Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften teilt mit, dass sie im Rahmen des European Academies Science Advisory Council (EASAC) gemeinsam mit allen nationalen Wissenschaftsakademien der EU-Mitgliedstaaten eine Stellungnahme zum heute beginnenden Klimagipfel in Kopenhagen abgegeben hat. Diese hat die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften federführend für EASAC erarbeitet. In der Stellungnahme fordern die europäischen Akademien ein weltweites und grundlegendes Umdenken in allen Energiefragen und der Energiepolitik.
Der globale Klimawandel ist ein globaler Energiewandel
Die Weltgemeinschaft steht hinsichtlich eines Energieparadigmas vor einer Herausforderung historischen Ausmaßes. Eine dezidierte und kontrollierte Reduzierung der CO2-Emissionen muss aus mehreren Gründen ein wesentliches Ziel der künftigen globalen Energiepolitik sein, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass die fossilen Öl- und Gasreserven sich immer schneller erschöpfen. Aber nicht nur die Auswirkungen auf das Klima, die durch die Nutzung fossiler Brