weiteres wesentliches Motiv, das nicht nur China antreibt, sondern das bereits die USA mit ihrem „Silk Road Strategie Act“[1] im Jahr 1999 angedacht hatten, ebenso wie die EU, die sich bereits seit 1993 im Rahmen des TRACECA-Projekts[2] (deutsch: „Verkehrskorridor Europa-Kaukasus-Asien“) um einen infrastrukturellen Ausbau zwischen Europa und Zentralasien bemüht. Insofern ist es kein Zufall, dass nun auch die Chinesen das geopolitisch und wirtschaftlich wichtige Gebiet Zentralasien, des – um mit den, für die geopolitischen Strategen und Politikberater bis hin zu Zbigniew Brzezinski[3] wirkmächtigen Worten des Geographen Halford Mackinder[4] zu sprechen – „Herzlandes“ Eurasiens unter ihre Kontrolle zu bringen versuchen. In diesem Zusammenhang sei auch an die wiederholten Bemühungen Russlands erinnert, eine Freihandelszone von „Lissabon bis Wladiwostok“ (so die Worte Wladimir Putins[5]) mit Europa einzurichten, was die EU jedoch wiederholt abgelehnt hat. Die Auseinandersetzungen um die Annäherung der Ukraine an die EU und ihre politischen und militärischen Folgen bis hin auch zu den seit 2014 bestehenden wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland belegen die Bedeutung aller Teile dieses Herzlandes, auf die Brzezinski wiederholt aufmerksam gemacht hat. Die Folgen der sich daraus ergebenden verstärkten politischen und ökonomischen Zuwendung Russlands zu China werden – wie alle Entwicklungen entlang der Seidenstraße – erst in Zukunft abzuschätzen sein.[6]
Einer langfristigen Planung seitens der chinesischen Regierung entspricht es auch, dass die chinesische Großreederei COSCO im April 2016 mit dem Piräus endgültig den Hafen von Athen mit 51 % an Anteilen übernommen hat. Bereits am 18. Februar 2013 hatte die pakistanische Regierung die Kontrolle über den Tiefseehafen Gwadar an China übergeben, um nur einen weiteren Hafen zu nennen, der nun in chinesischer Hand ist. China baut massiv seinen Seehandel aus, investiert an den wichtigsten Seerouten in Tiefseehäfen, kauft sich Liegeplätze auf allen Kontinenten und baut die größten Containerschiffe der Welt. Chinas maritime Ambitionen erinnern damit stark an die Unternehmungen der Portugiesen, die gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Seeweg nach Indien (die sogenannte „Gewürzroute“) auf ähnliche Weise und auf ähnlichen maritimen Wegen eingerichtet hatten – mit der Errichtung von Häfen und Befestigungsanlagen entlang der afrikanischen Küste, um sich den Zugang zum lukrativen Gewürzhandel mit Indien und Südostasien dauerhaft zu sichern. So wurde Portugal von einer kleinen lokalen Macht zu einem der größten und mächtigsten Imperien der Frühen Neuzeit.[7] Einen ähnlichen Versuch hatte China mit den Expeditionen Zheng He’s in umgekehrter Richtung bereits während der Ming-Dynastie zu Beginn des 15. Jahrhunderts unternommen, die in neuerer Zeit erst wieder in den europäischen Blick gekommen sind.[8]
China wächst heute wieder wirtschaftlich mit einer Geschwindigkeit, die nicht nur an Portugal, sondern auch an die Industrialisierung in Europa erinnert, ja diese sogar signifikant übertrifft – mit China ist eine neue und selbstbewusste politische und wirtschaftliche Macht wiedererstanden, die in den nächsten Jahrzehnten von großer wirtschaftlicher und geopolitischer Bedeutung sein wird; auch Europa könnte von dieser Entwicklung stark profitieren, insbesondere, da China die USA bereits im Jahr 2016 als wichtigsten Handelspartner Deutschlands abgelöst hat[9]. Wenn auch die OBOR-Initiative sich vielleicht in dem von der chinesischen Führung imaginierten umfassenden Rahmen nicht realisieren lassen wird, zeigt sie doch den starken politischen Willen eines Landes, das wieder zum Inbegriff eines „Global Player“ geworden ist. Freilich ist es nicht das erste Mal in der Geschichte, dass sich das „Reich der Mitte“ zu einer führenden Weltmacht aufschwingt – noch heute erinnert sich jeder Chinese mit Begeisterung an die großen Zeiten der Han- (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) und der Tang-Dynastien (618-907 n. Chr.), in denen China weite Teile der alten Seidenstraße dominierte und in denen nicht nur die Römer und später die Byzantiner begierig nach den Seidenprodukten waren, die den alten Handelswegen durch Zentralasien und den mittleren Osten ihren legendären Namen gaben und deren Herstellung in China ein so gehütetes Geheimnis war, dass sie in der besten Qualität bis ins 16. Jh. hinein nur aus China importiert werden konnten.
Das Projekt einer „Neuen Seidenstraße“ knüpft zumindest in seiner Vermarktung an die Vergangenheit an und kann nur als äußerst ambitioniert bezeichnet werden, führt die geplante Verbindung doch mit Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und den Iran durch Länder, die heute nicht nur strukturell wenig erschlossen und voller geographischer Hindernisse sind, sondern die zudem auch zumeist politisch instabil und damit für den Handel nicht ungefährlich – und teils, wie der Iran, auch von den USA und der EU sanktioniert – sind. Doch auch die Gefahr auf diesen Wegen hat freilich Tradition: so berichtet der chinesische Mönch Faxian bereits im Jahr 414 n. Chr., von seiner abenteuerlichen Reise nach Indien zurückgekehrt, von den Herausforderungen der Taklamakanwüste (im heutigen Tarimbecken), die jeder Reisende entlang der alten Seidenstraße durchqueren musste: „Man sieht weder einen Vogel in der Luft noch irgendein Tier auf der Erde. Wenn man angestrengt nach allen Richtungen Ausschau hält, um den Weg für die Durchquerung zu finden, sucht man vergeblich; die einzigen Wegzeiger sind die ausgedörrten Knochen der Toten.“[10]
Mit diesen Klagen war Faxian allerdings nicht allein, sollte doch auch der venezianische Handelsreisende Niccolò de Conti, dessen abenteuerliche Reisen gen Osten von 1419-1444 „im Namen Gottes und des Geschäfts“[11] uns durch den päpstlichen Sekretär und Humanisten Poggio Bracciolini überliefert sind[12], in seinem 1469 eröffneten Testament seinen Söhnen noch dringend davon abraten, vergleichbare Reisen anzutreten, „aufgrund der unglaublichen Gefahren, die ich der Länge halber hier nicht alle aufzählen kann“[13]. Eine dieser Gefahren sei wegen ihres heiteren Charakters hier aber doch erwähnt, weil deren Nennung eines misslungenen Kulturkontaktes auch Poggio Bracciolinis Sinn für einen etwas schrägen Humor[14] beweist, den man bei einem päpstlichen Sekretär vielleicht nicht unbedingt erwarten würde: Als burmesische Frauen Niccolò de’ Conti der Sitte des Landes entsprechend anboten, sein Geschlechtsteil durch Implikation von Glöckchen nicht nur zu vergrößern, sondern auch zum Klingen zu bringen, wies er diesen Vorschlag entsetzt von sich, weil er nicht zur Freude anderer sinnlos leiden wollte.[15]
Doch auch der schwedische Entdeckungsreisende und Abenteurer Sven Hedin, der für die Wiedererschließung der historischen Seidenstraße gegen Ende des 19. Jahrhunderts neben Ferdinand von Richthofen (dessen Schüler er war) und Aurel Stein von zentraler Bedeutung war, berichtet uns weit weniger erheiternd, wie er mit seinen drei Begleitern in der Taklamakanwüste aufgrund von Wassermangel das Blut der mitgeführten Hühner und Schafe trinken musste – wobei trotzdem nur er und einer seiner Begleiter von diesem Abenteuer zurückkehren sollten.[16]
Das Reisen entlang der Seidenstraße war demnach immer schon gefährlich. Versuchen wir, uns im Folgenden eine Vorstellung des Mythos „Seidenstraße“ zu machen: ihrer Geschichte, ihres Verlaufs, ihrer Gefahren, aber auch der Waren und der Kulturgüter, die auf diesem ersten „Highway der Weltgeschichte“ gehandelt und ausgetauscht worden sind.
- Bezeichnung und Verlauf der alten Seidenstraße
Die Bezeichnung „Seidenstraße“ ist eine ebenso neuzeitliche wie irreführende Namensgebung. Denn die Seidenstraße war keine zusammenhängende Wegstrecke, sondern ein Netzwerk von sich verändernden und größtenteils unmarkierten Pfaden und Karawanenstraßen durch weite und nur äußerst schwer passierbare Berg- und Wüstenregionen. Auch war die Seide neben Gewürzen, Edelmetallen, Lederwaren und vor allem Papier, das bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. in China erfunden worden war, nur eines von vielen Gütern, die auf diesen Pfaden gehandelt wurden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Händler und Völker, die entlang der „Seidenstraße“ lebten, diese Bezeichnung selber nicht benutzten – sie sprachen eher von der „Straße nach Samarkand“ (oder zu dem nächstgrößeren Ort entlang der Route) oder von „nördlichen“ oder „südlichen“ Strecken um die Wüste von Taklamakan herum.[17]
Den Begriff „Seidenstraße“ hat erst Baron Ferdinand von Richthofen im Jahr 1877 geprägt. Ferdinand von Richthofen war ein prominenter deutscher Geograph, der sich zwischen 1868 und 1872 in China aufgehalten hatte[18], um dort vor allem geologische, geographische, wirtschaftliche und kulturelle Studien zu betreiben, und der seine Untersuchungsergebnisse in seinem fünfbändigen Werk über China ab 1877 veröffentlichte[19]. Im ersten Band seines Werks wird die Seidenstraße das erste Mal erwähnt, auf S. 500 ist eine Karte dieser Route abgebildet[20], die Richthofen aus europäischen Quellen (vor allem Ptolemäus und Marinus) sowie – erstmals – auch chinesischen Zeugnissen zusammengestellt hatte. Die dortige Abbildung erinnert jedoch eher an eine gerade Schienenstrecke durch Eurasien, die mit der historischen Seidenstraße (als verzweigtes Netz von vielen Wegen) nicht viel zu tun hat. Der Vorwurf, dass Richthofen dort eher eine potentielle Zugstrecke von Shangdong durch die Kohlenfelder von Chang’an (heute Xi’an) bis nach Deutschland entworfen habe[21], wird nicht unberechtigt sein. Für Richthofen bezog sich die Namensgebung auf Wegstrecken, auf denen die chinesische Seide vom Han-Reich (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) nach Zentralasien transportiert wurde. Richthofen bezog das Konzept der Seidenstraße zwar nicht auf Zeiten nach der Han-Periode, diskutierte aber dennoch auch andere Routen in späteren Zeiten und den Austausch von anderen Waren als Seide. Zudem argumentierte er für die wichtige historische und kulturelle Bedeutung, die dem Handelsverkehr entlang dieser Wegstrecken zukam – was auch wir heute unter dem Begriff der „Seidenstraße“ verstehen. Nicht ganz vergessen wollen wir auch, dass es viele Schüler von Richthofen waren – unter ihnen Sven Hedin und vor allem Albert Grünwedel sowie Albert von Le Coq – die in der schnurrigen Weise, die für das forschende Europa des 19. / 20. Jahrhunderts typisch war, sehr viele der gefundenen archäologischen Kulturgüter – zum Beispiel aus der Turfanoase in der Wüste von Taklamakan – gestohlen und nach Europa gebracht haben: was den Forschern Ruhm und die Begründung der Turfanforschung, uns die weltgrößte Sammlung von Artefakten aus der Region in Berlin (Dahlem) sowie noch den heutigen Unmut der dortigen Regierungen eingebracht hat.[22]
Auf jeden Fall setzte sich der Begriff „Seidenstraße“ zunehmend durch und wurde im Jahr 1910 erstmalig in der Dissertation des ebenfalls deutschen Geographen Albert Hermann als Titel geführt.[23] Die Namensgebung wurde spätestens im Jahr 1936 zum allgemeinen Standard, als das Buch Sven Hedins über seine Entdeckungen in Zentralasien unter dem deutschen Titel „Die Seidenstraße“[24] erschien. Auch wenn „die Seidenstraße“ also eine Abstraktion aus dem 19. Jahrhundert ist, lassen sich doch gewisse Hauptrouten beschreiben, die im Osten in Chang’an begannen (mit weiterführenden Wegen nach Peking bzw. Nanking und Hangzhou) und im Westen in Palmyra abschlossen (von wo die Waren weiter nach Kairo bzw. Konstantinopel transportiert wurden, um dann auch nach Europa zu gelangen). Im folgenden soll die Hauptroute kurz beschrieben werden (vgl. Abb. 2), wobei wir die aufgrund ihrer Länge gängige Unterteilung in eine westliche, mittlere und östliche Seidenstraße beibehalten wollen.
Das Kernstück der Seidenstraße, mittlere Seidenstraße genannt (vgl. Abb. 3), erstreckt sich von der ostiranischen Hochebene mit der Stadt Merw im Westen bis zur Wüste Gobi und der Stadt Dunhuang im Osten sowie dem Abzweig Richtung Süden nach Kaschmir und Peschawar. Es verbindet somit drei der wichtigsten asiatischen Kulturräume: Iran, Indien und China. Das Land ist gekennzeichnet durch Wüsten mit alten Oasenstädten, der mongolischen Steppe im Osten sowie hohen Gebirgen (Pamir, Karakorum, Tian Shan).
Von Merw konnte man den Oxus (heute Amudarja) überqueren und über Buchara das vom Jaxartes (Syrdarja) bewässerte Ferghanatal (erstreckt sich zwischen Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan) mit Samarkand erreichen. Von Samarkand führte ein Nordostzweig über Taschkent nördlich des Tian Shan-Gebirges über Beiting (in Xinjiang) und über Turpan und Hami, und vereinigte sich bei Anxi (heute Guazhou) wieder mit dem Hauptzweig.
Von Samarkand folgte der Hauptzweig dem Oberlauf des Jaxartes über Kokand und Andijon, überquerte das Tian Shan-Gebirge und gelangte nach Kaschgar im Tarimbecken.
Die im Tarimbecken gelegene Wüste Taklamakan (die wir durch den Mönch Fanxi bereits zu Beginn eindrücklich kennengelernt haben) konnte im Norden oder im Süden umgangen werden. Entlang dem Südrand ging es über Yarkant, Khotan, Qarqan, Niya, und Qakilik, bis man schließlich Dunhuang erreichte. Ab dem 2. Jahrhundert, als ein Klimawechsel mehr Wasser in die Region brachte, war dies der übliche Weg.
Später trockneten die Oasen am Südrand wieder aus, und ab dem 5. Jahrhundert wurde der Weg entlang des Nordrandes üblich: von Kaschgar ging es über Tumshuq, Aksu, Kuqa, Karashar, Korla, bis nach Loulan, wodurch man schließlich ebenfalls Dunhuang erreichte.
Von Kuqa gab es einen weiteren Abzweig nordöstlich nach Turpan. Auch das Siebenstromland (zwischen dem heutigen Kasachstan, Kirgisistan und Xinjiang (China)) war durch Pfade angebunden. Um nach Indien zu gelangen, mussten sehr hohe Gebirge überquert werden: Von Merw gelangte man entlang des Oberlaufes des Oxus über Baktra (heute Balch) zum Chaiber-Pass (Bergpass zwischen dem heutigen Pakistan und Afghanistan), überquerte den Hindukusch und gelangte in die nordwestindische Provinz Gandhara nach Begram, Kapisa und Peschawar.
Ab dem 3. Jahrhundert wurde auch eine andere Route genutzt: vom oberen Industal über Gilgit und das Hunza-Tal wurde das Karakorum-Gebirge überquert und mit Kaschgar das Tarimbecken erreicht. Diese Route entspricht dem Verlauf des ab den 1960er Jahren gebauten Karakorum Highways.
Die östliche Seidenstraße schließt sich östlich an die mittlere Seidenstraße an und führt zu den wichtigen Städten Chinas. Sie führte von Dunhuang östlich über Anxi (heute Guazhou) durch den Gansu- oder Hexi-Korridor über Jiayuguan und Wuwei bis nach Lanzhou, danach über Tianshui und Baoji bis Chang’an. Von dort ging es nordöstlich nach Peking oder östlich nach Nanking.
Die westliche Seidenstraße schließt westlich an die mittlere Seidenstraße an und führt zu den Hafenstädten am Mittelmeer. Sie führte von Merw über Maschhad, Damghan, Teheran, Ekbatana (heute Hamadan) und Bagdad nach Palmyra. Von dort ging es nach Nordwesten über Aleppo nach Antiochia und Tyros bis Konstantinopel oder nach Südwesten über Damaskus und Gaza nach Kairo und Alexandria.[25]
Doch auch die von den Chinesen derzeit geplante maritime Seidenstraße hat in der Geschichte Chinas eine lange Tradition. Roderich Ptak hat in seinem 2007 erschienenden Buch[26] über die maritime Seidenstraße die Handelsrouten im gesamten asiatischen maritimen Großraum beschrieben und damit gezeigt, dass es vor der Ankunft der Portugiesen in Indien bereits regen Handel im Indischen Ozean gegeben hatte. Zudem soll der Kaiser Qin Shi Huang Di bereits 217 v. Chr. einige tausend Jungen und Mädchen unter Xu Shi zu einer Expedition ausgesant haben, um nach dem Lebenselixier auf den sagenhaften Inseln der Unsterblichen zu suchen. Es gibt verschiedenen Quellen, die über den Aufbruch der Flotte aus Shandong und deren Ankunft in Japan berichten.[27] Die Handelsaktivitäten Chinas im Indischen Ozean steigerten sich vor allem in der Zeit der Tang- (618-907 n. Chr.) sowie der Sung-Dynastie (960-1279 n. Chr.) und erreichten ihren damaligen Höhepunkt während der Yüan-Dynastie (1271-1368 n. Chr.), einer Zeit wirtschaftlicher und politischer Machtentfaltung der Mongolen, von der Marco Polo in seinem Buch Divisament du monde[28] Aufsehen und Unglauben erregende Kunde nach Europa brachte.
Zu wirklich großen staatlichen Aktivitäten des Überseehandels kam es von Seiten der Chinesen jedoch erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts, als der uns nun schon bekannte General Zheng He zwischen 1405 und 1433 auf sieben Reisen sehr große Flottenverbände (auf der ersten Expedition waren es 62 Handelsschiffe und 27.800 Mann) bis nach Indien und Afrika führte, um Chinas Einflussbereich zu vergrößern und Handel zu treiben.
Gelangte er auf seinen ersten drei Reisen bereits bis nach Thailand, Sri Lanka und an die Südwestküste Indiens, so führten ihn seine weiteren Reisen sogar bis nach Hormuz am Persischen Golf, in das Rote Meer und bis nach Malindi im heutigen Kenia, wobei ihm der Kompass, den die Chinesen im 12. Jahrhundert entwickelt hatten, sicher eine große Hilfe war.[29] Aus Ostafrika (Malindi) brachte die vierte See-Expedition 1414 laut kaiserlichen Annalen sehr zum Erstaunen des Hofes neben Gewürzen und Edelmetallen sogar eine Giraffe und andere exotische Tiere und Pflanzen mit.[30] Aufgrund der hohen Kosten und daraus folgender Unruhen im China der Ming-Kaiser wurden diese Expeditionen jedoch eingestellt und die Flotte abgerüstet. Damit begann Chinas Abschottungspolitik gegenüber dem Rest der Welt, die in das berühmte Antwortschreiben (1793) des Kaisers Qianlong an den englischen König Georg III. gipfelte: „Wie Euer Botschafter selbst sehen kann, besitzen wir bereits alles. Ich messe fremden oder ausgefallenen Dingen keinerlei Wert bei und habe keinen Bedarf an den Erzeugnissen Eures Landes.“[31] Eine Botschaft, die im englischen Parlament und in der englischen Handelsöffentlichkeit große Erregung auslöste und – etwas vereinfacht – später in den Opiumkrieg und die gewaltsame Öffnung chinesischer Häfen und schließlich in die Kolonialisierung verschiedener Küstengebiete seitens aller europäischen Großmächte mündete.
Die Europäer und die USA sollten sich sowohl dieser Geschichte bewusst sein, wenn sie gegen den Versuch chinesischer Firmen, in Europa Fuß zu fassen, protestieren und dagegen Hemmnisse aufbauen, als auch der Tatsache, dass den Chinesen diese Zeit als eine Zeit der Erniedrigung bewusst ist, und man daher von einer großen Zustimmung der chinesischen Bevölkerung mit ihrer gegenwärtigen Führung, die eine Politik ins Werk gesetzt hat, die China zur stärksten Handelsmacht der Welt hat werden lassen, ausgehen kann.
Wenden wir uns zum Besseren Verständnis der Geschichte dieser Regionen und ihrer wechselseitigen Verknüpfungen nun der Geschichte dieser Handelswege zu, die wir unter dem vereinfachenden Namen „Seidenstraße“ kennen, ehe in weiteren Kapiteln dieses Buches das OBOR-Projekt, die „Neue Seidenstraße“ behandelt werden wird.
- Geschichte und Bedeutung der alten Seidenstraße
- 1 Der östliche Teil der Seidenstraße
Die Entstehung der Seidenstraßenverbindungen, die wir der Tradition halber kurz „Seidenstraße“ nennen, lässt sich nur schwer datieren. Sicher ist jedenfalls, dass die Seidenstraße nicht auf einen einheitlichen Planungsakt, sondern auf die schrittweise Verknüpfung zahlreicher bereits bestehender Handelswege zurückgeht. Für ihre früheste Zeit sind wir auf archäologische Funde angewiesen, die belegen, dass der Handel entlang den Routen der Seidenstraße vor langer Zeit begann. So sandten bereits Bewohner der Provinz Xinjiang um 1200 v. Chr., zur Zeit der Shang-Dynastie (1766-1045 v. Chr.) ihre Waren nach Zentralchina, was u. a. daran ersichtlich wird, dass das prächtig ausgestattete Grab der Gemahlin des Kaisers Wu Ding (ca. 1325 bis 1266 v. Chr.) namens Fu Hao nicht nur 200 Bronzewaffen und 200 bronzene Gegenstände, sondern auch circa 600 Jadefiguren enthält, die in Khotan in Xinjiang hergestellt worden sein müssen – eines der ältesten Orte entlang der Seidenstraße.[32] Zudem weisen große Mengen an Muscheln in derselben Periode, die in der Provinz Gansu in China gefunden worden sind, auf einen intensiven Handelsverkehr mit den Küstenregionen Ostchinas, Südindiens und vielleicht sogar mit Regionen des Mittelmeers hin.[33] Darüber hinaus zeigen auch Funde von Mumien bei Ausgrabungen in Xinjiang (im Tarimbecken) und Gansu, dass es sich bei den dort Begrabenen nicht um Chinesen handeln konnte, da sie teilweise über 1, 80 Meter groß waren und keine chinsesischen Merkmale aufwiesen.[34] Hier muss also ein Austausch nicht nur von Waren, sondern auch von Menschen stattgefunden haben, die sich heute jedoch – aufgrund des Fehlens von Schriftzeugnissen – nicht mehr detailliert rekonstruieren lassen.
Im Grunde müssen wir uns für die Frühzeit der Seidenstraße ebenso wie auf diese Informationen auf die frühen chinesischen Erzählungen wie dem Shanhaijing („Verlauf der Berge und Meere“), die der große Kaiser Yu Si (der legendäre Gründer der ersten mythischen Dynastie Chinas, der Xia Dynastie) selbst verfasst haben soll, verlassen.[35] Oder müssen darauf vertrauen, dass den sagenhaften Reisen des Kaisers Mu der Zhou-Dynastie[36], der die vier Weltgegenden erstmals bereist haben soll, ein historischer Kern unterliegt: Der Kaiser schlägt sich während seiner abenteuerlichen Reisen durch die Sandwüsten im Norden, besteigt den sagenhaften Kunlun-Berg im Westen (der chinesischen Mythologie nach war dies der Berg der Götter, der chinesische Olymp sozusagen), sieht fremde Länder und Sitten und trifft – dies der Höhepunkt der Erzählung – sogar Xiwangmu, die „Mutter des Westens“[37]. Kurz: Wir wissen nur sehr wenig über diese Zeit und müssen uns hier weitestgehend auf Mythen verlassen.
Die ersten gesicherten schriftlichen Nachrichten über den Handel entlang der Seidenstraße betreffen den chinesischen Gesandten Zhang Qian[38] (gest. 113 v. Chr.), der – folgen wir der Beschreibung seiner Reisen im Shiji („Aufzeichnungen des Chronisten“) des chinesischen Historikers Sima Quian[39] – während des 2. Jahrhunderts v. Chr. im Auftrag des Kaisers Wu der Han-Dynastie (er regierte 140-87 v. Chr.) von Chang’an nach Zentralasien gereist sein soll. Der Kaiser hatte gehofft, dass Zhang Qian in dem nomadischen Stamm der Yuezhi, die vor allem im Fergana-Tal, im heutigen Usbekistan, siedelten, einen Verbündeten gegen die Xiongnu (womöglich das Nomadenvolk, das ungefähr in der heutigen Mongolei siedelte und uns unter dem Namen „Hunnen“ bekannt ist[40]) finden würde, die den Chinesen seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. das Leben schwer gemacht hatten.[41] Besonders heikel wurde es für die Chinesen, als Maodun[42] (234-174 v. Chr.) die Stämme der Xiongnu einigen und sich neben den Yuezhi ganz auf die Chinesen konzentrieren konnte, die den Attacken der Xiongnu nur entgehen konnten, indem sie Maodu mit einer chinesesischen Prinzessin verheirateten und ihm jährlich 200.000 Liter Wein, 92.400 Meter Seide und 1.000 Unzen Gold als Tribut zahlten.[43]
Das wird den Han-Kaisern keine große Freude gemacht haben – und es hat auch nicht viel genutzt, da der Sohn Maoduns, ein recht ungemütlicher und wilder Herrscher namens Laosheng, nicht nur die Yuezhi vernichtend schlug und aus der Schädeldecke des Anführers der Yuezhi ein Trinkgefäß gemacht hatte (eine Triumphgeste, die Europäern später auch durch Hunnen und Langobarden vertraut werden sollte), sondern auch die Angriffe auf das chinesische Xinjiang verstärkte. Zu dieser Zeit wurde Zhang Qian als kaiserlicher Gesandter nach Westen geschickt, um mit den Yuezhi womöglich eine Allianz gegen diesen unbequemen gemeinsamen Nachbarn schließen zu können. Leider muss sich die Reise Zhang Qians für ihn jedoch länger als von ihm gewünscht gestaltet haben, da die Xiongnu ihn gefangenen nahmen und ihn mehr als zehn Jahre bei sich behielten. Doch nach ungefähr zehnjähriger Gefangenschaft (während der Zhang Qian dort eine Frau und Kinder hatte) gelang ihm die Flucht, und er setzte seine Reise nach Zentralasien zu den Yuezhi fort, wodurch er bis zum Fergana-Tal und zum Oberlauf des Amudarja gelangte. Zwar kam es nicht zum gewünschten Pakt mit den Yuezhi (die sich lieber nicht mehr mit den Xiongnu anlegen wollten), doch konnte Zhang Qian Nachrichten zurück an den kaiserlichen Hof bringen, die das geographische, ethnographische und politische Wissen der Chinesen über Eurasien erheblich erweiterten und den Weg für weitergehende wirtschaftliche und kulturelle Kontakte der Chinesen mit Zentralasien eröffneten, indem die Armeen des Kaisers Wu die Xiongnu in den nächsten Jahren immer wieder militärisch bedrängten und sie im Jahr 121 v. Chr. aus dem Gansu-Korridor vertrieben – womit der Weg zu den Schätzen der Seidenstraße für die Chinesen frei war, den sie in den folgenden Jahren durch Festungen und Wachtürme ausbauten und bis nach Dunhuang (direkt am Eingang der Wüste von Taklamakan) sicherten.
Zunächst einmal schien Zhang Qian selbst überrascht gewesen zu sein, dass schon vor ihm chinesische Händler und Waren in Zentralasien gewesen sein müssen, da er Kaiser Wu berichten konnte, dass auf den Märkten in Baktrien (dem heutigen nördlichen Teil von Afghanistan) Gegenstände aus Bambus sowie Kleidung aus der tausende von Kilometern entfernten chinesischen Provinz Sichuan verkauft wurden. Außerdem konnte er Kaiser Wu von den legendären „blutschwitzenden“ Pferden des Fergana-Tals berichten, die von den „Pferden des Himmels“ selbst abstammen sollten: um diese Pferde in seinen Besitz zu bringen, sandte Kaiser Wu sogar eine Armee von mehreren tausend Mann bis nach Fergana aus, wodurch er Zentralasien bis nach Sogdien[44] im heutigen Iran – dessen Bewohner bis ins 9. Jahrhundert n. Chr. für ihren Geschäftssinn berühmt waren, sodass die Chinesen von ihnen sagten, dass die Mütter bei den Sogdern „ihren Kindern Zucker zu essen geben, in der Hoffnung, dass ihre Worte später süß würden und ihnen Kleister auf die Handflächen streichen, damit Kostbarkeiten daran haftenblieben“[45] – auf den Wegen der Seidenstraße das erste Mal in der Geschichte Chinas für China öffnete und die Handelswege durch militärische Präsenz in den folgenden Jahren weitestgehend sicher machte. Damit hatte unter Kaiser Wu eine Periode des Handels zwischen China und den Ländern Zentralasiens entlang der Seidenstraße begonnen, die sich bis zum Ende der Han-Dynastie (220 n. Chr.) entfalten sollte. Zu sagen, dass mit Zhang Qian der Handel entlang der Seidenstraße begonnen habe, wäre sicherlich falsch. Aber mit Zhang Qian begann ein verstärkter Handel als Mittel chinesischer Außenpolitik zwischen China und Zentralasien (vor allem mit chinesischer Seide und Pferden), der über Baktrien, Indien und das Partherreich bis nach Rom reichte.
Wie der Handel entlang der Seidenstraße zu dieser Zeit organisiert wurde, wird aus Dokumenten (die auf zusammengebundenen Holzstücken geschrieben waren) ersichtlich, die in Xuanquan, einer Garnison 64 Kilometer östlich von Dunhuang, gefunden wurden.[46]
Da Xuanquan die letzte Station vor Dunhuang war, mussten fast alle Gesandtschaften diesen Außenposten passieren, sowohl, wenn sie nach China kamen, als auch, wenn sie China wieder verließen – was sehr viele waren, da die Dokumente der Han-Zeit mehr als 50 Königtümer in Zentralasien nennen, wobei es sich jedoch häufig eher um Oasenstädte mit einigen tausend Einwohnern als um wirkliche Königreiche handelte. Die meisten dieser Königtümer sandten regelmäßig „Gesandtschaften“ in die Hauptstadt Chinas (Chang’an), um Geschenke zu überreichen und dafür Geschenke entgegenzunehmen, da der Kaiser ungern von „Handel“ sprechen wollte – was es aber natürlich de facto unter der Schirmherrschaft der Chinesen war. Und dieser Handel war gut organisiert: verschiedene der in Xuanquan gefundenen Dokumente listen die Zwischenstopps auf, die jede der Delegationen zwischen Dunhuang und Chang’an zu passieren hatten und denen diese nicht abweichen durften. Bei jedem Halt wurden ihr Reisepass (chin. guosuo) geprüft, wobei streng darauf geachtet wurde, dass weder die Waren, noch die Tiere und Menschen von der in den Papieren genannten Anzahl abwichen. Die Delegationen konnten ganz verschiedene Größen haben: so sandte der König von Khotan zum Beispiel eine Delegation nach China, die aus 1714 Mitgliedern bestand. Typischer waren jedoch kleiner Grupen, wie eine Karawane aus Sogdien im Jahr 52 v. Chr., die aus zwei Gesandten, zehn Aristokraten und einigen anderen Personen bestand, die neun Pferde, 31 Maultiere, 25 Kamele und eine Kuh mit sich führten.[47]
Die Berichte über die Handelsdelegationen sind bemerkenswert detailliert: zum Beispiel wird dort von einem Disput im Jahr 39 v. Chr. berichtet, in dem vier sogdische Gesandte offiziell Protest bei einigen chinesischen Beamten einlegten, da sie für ihre Kamele zu schlecht bezahlt worden seien. Die Chinesen hätten ihnen den Gegenwert für dünne und gelbe Kamele bezahlt, wobei sie jedoch fette, weiße Kamele geliefert hätten. Zudem hätten sie als Gesandte erwartet, dass man sie an jeder Station umsonst aufnähme und bewirtete, stattdessen hätten sie jedoch stets zahlen müssen.[48] Die chinesischen Beamten entschieden zwar, dass die Gesandten gut genug entlohnt worden seien (wobei die Chinesen den Sogdiern deren Kooperation mit ihren erbitterten Feinden, den Xiongnu übel genommen haben mögen), aber dennoch zeigt dieser Bericht nicht nur einen gut organsieren Handel, sondern auch ein zumindest grundsätzlich vorhandenes Vertrauen der Gesandten in die chinesische Bürokratie – auch wenn dieses hier enttäuscht worden sein mag. Valerie Hansen fasst die Situation entlang der östlichen Seidenstraße während der Han-Zeit prägnant zusammen:
„Die Dokumente von Xuanquan zeigen uns eine ganze Welt, eine Welt, die sowohl Oasen am westlichsten Rand von China nahe der heutigen Stadt Kashgar als auch solche jenseits von Chinas heutiger Grenze in Usbekistan, Pakistan und Afghanistan beinhaltet. Die Regenten dieser verschiedenen zentralasiatischen Oasen nahmen an dem systematischen Austausch von diplomatischen Gesandtschaften mit dem chinesischen Kaiser der Han-Dynastie teil, und Gesandte von diesen verschiedenen Punkten reisten regelmäßig entlang der Seidenstraße auf ihrem Weg zur chinesischen Hauptstadt.“[49]
- 2 Der westliche Teil der Seidenstraße
Für den westlichen Teil der Seidenstraße in dieser Zeit sieht die Quellenlage deutlich schlechter aus. Eine der wichtigsten Quellen für die östlichen Teile der Welt jenseits des damaligen Römischen Reiches ist der Periplus Maris Erythraei („Küstenbefahrung des Roten Meeres“), das Buch eines unbekannten Kaufmannes, der in Ägypten lebte und auf Griechisch geschrieben hat. Nachdem darin die verschiedensten Gebiete und Handelsplätze in Nordafrika, der Arabischen Halbinsel und Indien (bis zur Gangesmündung) mit großer Genauigkeit unter den damals wichtigen marktpolitischen Aspekten (was lässt sich wo am besten verkaufen, wieviel ist eine Ware an welchem Ort jeweils wert etc.) beschrieben worden sind (vgl. Abb. 5), schließt der Periplus mit einer Erwähnung der Länder, die jenseits der für die Römer bekannten Welt liegen:
„Nach dieser Gegend [der Gangesmündung, Anm. N. E.] bereits ganz im Norden, indem das äußere [große] Meer an einer Stelle der Seren aufhört, liegt in der Seren Lande eine sehr große Binnenstadt, Thinai [Θῖναι] genannt, von der die serische Seide, Seidengarn und Seidenzeug nach nach Barygaza über Baktra zu Lande gebracht werden und ebenso auch nach Limyrike vermittelst des Ganges. Nach diesem Lande kann man nicht leicht gelangen; denn nur Vereinzelte kommen von ihm, nicht Viele. Es liegt das Land gerade unter dem kleinen Bären und soll die abgewendeten [östlichen] Theile des Pontos [Euxeinos] und des Kaspischen Meeres begrenzen, neben dem der Mäotische See liegt, der sich mit ihm [dem Kaspischen Meere] in den Okeanos ergießt.“[50]
Mit diesem Land der Serer und ihrer Hauptstadt Thina hört für den Verfasser dieser Seeroutenbeschreibung die bewohnbare Welt auf, da die darauf folgenden Gegenden für den Verfasser „entweder wegen der übermäßigen Stürme und sehr großen Eiskälte schwer zugänglich oder auch durch eine überirdische Einwirkung der Götter unerforschlich“ seien.
Dass er mit der Stadt „Thina“ das Land China meinte, ist naheliegend, zumal es im Griechischen (in dem die Beschreibung abgefasst ist) keinen Buchstaben für die Konsonantenverbindung ch gab. Der Verfasser wird die für ihn noch recht fremde Bezeichnung wohl von indischen Händlern haben, da China im Sanskrit „Chee-na“ ausgesprochen wurde, was auch der Ursprung für die englische, französische und deutsche Bezeichnung dieses Landes ist.[51] Viel wusste er freilich nicht über China zu sagen, außer dass in China die im Römischen Reich so begehrte Seide hergestellt wurde, auf deren Herstellung China seit ungefähr 4000 v. Chr. für Jahrtausende ein Monopol haben sollte. Die Legende schreibt diese für China so wichtige Erfindung zwar der Gattin des „gelben Kaisers“ Huang Di namens Xi Ling zu, die die Seidenraupe und ihr Produkt im 3. Jahrtausend v. Chr. zufällig während des Teetrinkens entdeckt haben soll, die Seidenherstellung wird in China jedoch noch ältere Wurzeln haben.[52]
Bei den Römern war Seide (aufgrund ihres Wertes und ihrer Durchsichtigkeit) zwar gerade bei den Damen der Oberschicht äußerst beliebt, allerdings hatten die Römer keine Vorstellung davon, worum es sich dabei eigentlich handelte. So beschreibt Vergil in seinen Georgica[53] die allgemein gängige Vorstellung, dass Seide aus Blättern gewonnen werde, der griechische Geograph und Geschichtsschreiber Strabon[54] meinte, sie werde aus der Rinde bestimmter Bäume in Indien hergestellt, und noch Plinius der Ältere war im 1. Jahrhundert n. Chr. der Ansicht, dass die „Serer den weißen Blattflor der wolletragenden Bäume mit Wasser besprengen und abkämmen“[55]. Durch diese Schriftzeugnisse wird bestätigt, was auch die Abwesenheit archäologischer Funde belegen: dass es keinen direkten Handel zwischen dem Römischen Reich und China gegeben haben wird. So ist in China keine einzige römische Münze gefunden worden – die ersten Münzfunde im Reich der Mitte stammen aus den 530er Jahren und sind byzantinischer Provenienz.[56]
- 3 Zentralasien
Das zeigt, dass gerade den Reichen in Zentralasien für den west-östlichen Austausch von Waren und Ideen ein wichtiger Stellenwert zukam. Zentralasien war schon damals ein kultureller, politischer und ökonomischer Schmelztiegel, der nur allzu oft aus Gewalt und Blut geschmiedet wurde. Als Beispiel kann hier das Reich von Kushan dienen, das von Nachfahren der uns nun schon bekannten Yuezhi gegründet worden war und das während seiner größten Ausdehnung vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis ins 3. Jh. n. Chr. vom Gebiet des heutigen Tadschikistan bis zum Kapsischen Meer und vom heutigen Afghanistan bis hinunter ins Industal reichte. In Kushan haben wir kein homogenes Staatsgebilde vor uns, sondern eine bunte Mischung aus den verschiedensten Kulturen: die Münzen von Kushan waren in griechischer Schrift ebenso geprägt, wie in Kharoshthi (einer Schrift, die in Indien verwendet wurde), man fand dort Bilder griechischer, persischer und hinduistischer Götter ebenso wie Abbilder Buddhas. So verband Kushan China mit Indien, Persien und Rom. Diese Zeit war die klassische Ära der Seidenstraße, als das Mittelmeer, Mesopotamien, Persien, Zentralasien und China von einigen großen Imperien regiert wurden. Denn trotz der Auseinandersetzungen zwischen den Xiongnu und dem Han-Imperium oder zwischen Rom und dem Partherreich – es wird berichtet, dass die seidenen Banner der parthischen Armee in der Schlacht von Carrhae im Jahr 53 v. Chr., die für die Römer vernichtend ausging, die ersten seidenen Gegenstände waren, die die Römer jemals gesehen hatten[57] – regten die Entwicklung von diplomatischen Kontakten und die Ermöglichung von einigermaßen sicheren Transportwegen doch den Handel entlang der Seidenstraße an und führten zu einer Blütezeit der Seidenstraße bis ins 3. Jahrhundert n. Chr.
Mit dem Untergang der Han-Dynastie (220 n. Chr.) und dem zunehmenden Verfall des Römisches Reiches, der auch auf den Druck zentralasiatischer Stämme wie der Hunnen, die in der Literatur zunehmend mit den Xiongnu identifiziert werden, auf die Randbevölkerung des Römischen Reiches wie der Goten zurückzuführen ist, veränderten sich auch die Machtverhältnisse entlang der Seidenstraße, was den Handelsverkehr zunehmend auf Wege um Zentralasien herum auszuweichen zwang. Im Tarim-Becken konnten große und autonome Oasenstädte den Handel aufrecht erhalten, der vor allem von sogdischen Händlern organisiert wurde. Die Herrscher von Kushan blieben bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. einflussreich, bevor der baktrische Teil der Seidenstraße bis ins 6. Jahrhundert hinein von den Hephthaliten[58] übernommen wurde. Die Hephthaliten verpflichteten sogdische Händler, Seide und andere Luxusgüter mit Persien zu handeln, das unter den Sassaniden (224-651 n. Chr.) eine neue Blüte erlebte.
- 4 Verstärkter kultureller Austausch auf der Seidenstraße
Während Europa zunehmend im Chaos der Völkerwanderungszeit versank und auch das Oströmische Reich immer weiter unter den Druck neuzugewanderter Völker und der Araber geriet, die unter der Fahne Mohammeds sowohl das Partherreich wie Syrien, Palästina, Ägypten, Nordafrika und Spanien eroberten, konsolidierte sich China wieder und erreichte unter der Tang-Dynastie (618-907) eine neue Blüte. Ein literarisches Zeugnis des damit verbundenen innerasiatischen Austausches auf der Seidenstraße ist die berühmte Reise nach Westen des buddhistischen Mönches Xuanzang, die der Dichter Wu Cheng’en im 16. Jahrhundert in einem der vier klassischen Romane Chinas nachgestaltet hat, der noch heute in der Alltagskultur Chinas einen wichtigen Platz einnimmt.[59] Die Reisegruppe, mit der sich Xuanzang auf den Weg machte, und die aus dem Affengott Sun Wukong, dem Wasserdrachen Sha Wujing und dem Schweinemenschen Zhu Bajie bestand, ist heute Gegenstand vieler chinesischer Comics, Mangas und Filme. Abgesehen von diesem Niederschlag in der Popkultur brachte der historische Xuanzang zahlreiche buddhistische Schriften von Indien nach China und gilt damit als einer der Begründer des Buddhismus in China, ein Beleg für die enge kulturelle Verpflechtung und das lebendige geistige Leben auf der Seidenstraße im 7. Jahrhundert.[60]
Doch neben der Tang-Dynastie in China entstanden auf der Weltbühne entlang der Seidenstraße andere Imperien, die die Geschichte Zentralasiens entscheidend prägen sollten, auf die hier jedoch nur kursorisch eingegangen werden kann.[61] Im sechsten Jahrhundert n. Chr. wurde der von den Chinesen als „tujue“ bezeichnete Stamm der Kök-Türken das erste Mal erwähnt, der ursprünglich aus dem Altai-Gebirge (zwischen dem heutigen Kasachstan, Sibirien, der Mongolei und China) stammte, jedoch ab 552 n. Chr. schnell andere benachbarte Stämme unter seine Kontrolle bringen konnte und ein Großreich errichtete (552-774 n. Chr.), das in seiner Teilung in ein westliches und ein östliches Khanat zeitweilig von der Mongolei bis nach Baktrien reichte, wo es die Hephtaliten verdrängte und den Seidenhandel entlang der Seidenstraße mit dem Reich der Sassaniden und nach Westen bis zum Kaspischen Meer kontrollierte. Auch wenn das Reich der Stämme der Türken der Tang-Dynastie letztendlich unterliegen sollte, darf ihr Einfluss auf die politischen und ökonomischen Entwicklungen in Eurasien nicht unterschätzt werden, da verschiedene Nachfolgestaaten dieser ethnischen Gruppe (wie das Khanat der Uighuren (744-840 n. Chr.) und der Chasaren (7.-11. Jh. n. Chr.)) ein wichtiger Faktor der Handelsverbindungen entlang der Seidenstraße dieser Zeit waren. Auch die Araber sorgten für eine grundlegende Transformation Zentralasiens, da sie den Islam geographisch und politisch – für die Seidenstraße wichtig – bis weit nach Persien und Sogdien ausdehnten, indem sie vor allem die politischen und staatlichen Strukturen Persiens weitestgehend übernahmen und so ein Staatsgebilde schufen, das sich bereits zur Zeit der Umayyaden (661-750 n. Chr.) von Lissabon bis Samarkand erstrecken sollte.
In dieser Zeit kamen die verschiedenen eurasischen Großreiche miteinander entlang der Seidenstraße in (oft auch militärischen) Kontakt: das Khanat der Kök-Türken und verschiedene türkische Nachfolgestaaten, Byzanz, die Sassaniden und die verschiedenen islamischen Kalifate kämpften in dieser Zeit entlang des westlichen Teils der Seidenstraße um die Vorherrschaft, wogegen der östliche Teil vom China der Tang-Dynastie dominiert wurde, das seinen Einflussbereich in Auseinandersetzungen mit diesen Großmächten in Zentralasien auszudehnen versuchte. Das bekannteste Ereignis dieser Zeit ist die Einnahme und Plünderung Taschkents und die Hinrichtung des Königs durch den chinesischen (er war eigentlich Koreaner) General Ko Sǒnji, was dazu führte, dass der Sohn des unglücklichen Königs in das zu dieser Zeit bereits arabische Samarkand floh und Hilfe erbat, die er auch bekommen sollte: das Ergebnis war die Schlacht am Talas (751 n. Chr.) zwischen chinesischen und islamischen Truppen, die die Chinesen unter Ko Sǒnji verloren. Dieses Ereignis ist in die Geschichte als das erste und letzte Aufeinandertreffen zwischen islamischen und chinesischen Armeen eingegangen, das ein weiteres Vordringen der Chinesen nach Zentralasien für die nächsten Jahrhunderte verhindern sollte. Doch ist dieses Aufeinandertreffen noch aus einem anderen Grund erinnerungswürdig: chinesische Gefangene aus dieser Schlacht sollten in Samarkand die Kunst der Papierherstellung einführen, das sich (dank sogdischer Kaufleute) schnell in der islamischen Welt verbreiten sollte und dadurch auch den Byzantinern und Europäern bekannt wurde.[62]
- 5 Pax mongolica
Das 8. bis 12. Jahrhundert n. Chr. lässt sich für die Seidenstrasse als eine Zeit der Fragmentierung charakterisieren, in der sich verschiedene Reiche und nomadische Stämme resp. deren meist nur kurze Zeit bestehenden Staatsgebilde begegneten und ablösten, was für einen stabilen Handel entlang der Seidenstraße eher negative Auswirkungen hatte. Dass sollte sich ändern, als Dschingis Khan (1162-1227) die verschiedenen Stämme der mongolischen Steppenbewohner einte und für kurze Zeit ein Imperium errichtete, das aufgrund seiner schieren Größe den Handel entlang der Seidenstraße für etwa 100 Jahre so sicher machte, dass nicht nur christliche Missionare wie Johannes Plano di Carpine oder Wilhelm von Rubruck, sondern auch Händler wie Marco Polo oder Francesco Pegolotti sie bereisen und wunderbare Nachrichten aus „dieser anderen Welt“ (so die Worte Wilhelm von Rubrucks[63]) mitbringen konnten. Um eine ungefähre Vorstellung von der Ausdehnung dieses Reiches zu geben: zur Zeit seiner größten Ausdehnung um 1279 erstreckte es sich von China und Korea bis Anatolien, von Persien und Tibet bis Rußland und Ungarn. Wenn wir einen Seitenblick auf die maritime Seidenstraße werfen wollen und das Reich der Mongolen unter maritimen Dimensionen beschreiebn wollen, so reichte es vom Pazifik bis zum Mittelmeer und vom Schwarzen und Roten Meer bis zur Ostsee – es war bis dahin das größte Reich der Weltgeschichte.
Der erste Kontakt zwischen Europa und den Mongolen war kriegerischer Natur. Vor allem Osteuropa hatte unter dem neu entstandenen mongolischen Reich zu leiden, das sein Reich durch Raub, Mord und Totschlag in einer selbst für Europäer ungewohnten Heftigkeit und Unmittelbarkeit ausdehnte. Der Sieg der Mongolen im Jahr 1241 in der Schlacht von Liegnitz rief in Europa ein solches Entsetzen hervor, dass die europäischen Chronisten der Zeit meinten, dass die Tage des Antichrist gekommen seien.[64] Es war purer Zufall, dass die Mongolen sich nach dieser Schlacht wieder zurückgezogen hatten, weil nach dem Tod des damaligen Großkhan Ogotai (Sohn von Dschingis Khan) Nachfolgestreitigkeiten entstanden waren, die eine Expansion der Mongolen erst einmal aufhielten.
- 5. 1 Johannes Plano di Carpine
Diese Vorfälle riefen bei den Europäern erzwungene Wissbegierde hervor: man wollte wissen, um was für ein Volk es sich handelte, das erst wie „die Geißel Gottes“ quasi aus dem Nichts die Ostgrenzen Europas verwüstet hatte und sich dann für Europa ebenso unerklärlich wieder zurückgezogen hatte. Der erste der Missionare, der sich unseres Wissens nach Karakorum, der damaligen Hauptstadt des monglischen Reiches in der heutigen Mongolei, aufmachte, war der Franziskaner Johannes Plano di Carpine, ein Gefährte Franz von Assisis, der schon als Missionar in Tunis und auf der Iberischen Halbinsel Erfahrungen gesammelt hatte. Er brach am Ostertag des Jahres 1245 im Auftrag des Papstes Johannes IV. von Lyon aus auf. Sein Ziel war Informationen zu sammeln und dem Großkhan einen Brief des Papstes zu übergeben, um diplomatische Kontakte mit den Mongolen anzuknüpfen, über die man so wenig wusste, dass man die Hoffnung hatte, dass es sich bei ihnen trotz ihres rüden Auftretens vielleicht doch um das Volk des legendären Priesterkönigs Johannes[65] handeln könnte, von dem man sich seit dem Entstehen dieser Legende im 12. Jahrhundert Hilfe gegen den vorrückenden Islam und für die Sicherung der Kreuzfahrerstaaten an der Levante erhoffte. Von der Ukraine führte der Weg des Missionars zum Don und zur Wolga, durch das Mongolenreich der Goldenen Horde zum Fluss Ural, über die Seidenstraße zu den Dschungarischen Seen (im nordwesten von China) und von dort weiter in das Zentrum des Mongolenreiches (vgl. Abb. 6), wo Johannes Plano di Carpine der Inthronisation des neuen Großkhans Göjük beiwohnte und wahrscheinlich auch besagten Papstbrief übergab. Hierbei muss es dann wohl zu einem Missverständnis gekommen sein, da der Khan den Missionar zwar anhörte, ihn dann aber mit einem Antwortschreiben zurückschickte, das dem Selbstbild der Mongolen entsprechend die unverzügliche Unterwerfung des Papstes und der anderen europäischen Könige verlangte. Als Johannes Plano di Carpine im Jahr 1247 wieder nach Lyon zurückkehrte, konnte er dem Papst daher nicht wirklich gute Nachrichten überbringen, verfasste aber einen Reisebericht, der die ersten ausführlichen Informationen über die Mongolen aus europäischer Sicht enthielt.[66]
Trotz dieses kleinen Rückschlags wollle man die Hoffnung auf ein mögliches Bündnis mit den Mongolen jedoch nicht aufgeben. Nach dem Papst betrat mit dem König Ludwig IX. von Frankreich ein weiterer Interessent an Kontakten mit den Mongolen die politische und diplomatische Bühne.[67] Wie es der damaligen Gewohnheit entsprach, hatte auch Ludwig IX. im Sommer 1248 für einen Kreuzzug gegen den Islam in Südfrankreich ein Schiff bestiegen und mit seinen Truppen auf Zypern Winterquartier genommen. Dort wurde er von Heinrich von Zypern über ein Schreiben unterrichtet, das dieser von seinem Bruder König Hayton von Armenien erhalten habe, der eine Gesandtschaft zum Großkhan Göjük geschickte hatte, die mit der Information zurückgekommen sei, dass das Christentum unter den Mongolen weit verbreitet und der Großkhan selbst Christ geworden sei. Man war begeistert. Verstärkt wurde diese Begeisterung noch, als gegen Jahresende 1248 in Nikosia auf Zypern eine Gesandtschaft der Mongolen des Khans Iltschikadai eintraf, die die Nachricht überbrachte, dass die Christen nicht nur Gleichberechtigung im Reich der Mongolen zu erwarten hätten, sondern dass der Khan selbst zum Christentum übertreten wolle, um ein Bündnis mit dem Kreuzfahrern einzugehen. Daher sandte Ludwig IX. 1249 den Dominikaner Andreas von Longjumeau zu Khan Iltschikadai, der den Gesandten jedoch an den Großkhan Göjük weiterschickte – der unglücklicherweise bereits verstorben war, als die Gesandtschaft ihn erreichte.
- 5. 2 Wilhelm von Rubruck
Doch Ludwig IX. gab nicht auf: am 7. Mai 1253 brach der Franziskaner Wilhelm von Rubruck im Auftrag des Königs von Konstantinopel zum Lager der Goldenen Horde des Khans Sartach in Rußland auf, wo er „Gutes und Schlechtes in allen Dingen“[68] erfahrend zwar ankam, aber es ging ihm hier wie vielen, die unerwünscht und ohne den rechten Nachdruck ein Anliegen haben: er wurde weitergereicht und musste sich direkt auf den Weg zum Großkhan Möngke nach Karakorum machen, den er im April 1254 nach abenteuerlicher Reise und „unbeschreiblichen Qualen an Hunger und Durst, Kälte und Anstrengung“[69] auch erreichte. Freilich war er hier nicht der Erste: Neben nestorianischen Christen traf er auf Europäer, die dort schon länger lebten, etwas den Pariser Goldschmied Wilhelm, der für die Trinkegelage am Hof in Karakorum einen silbernen Baum hergestellt hatte, der vier verschiedene Arten von Alkohol spenden konnte, wie Wilhelm von Rubruck äußerst ausführlich erklärt.[70] Da Wilhelm von Rubruck als Franziskaner an weltlichen Gütern nicht viel Interesse hatte, erfahren wir aus seinem Bericht über Handelsgüter nur weniges, dafür schildert uns Wilhelm mit erstaunlicher Sachkundigkeit aber seine Reiseroute[71]: er diskutiert den Ursprung sowie den Verlauf des Don in das Asowsche Meer, beschreibt die Größe der Wolga und stellt fest, dass sie nicht in das Schwarze Meer, sondern in das Kaspische Meer fließt, das nach Wilhelm, der damit das erste Mal mit einem europäischen Irrtum aufräumente, kein Meer, sondern ein Binnenmeer sei. Neben der Geographie und der Natur interessierten ihn vor allem die Sitten und Gepflogenheiten anderer Völker. Einige von diesen werden bei Rubruck der erste Mal erwähnt, wie zum Beispiel die Uighuren und die Tibeter.
Nach einem halbjährigen Aufenthalt in Karakorum brach Wilhelm von Rubruck wieder in Richtung Heimat auf, die er im Jahr 1255 erreichte. Gute Neuigkeiten konnte auch er freilich nicht mitbringen, erschien ihm doch eine Allianz mit den Mongolen unwahrscheinlich, eine Bekehrung zum Christentum fast unmöglich. Zwar hatte Rubruck am Hof in Karakorum wiederholt vor dem Khan Religionsgespräche in Form von Disputationen mit dortigen Nestorianern, Sarazenen und Buddhisten geführt, allerdings sind diese eher nicht von Erfolg gekrönt gewesen: „Am Ende dieses Gesprächs stimmten die Nestorianer und die Sarazenen laut einen Gesang an, während die Götzendiener stumm blieben. Ein allgemeines Zechgelage bildete den Abschluß.“[72]
Den franziskanischen und dominikanischen Missionaren verdankt Europa einzigartige Zeugnisse über Asien und die Gebiete der Seidenstraße, die, vermittelt durch Chronisten und Gelehrte – etwa durch den Pariser und Oxforder Magister und späteren Franziskaner Roger Bacon, der Teile von Rubrucks Reisebericht 1266 in sein Opus maius aufgenommen hat[73] – das traditionelle Asienbild Europas zusehens revidierten und erweiterten. Und wo Missionare hinkönnen, können Händler folgen. Asien versprach für die europäischen Kaufleute großen Gewinn: dass in Asien entlang der Seidenstraße Seide und Gewürze gehandelt wurden, wusste man spätestens seit Plinius dem Älteren. Warum sich also nicht die hohen Handelszölle der Araber sparen und lieber direkt mit den östlichen Völkern entlang der Seidenstraße lukrativen Handel treiben?
- 5. 3 Europäische Handelsreisende (Marco Polo, Francesco Pegolotti)
Das dachten sich wohl auch die beiden venezianischen Händlerbrüder Niccolò und Maffeo Polo, die sich um 1260 zum Khan der Goldenen Horde an der Wolga aufmachten. Dort angekommen, blieb ihnen aufgrund politischer Veränderungen (der Rückeroberung Konstantinopels durch die Griechen von den Lateinern) nur der Weg nach vorne, der sie bis zu Kublai-Khan nach China führte. Hier wurden sie freundlich aufgenommen, bis sie das Heimweh packte. Der Khan ließ sie mit dem Auftrag ziehen, ihm vom Papst 100 Gelehrte zu schicken, die ihm den christlichen Glauben erklären könnten. Papst Gregor X. war aber wohl von der Botschaft des Khans nicht sehr überzeugt: Er gab ihnen und Niccolòs Sohn Marco Polo nur zwei Dominikanermönche mit, die allerdings aufgrund des drohenden Krieges der Mongolen mit dem Mamelukensultan bald aufgaben. Marco Polos Reisebericht[74], aus dem wir diese Informationen haben, wurde geschrieben, als er selbst wieder zurück in Italien war und als genuesischer Gefangener die Zeit hatte, seiner Erlebnisse seinem Mitgefangenen – und eher für mittelalterliche „Fantasy-Romane“ bekannten – Rustichello da Pisa zu diktieren. Seine Beschreibung der Reichtümer Chinas war demzufolge auch so unglaublich, dass man ihm in Europa nicht so recht glauben wollte: seine Äußerungen über China als eines Landes mit „Millionen von Menschen“, „Millionen von Häusern“ und „Millionen von Reichtümern“ hat dem Bericht auch den Namen „Il Milione“ eingetragen, wonach noch heute ein nettes Hotel und eine Piazza im Herzen Venedigs in der Nähe des Theatro Malibran benannt sind. In seinem Reisebericht beschreibt Marco Polo nicht nur Land und Leute, sondern auch die Handelsgüter und wichtigen Umschlagplätze entlang der Seidenstraße. Die Größe der Märkte, die Reichtümer, die dort gehandelt werden und vor allem die Profite, die dort gemacht werden können, werden detailliert wiedergegeben. Er beschreibt neben den zahlreichen Waren auch das mongolische Post- und Kurierwesen[75] sowie das Papiergeld, das für ihn ein wirkliches Wunder war[76]. Durch welche Provinz des riesigen mongolischen Reiches der Leser auch mit Marco Polo kommt, überall sind so blühende Handelsstädte, in denen die verschiedensten exotischen Waren umgeschlagen werden, jede noch so kleine Stadt strotzt dermaßen vor Gold (bzw. ist, wie die Hauptstadt von Cipangu [Japan] ganz aus purem Gold), Seide und den verschiedensten Gewürzen, dass der Leser in Europa es kaum glauben konnte[77], womit er auch nicht ganz Unrecht hatte, denn zum Beispiel Japan kannte Marco Polo nur vom Hörensagen, ist doch die beabsichtige Invasion der Mongolen nach Japan in Folge eines Hurrikans – den berüchtigten „Kamikaze“, welcher Name im vorigen Jahrhundert eine unheilvolle Wiederauferstehung fand – gescheitert.
Dass die Polos nicht die einzigen waren, die die Sicherheit der pax mongolica zu nutzen wussten, wird an einem weiteren Schriftzeugnis dieser Zeit deutlich, das stellvertretend für die zahlreichen Handelskontakte zwischen Europa und dem fernen China steht, die die Kaufleute in der Regel aufgrund von Geheimhaltung (da Offenheit dem Geschäft abträglich ist) nicht thematisiert haben. Es handelt sich um die practica della mercatura des Florentiner Händlers Francesco Balducci Pegolotti, der neben Listen von entlang der Seidenstraße gebräuchlichen Gewichten, Packungsgrößen, Währungen, Abgaben, Gebühren und Waren auch die Strategien schildert, die ein europäischer Händler kennen musste, wenn er im 14. Jahrhundert nach China reisen wollte:
„Zuerst musst Du Dir einen langen Bart wachsen lassen und ganz auf das Rasieren verzichten. Wenn Du in Tana [einer Stadt nahe der Mündung des Don] Dolmetscher einstellst, solltest Du nicht sparen […] Für den Weg von Tana nach Gittarchan solltest Du Dich mit Proviant für 25 Tage versorgen […] Du kannst davon ausgehen, daß ein Kaufmann, der von einem Dolmetscher und zwei Burschen [begleitet wird] und Waren im Wert von 25.000 Goldflorinen [mit sich führt], auf dem Weg nach Ghattaio [China] zwischen 60 und 80 Silbersommi auszugeben hat. Nicht mehr, wenn er gut wirtschaftet! […] Alles Silber, das die Kaufleute mit sich nach China führen, läßt der dortige Herrscher konfiszieren und seiner Schatzkammer zuführen. Anstelle des mitgebrachten Silbers erhalten sie Geldnoten, d. h. gelbes Papier, welches mit dem Siegel dieses Herrschers versehen ist.“[78]
Die Mongolen legten das Finanzwesen in die Hände von muslimischen Händlern, deren restriktive Steuerpolitik sich freilich oft für sie selbst (noch zur Zeit der Anwesenheit Marco Polos wurde der Finanzminister Achmed Fanakati ermordet, vielleicht weil er die Steuern kurzfristig verdreifacht hatte) wie für die Akzeptanz durch seitens der chinesischen Mehrheitsbevölkerung zerstörerisch auswirkte. So brach kaum 70 Jahre nach Marco Polos Aufenthalt in China bzw. 30 Jahre nach Pegolottis Practica della mercatura die Yüan-Dynastie der Mongolen 1368 zusammen und eine chinesische Dynastie, die Ming-Dynastie, trat die Macht in China an, die unter ihrem zweiten Kaiser die erwähnten Seeexpeditionen unternahmen.
- 6 Nacht über der Seidenstraße
In dieser Zeit kam der Austausch auf der Seidenstraße zwar nicht zum Erliegen, wurde aber schwieriger: sowohl die Pest, die über die Seidenstraße auch nach Europa gelangte, als auch die überaus grausam durchgeführten Eroberungen Timurs (oder Tamerlan, unter welchem Namen er in die Operngeschichte eingegangen ist), eine Verknappung des Edelmetalls und die Klimaabkühlung des
15./16 Jahrhunderts (kleine Zwischeneiszeit) ließen den Austausch zurückgehen.[79]
Timurs oben genannte Eroberungszüge, ihre Verwüstungen und ungewöhnliche aber kalkulierte Grausamkeit – so ließ er zum Beispiel als Zeichen des Triumphes nach der Eroberung Isfahans im Jahr 1387 aus den Schädeln der 70.000 Opfer der Belagerung 28 Türme errichten – schufen zwar kein langfristiges Reich, hatten aber durch die Schwächung der Herrschaften seiner Umgebung langwirkende Folgen: durch die Schwächung der „Goldenen Horde“, durch den Sieg am Terek 1395 konnte sich der Moskauer Großfürst Wassili I. Dmitrijewitsch einer kurzen Zeit der Unabhängigkeit erfreuen, die seine Nachfolger sukzessive vertiefen konnten, bis sich Großfürst Ivan III., der sich erstmals „Zar“ nannte, im Jahr 1480 endgültig von der Mongolenherrschaft befreien konnte. Im Jahr 1487 konnte sich sein Sohn Ivan IV., der „Schreckliche“, nach dem Sieg über die Khanate von Kasan, Astrachan und Sibirien „Zar aller Russen“ sowie „Zar von Kasan, Astrachan und Sibierien“ nennen und mit der „Sammlung des russischen Landes“ beginnen, die schließlich zum größten eurasischen Landstaat gedieh, der von China bis an die Grenzen des Deutschen Reiches und vom Schwarzen Meer bis an die Ostsee reichen sollte (unter anderen Vorzeichen dann bis in die Mitte Europas und an die Grenzen Griechenlands). In diesem Reich wurde Ende des 19. Jahrhunderts mit französischem Geld, auf das die Aktionäre heute noch warten, erstmals eine Eisenbahnstrecke gebaut, die von Moskau und St. Petersburg bis nach Wladiwostok („Beherrsche den Osten“) reicht und über seine Anschlüsse nach Westeuropa den Kontinent verbindet.
Aber hier treten wir in eine neue Zeit mit neuen Partnern ein, was uns jetzt noch häufiger begegnen wird, bis wir zum „Great Game“ des 19. Jahrhunderts kommen, dessen Neuauflagen wir in unserer Zeit schmerzlich erleben müssen, da sich die Denkweisen seit der Zeit der „Goldenen Horde“ weniger verändert haben, als wir es vom Humanitätsfortschritt zu erwarten hofften.
Timurs Urenkel Babur dagegen schlug einen anderen Weg ein und gründete 1526 das Mogulreich in Indien, wo seine Nachfahren dann anderen neueingetretenen Mitspielern begegneten, die den Rest seines Reiches dann 1840 in ihr Empire eingliederten.
- 7 Der Eintritt Europas: die neue maritime „Seidenstraße“
- 7. 1 Portugal und Spanien
Aber vorher noch einmal 400 Jahre zurück in die Zeit Ivans IV. („Grosny“) und der chinesischen Ming-Kaiser. In dieser Zeit, in der der Verkehr auf der Seidenstraße durch die erwähnten Auseinandersetzungen behindert war und die islamische Welt vorübergehend im Chaos zu versinken schien, machte auf der anderen Seite der Seidenstraße Europa, das bisher im Wesentlichen Käufer von Produkten der Seidenstraße war, mit der Renaissance einen gewaltigen Sprung nach vorne und begann, die islamische Welt an innovativer Kraft in den Schatten zu stellen – ein Schatten, aus dem diese bis heute nicht herausgetreten ist. Neues Denken, neue Technik- und Ingenieursleistungen, immer avancierteres militärisches Know-how förderten den Fortschritt in Europa. Getrieben vom Hunger nach Edelsteinen, Schätzen und Gewürzen legten an der äußersten Peripherie Europas 1492 drei kleine Karavellen unter dem „Admiral of the ocean sea“ Christoph Columbus und 1497 (nach langer Vorbereitung bereits unter Heinrich dem Seefahrer ab 1418[80]) unter Vasco da Gama ab – beide mit dem Ziel, einen Weg zu den Schätzen Asiens zu finden. Columbus entdeckte für Spanien statt Indien eine „neue Welt“, Vasco da Gama für Portugal in der Tat den Seeweg nach Indien, womit die Portugiesen mit den Enkeln Timurs in Baburs neu geschaffenem Mogulreich zusammentrafen. In Ausweitung ihrer Handelsunternehmungen gelangten sie 1516 bis in das Reich der Ming-Kaiser, wo sie unter anderem in Macao eine bleibende und noch heute existierende Handelsstation errichteten.
Unterschiedlich war das Herangehen beider neuer Seemächte: während Portugal weniger auf Kolonisation, sondern auf die Errichtung von Handelsstationen entlang seiner „neuen maritimen Seidenstraße“, der sogenannten „Gewürzroute“ von Lissabon bis zu den Molukken (vgl. Abb. 7), setzte, die sich erst im Laufe der Zeit teilweise zu Kolonialbesitz ausweiteten, setzte Spanien von vornherein auf die Inbesitznahme sowohl der neuen Welt als auch später – nach der Überquerung der mittelamerikanischen Landbrücke und seinen Eroberungen in Fernost (Philippinen) – auf Missionierung und Landnahme. Die Nachricht über die dabei von ihnen verwandten Methoden, die Zerstörung aller Zivilisationen, die sie antrafen, ließ ihre Versuche, in Asien Fuß zu fassen (weit gediehen war die Mission in Japan) dann allerdings unter den Tokugawa-Shogunen scheitern, die damit zugleich ihr Inselreich bis zur Meiji-Reform 1861 abschotteten – eine Abschottung, die erst amerikanische Kanonenboote durchbrachen, was sich noch heute in für das europäische Publikum ergreifender Weise in Puccinis Oper „Madame Butterfly“ niederschlägt.
Ein wesentlicher Motor des Handels mit Asien war dabei das Gold und Silber aus der neuen Welt. Das Silber aus den Silbergruben von Potosi strömte sowohl zurück nach Spanien als auch – über Manila – nach Japan und China. Eine zweite Einkommensquelle, die sich die Portugiesen erschlossen, war der Sklavenhandel. Lagos, die Hafenstadt von der Vasco da Gama losgesegelt war, entwickelte sich rasch zu einem Zentrum des Handels mit Sklaven, die aus den afrikanischen Stützpunkten herbeigeschafft wurden.
- 7. 2 Holland und England
Die sagenhaften Gewinne, die auf der „neuen maritimen Seidenstraße“ zu erzielen waren, riefen nun aber bald weitere europäische Mächte auf den Plan, die bisher eher als Regionalmächte in der europäischen Geographie aufgetreten waren: Holland und England, die sich sowohl in religiösem als auch politischem Konflikt insbesondere mit Spanien befanden. Dabei gingen beide Länder neue Wege zur Finanzierung und Durchführung des Handels: sie gründeten Gesellschaften (die „VOP“ in Holland, die „East India Company“ in England), die als Aktiengesellschaften organisiert waren und die privates Kapital für die Ausrüstung von Schiffen und den Ausbau von Handelsstationen einwarben und einsetzten.
Die Holländer verdrängten die Portugiesen aus dem Gewürzhandel und die Spanier aus dem Handel mit Japan. Die „East India Company“ fasste ab 1615 in Indien und ab 1711 in China Fuß und begann in Folge den Seehandel zwischen Indien und China und nach Europa zu dominieren, was in der Zukunft zum Erlöschen des Mogulreiches, der Kolonisierung Indiens durch England (Inthronisierung der Königin Victoria als „Kaiserin von Indien“ 1877) und infolge unter anderem der „Opiumkriege“ zu einer tiefgehenden Krise des chinesischen Kaiserreiches führte, dessen innere Zerissenheit weitere europäische Staaten auf den Plan rief, die zur Teilkolonialisierung chinesischer Territorien und schließlich zum Untergang des Kaiserreiches führte.
Durch die Eröffnung der neuen Seewege war das Trampeltier als Transportmittel auf der alten Seidenstraße durch immer neue und schnellere Schiffe in den Ruhestand versetzt worden. Die einst blühenden Oasen entlang der Seidenstraße wurden zu exotischen Orten, „durch die der Wind hindurchgeht“ und zu Zielen für das Abenteuer suchende Forschungsreisende wie Baron von Richthofen und Sven Hedin, die mit den Schöpfungen der früheren Oasenbewohner europäische Museen füllten.
- 7. 3 Russland und das „Great Game“
Geopolitisch hatte sich der Raum der alten Seidenstraße inzwischen auch entscheidend verändert. Während die Staaten der ehemaligen westlichen Peripherie der Seidenstraße zur See die Welt erobert und ferne Imperien gegründet und verloren hatten, hatten die Nachfahren des Großfürsten von Moskau Wassili I. Dmitrijewitsch den ganzen östlichen Raum bis zum Amur als Grenze zu China inklusive Alaska (das sie dann 1867 an die USA verkauft haben) in Besitz genommen. Das Zarenreich – und später die Sowjetunion – umfasste nun mit Ausnahme des Iran ganz Eurasien. Damit begann das „Great Game“ zwischen Russland und England um den Einfluss an der Grenze zur englischen Kronkolonie Indien, dessen Ende und Folgen heute in Afghanistan unter Beteiligung neuer Mitspieler (von den USA bis Deutschland) noch nicht abzusehen sind. Die früheren Reiche entlang der Seidenstraße sind heute wieder selbstständige Staaten, die für alle gegenwärtigen Großmächte nicht nur geopolitisch von Interesse sind, sondern auch, weil sie über das Hauptschmiermittel und den Treibstoff der modernen Welt verfügen: Öl und Gas.
Auch China, das seit dem 18. Jahrhundert von den europäischen Großmächten inklusive des Zarenreiches und späterhin des modernen Japan unter großen materiellen und menschlichen Verlusten gedemütigt und besetzt worden ist, hat sich von jeder Bevormundung (zuletzt durch die Komintern und später durch die Sowjetunion unter Stalin und Chrustschow) befreit und ist unter Führung der Kommunistischen Partei zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt geworden, die nun nach neuen Absatzwegen sucht und deshalb die „neue Seidenstraße“ sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg ausbaut – nur diesmal in umgekehrter Richtung: die alten Seestützpunkte der europäischen Kolonialmächte Macao und Honkong sind unter chinesischer Hoheit, die Häfen (nur als Beispiele) von Gwadar und Athen werden von chinesichen Konsortien betrieben.
Wie die Zukunft in einer Welt aussehen wird, die weiter von Klimaveränderung und Ölknappheit geprägt sein wird, wissen wir nicht. Gehört sie vielleicht wieder dem ökologisch verträglichen Trampeltier und damit der alten Seidenstraße? Erste Momente der „ewigen Wiederkehr des Gleichen“ kündigen sich bereits an: wie schon im 14. Jahrhundert ist Europa – resp. heute die globalisierte Welt – nicht mehr fähig, alle chinesischen Waren abzunehmen und rückt von seiner ihm so lieben Idee des Freihandels ab. Selbst bei modernster Telekommunikationstechnik wie der des Konzerns „Huawei“ verbieten die USA dessen Einfuhr unter imaginierten sicherheitspolitischen Gründen. Mit der neuen US-Regierung deuten sich neue Restriktionen an.
Wir können nur hoffen, dass die neue Vision Xi Jinpings von einer neuen Seidenstraße auf offene Ohren in einer auf Ausgleich bedachten Welt trifft, damit die Seidenstraße zu einer Straße des Austausches und nicht der Konfrontation wird. Das lässt auch die jüngste „strategische Vision“ des Beraters früherer US-Regierungen Brzezinski hoffen, der angesichts einer veränderten Lage in Asien die angeratene US-Außenpolitik neu definiert:
„Die Vorherrschaft eines einzelnen Staates, egal, wie mächtig er auch ist, ist [in Eurasien, Anm. N.E.] nicht länger möglich. […] Daher sollte das zeitnahe und erforderliche Ziel einer überlegten und auf lange Sicht ausgelegten Politik Amerikas eine breite geopolitische Transeurasische Stabilität sein, die auf einer zunehmenden Verständigung der alten Mächte des Westens und der neuen Mächte des Ostens beruht.“[81]
Die Tore zum Palast des Jadekaisers stehen offen: mit ein wenig gutem Willen könnten alle hindurchgehen und auf eine prosperierende Zukunft hoffen.
[1] Der „Silk Road Strategie Act“ ist abrufbar unter: https://www.govtrack.us/congress/bills/106/hr1152/text [Stand: 02. 03. 2017].
[2] Siehe für weitere Informationen die Internetseite des TRACECA-Projekts: http://www.traceca-org.org/en/home/.
[3] Vgl. das für die amerikanische Aussenpolitik der letzten Jahrzehnte einflussreiche Buch Zbigniew Brzezinskis, der nicht nur Sicherheitsberater Jimmy Carters sondern auch Berater Barack Obamas war: Zbigniew Brzezinski, The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives, New York 1997 [auf deutsch erschienen unter dem Titel: Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Rottenburg 2015].
[4] Vgl. Halford Mackinder, The geographical pivot of history, in: The Geographical Journal 170, 1904, S. 298-321.
[5] So die Formulierung Putins auf dem 4. Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung am 25. November 2010. (Vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/putin-plaedoyer-fuer-wirtschaftsgemeinschaft-von-lissabon-bis-wladiwostok-1.1027908 [Stand: 02. 03. 2017].)
[6] Die Ansicht, dass in Eurasien und im asiatischen Raum die neuen Machtzentren liegen, hat auch Brzezinski in seinem neuesten Buch „Strategic Vision“ deutlich formuliert, indem er eine weitreichende politische Wende vornimmt. Er fordert darin eine umfassende Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik. Sprach er in seinem Buch „Second Chance“ von 2008 noch von der Errichtung einer bipolaren Welt unter Führung der USA, so gesteht er in „Strategic Vision“ die Notwendigkeit für die USA ein, mit Russland, China und Indien zusammenzuarbeiten, da hier die neuen geopolitischen Machtzentren liegen, die Amerika anerkennen muss (vgl. Zbigniew Brzezinski, Second Chance: Three Presidents and the Crisis of American Superpower, New York 2008; ders., Strategic Vision, New York 2012).
[7] Vgl. Fernand Salentiny, Die Gewürzroute. Die Entdeckung des Seewegs nach Asien. Portugals Aufstieg zur ersten europäischen See- und Handelsmacht, Köln 1991; Nikolaus Egel, Die Welt im Übergang. Der diskursive, subjektive und skeptische Charakter der Mappamondo des Fra Mauro, Heidelberg 2014, S. 167-180; dazu auch: Peter Frankopan, Licht aus dem Osten. Eine neue Geschichte der Welt, Berlin 2016, S. 331.
[8] Vgl. dazu z. B. Peter Frankopan, Licht aus dem Osten, a. a. O., S. 270 u. 286 ff. Dort auch weitere Literatur.
[9] Vgl. Zeit online [Stand: 02. 03. 2017]: http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-02/china-deutschland-handel-exporte-import-statistisches-bundesamt.
[10] Vgl. Fa-hsien, A record of Buddhistic kingdoms; being an account by the Chinese Monk Fâ-Hien of his travels in India and Ceylon, A. D. 399-414, hg. u. übers. v. James Legge, Oxford 2886, zitiert nach: Thomas O. Höllmann, Die Seidenstrasse, München 2004, S. 7.
[11] So der Titel der Briefsammlung des toskanischen Kaufmannes Francesco di Marco Datini aus dem 14. Jahrhundert. (Vgl. Iris Origo, Im Namen Gottes und des Geschäfts. Lebensbild eines toskanischen Kaufmanns der Frührenaissance, München 1985.)
[12] Vgl. Poggio Bracciolini, De l`Inde. Les voyages en Asie de Niccolò de’ Conti. De Varietate Fortunae, Livre IV, hg. u. übers. v. Michèle Guéret-Laferté, Turnhout 2004.
[13] Vgl. Nikolaus Egel, Die Welt im Übergang. Der diskursive, subjektive und skeptische Charakter der Mappamondo des Fra Mauro, a. a. O., S. 143.
[14] Schließlich hat Poggio Bracciolini die Fazetien (scherzhafte Kurzgeschichten meist deftigen Inhalts) in die Litteratur des Humanismus eingeführt. Auch an der päpstlichen Kurie wird es also nicht nur ernst zugegangen sein, wenn wir Poggio folgen. Dort beschreibt er das Bugiale, das Lügenstübchen, das sowohl Entstehungs- wie auch Aufführungsort vieler scherzhafter Anekdoten gewesen sei, die er gesammelt habe, und das als officina mendaciorum (Werkstätte der Lügen) von den päpstlichen Sekretären iocandi gratia (um des Spaßes willen) eingerichtet worden sei. (Vgl. Poggio Bracciolini, Facezie, hg. v. Marcello Ciccuto, Mailand 1983, S. 406.)
[15] Vgl. Poggio Bracciolini, De l`Inde. Les voyages en Asie de Niccolò de’ Conti, a. a. O., S. 102.
[16] Vgl. Irene M. Franck u. David M. Brownstone, The Silk Road: A History, New York/Oxford 1986, S. 270 f.
[17] Vgl. Valerie Hansen, The Silk Road. A New History, Oxford 2012, S. 6.
[18] Vgl. zu Ferdinand von Richthofen: Uta Lindgren, Art. „Richthofen, Ferdinand Paul Wilhelm Dieprand Freiherr von“, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 21, Berlin 2003, S. 543 f.; Ute Wardenga, Ferdinand von Richthofen and the development of German geography, in: The Silk Roads. Critical Concepts in Asian Studies, 4 Bde., hg. v. Barbara Meisterernst, New York 2017, Bd. 1: Geography and History: Empires and Countries along the Silk Roads in Past and Present Times, S. 23-38.
[19] Vgl. Ferdinand von Richthofen, China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien, 5 Bde. mit Atlas, Berlin 1877-1911.
[20] Vgl. ebd., Bd. 1: Einleitender Theil, Berlin 1877, S. 500.
[21] Vgl. Valerie Hansen, The Silk Road. A New History, a. a. O., S. 8; vgl. auch: Daniel C. Waugh, „Richthofen’s ‚Silk Roads’: Toward the Archaeology of a Concept“, in: Silk Road 5, 2007, S. 1-10, online verfügbar unter: www.silk-road.com/newsletter/vol5num1/srjournal_v5n1.pdf. – Diese Seite enthält sehr viel Material zur Seidenstraße online.
[22] Vgl. etwa die Broschüre: Turfanforschung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften von 2007, online verfügbar unter: http://turfan.bbaw.de/bilder/Turfan_deutsch_07-Druck.pdf.
[23] Vgl. Albert Herrmann, Die alten Seidenstrassen zwischen China und Syrien, Göttingen 1910.
[24] Vgl. Sven Hedin, Die Seidenstraße, Leipzig 1936.
[25] Sehr viel ausführlicher wird der Verlauf der Seidenstraße beschrieben in: The Silk Road. A History, a. a. O., S. 7-32.
[26] Vgl. Roderich Ptak, Die maritime Seidenstrasse: Küstenräume, Seefahrt und Handel in vorkolonialer Zeit, München 2007.
[27] Vgl. Peter Wieg, Chinesische See-Dschunken, Rostock 1984, S. 10.
[28] Vgl. Marco Polo, Die Wunder der Welt. Die Reise nach China an den Hof des Kublai Khan, hg. u. übers. v. Elise Guignard, Frankfurt a. M./Leipzig 2003.
[29] Vgl. Thomas O. Höllmann, Die Seidenstrasse, a. a. O., S. 25.
[30] Vgl. Peter Wieg, Chinesische See-Dschunken, a. a. O., S. 12.
[31] Siehe Peter Frankopan, Licht aus dem Osten, a. a. O., S. 428.
[32] Vgl. Valerie Hansen, The Silk Road. A New History, a. a. O., S. 13.
[33] Vgl. zu weiteren frühen Kontakten entlang der Seidenstraße: Elena Efimowna Kuzmina, The Prehistory of the Silk Road, hg. v. Victor H. Mair, Philadelphia 2008.
[34] Vgl. J. P. Mallory und Victor H. Mair, Tarim Mummies: Ancient China and the Mystery of the Earliest Peoples from the West, London 2000, S. 179 ff.
[35] Vgl. Monika Motsch, Die chinesische Erzählung. Vom Altertum bis zur Neuzeit, München 2003, S. 41 f.
[36] Vgl. Irene M. Franck u. David M. Brownstone, The Silk Road: A History, a. a. O., S. 33 ff.
[37] Siehe zu dieser legendären Gottheit der Chinesen: Suzanne E. Cahill, Transcendence and divine passion. The Queen Mother of the West in medieval China, Stanford CA 1993.
[38] Eine sehr ausführliche Darstellung der Reise Zhang Qians in: Irene M. Franck u. David M. Brownstone, The Silk Road: A History, a. a. O., S. 91 ff.
[39] Vgl. Sima Qian, Shiji xuan. Aus den Aufzeichnungen des Chronisten, 3 Bde., übers. v. Gregor Kneussel u. Alexander Saechtig, Peking 2016, Kap. 123.
[40] Diese Verbindung ist nicht gesichert, aber wahrscheinlich. Die Bezeichnungen „Xiongnu“ und „Hunnen“ sind phonetisch verwandt. Zudem beschreibt ein sogdischer Brief einen Angriff der Xiongnu im Jahr 316 n. Chr. den Namen der Angreifer als „xwn“ – das heißt als „Hunnen“ (vgl. James A. Millward, The Silk Road. A Very Short Introduction, Oxford 2013, S. 27).
[41] Siehe ausführlich hierzu: Ma Yong u. Sun Yutang, The Western Regions under the hsiung-Nu and the Han, in: The Silk Roads, a. a. O., Bd. 1, S. 57-69; siehe zu grundsätzlicheren Überlegungen zu den Auseinandersetzungen Chinas mit den Nomadenvölkern Zentralasiens: Nicola Di Cosmo, Ancient Inner Asien Nomads. Their economic basis and its significance in Chinese history, in: Silk Roads, a. a. O., S. 374-411.
[42] Siehe zu Maodun: Nicola Di Cosmo, Ancient China and Its Enemies, Cambridge 2002, S. 174 ff.
[43] Vgl. James A. Millward, The Silk Road. A Very Short Introduction, a. a. O., S. 24.
[44] Siehe zu Sogdien: B. I. Marshak u. N. N. Negmatov, Sogdiana, in: The Silk Roads, a. a. O., Bd. 1, S. 170-190.
[45] Vgl. Thomas O. Höllmann, Die Seidenstrasse, a. a. O., S. 67. – Siehe zu den Handelsnetzwerken der Sogder: Richard N. Frye, The merchant world of the Sogdians, in: The Silk Roads, a. a. O., Bd. 3: Famous travellers on the Silk Road: generals, monks, merchants and explorers, S. 1-4.
[46] Vgl. Valerie Hansen, The Silk Road. A New History, a. a. O., S. 15 f.
[47] Vgl. ebd., S. 16 f.
[48] Vgl. ebd., S. 17.
[49] Ebd., S. 17 f. [Übers. N. E.].
[50] Der Periplus des Erythräischen Meeres von einem Unbekannten, griech.-dt., hg. u. übers. v. B. Fabricius, Leipzig 1883, § 64, S. 109 f.
[51] Vgl. Valerie Hansen, The Silk Road. A New History, a. a. O., S. 19.
[52] Vgl. James A. Millward, The Silk Road. A Very Short Introduction, a. a. O., S. 66 f.
[53] Vgl. Vergil, Georgica, lat.-dt., hg. u. übers. v. Otto Schönberger, Stuttgart 1994, II, Z. 120.
[54] Vgl. Strabon, Geographika, 10 Bde., hg. v. Stefan Radt, Göttingen 2002-2011, Bd. 8, XV, 1, 21.
[55] Vgl. Plinius, Naturkunde, lat.-dt., hg. u. übers. v. Roderich König u. a., 32 Bde., München/Zürich 1973-2004, Buch VI, 54.
[56] Vgl. Valerie Hansen, The Silk Road. A New History, a. a. O., S. 20.
[57] Vgl. James A. Millward, The Silk Road. A Very Short Introduction, a. a. O., S. 26.
[58] Siehe zu den Hephthaliten: Franz Altheim, Die Hephthaliten in Iran, Berlin 1960; Boris A. Litvinsky, The Hephthalite Empire, in: The crossroads of civilizations. A.D. 250 to 750, hg. v. Boris A. Litvinsky, Paris 1960.
[59] Vgl. Wu Chengen, Die Reise nach Westen. Ein klassischer chinesischer Roman, übers. u. hg. v. Eva Lüdi Kong, Stuttgart 2016.
[60] Siehe zur Ausbreitung des Buddhismus entlang der Seidenstraße vertiefend: Xinru Liu, A Silk Road legacy: the spread of Buddhism and Islam, in: The Silk Roads, a. a. O., Bd. 2: Religions on the Silk Roads: Buddhism, Manichaeism, Nestorianism and Islam, S. 406 ff.
[61] Ausführlicher zu dieser Zeit mit weiterführender Literatur: Boris A. Litvinsky u. Zhang Guang-da, Central Asia, the Crossroads of Civilizations, in: The Silk Roads, a. a. O., Bd. 1, S. 354-373.
[62] Vgl. James A. Millward, Eurasian Crossroads: A History of Xinjiang, New York 2007, S. 36.
[63] Vgl. Wilhelm von Rubruck, Reisen zum Großkhan der Mongolen. Von Konstantinopel nach Karakorum 1253-1255, hg. v. Hans D. Leicht, Darmstadt 1984, S. 40.
[64] So etwa Matthäus Parisiensis, der die Mongolen mit den legendären Völkern Gog und Magog verglich, die dem Antichrist – und damit dem Ende der Welt – unmittelbar vorausgingen (vgl. Matthäus Parisiensis, Chronica Majora, hg. v. Henry Richards Luard, 7 Bde., Bd. 4, [A.D. 1240-A.D. 1247], London 1877 [Reprint Wiesbaden 1964], S. 76.
[65] Diese Legende eines christlichen und sehr mächtigen Königs im fernen Osten – gleich vor dem Irdischen Paradies gelegen – beflügelte die Phantasie der Europäer bis ins 16. Jahrhundert hinein. Die Legende geht auf eine der folgenreichsten Fälschungen der Geschichte zurück: Im Jahr 1165 tauchte ein Brief an den byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos auf, in dem der angebliche Priesterkönig Johannes sein Reich beschreibt, in dem nahezu alle Legenden der Zeit – von Skiapoden über Edelsteinflüsse bis hin zu sich niemals leerenden Tischen und riesigen Überwachungsspiegeln – vertreten waren. Der Brief wurde so ernst genommen, dass Papst Alexander III. im Jahr 1177 sogar seinen Leibarzt Philippus mit einem Antwortschreiben aussandte – allerdings ohne jemals wieder etwas von Philippus zu hören (siehe ausführlich: Nikolaus Egel, Die Welt im Übergang, a. a. O., S. 307-315).
[66] Vgl. Johannes von Plano Carpini, Kunde von den Mongolen 1245-1247, hg. u. übers. v. Felicitas Schmieder, Sigmaringen 1997.
[67] Ich folge für die Beschreibung dieser Ereignisse: Wilhelm von Rubruck, Reisen zum Großkhan der Mongolen. Von Konstantinopel nach Karakorum 1253-1255, a. a. O., S. 19 ff.
[68] Vgl. ebd., S. 33.
[69] Ebd., S. 98.
[70] Vgl. ebd., S. 162 ff.
[71] Vgl. Nikolaus Egel, Die Welt im Übergang, a. a. O., S. 148 f.
[72] Ebd., S. 192.
[73] Vgl. Michèle Guéret-Laferté, Le voyageur et le géographie: l’insertion de la relation de voyage de Guillaume de Rubrouck dans l’Opus maius de Roger Bacon, in: La géographie au Moyen Age. Espaces pensés, espaces vécus, espaces revés, Perspectives médiévales, Suppl. 24, 1998, S. 81-96; Roger Bacon, Opus maius, hg. u. übers. v. Nikolaus Egel, Hamburg 2017.
[74] Vgl. Marco Polo, Il libro di Messer Marco Polo Cittadino di Venezia detto Milione dove si raccontano Le Meraviglie del Mondo, hg. u. übers. v. Luigi Foscolo Benedetto, Mailand/Rom 1932.
[75] Vgl. ebd., S. 156 ff.
[76] Vgl. ebd., S. 151.
[77] So findet man bspw. in einer toskanischen Marco-Polo-Handschrift aus dem 14. Jahrhundert die Schlussbemerkung des Abschreibers: „Hier endet das Buch von Messer Marco Polo aus Venedig, welches ich, Amelio Bonaguisi, Bürgermeister von Ciereto Guidi, mit eigener Hand abgeschrieben habe, um mir die Zeit und die Schwermut zu vertreiben. Und wenngleich mit einiges unglaublich zu sein scheint, glaube ich nicht, daß das, was er sagt, erlogen ist, sondern vielmehr wunderbar. Vielleicht ist das, wovon er erzählt, auch wahr, aber ich glaube es nicht; freilich finden sich auf der Welt von einem Land zum anderen ziemlich verschiedenartige Dinge.“ (In: Marco Polo, Il Milione. Versione toscana del trecento, hg. v. Valeria Bertolucci Pizzorusso, Mailand 1975, S. 333, zitiert nach: Marina Münkler, Marco Polo. Leben und Legende, München 1998, S. 96 f.)
[78] Francesco Balducci Pegolotti, La pratica delle mercatura, hg. v. Allen Evans, Cambridge/MA 1936, S. 21 f., deutsche Fassung zitiert nach: Thomas O. Höllmann, Die Seidenstrasse, a. a. O., S. 70 f.
[79] Vgl. Peter Frankopan, Licht aus dem Osten, a. a. O., S. 275 ff.
[80] Zu diesen Vorbereitungen und ihren geistigen Kontexten, siehe ausführlich: Nikolaus Egel, Die Welt im Übergang, a. a. O., S. 167 ff.
[81] Vgl. Zbigniew Brzezinski, Strategic Vision, a. a. O., S. 131 [Übers. N. E.].
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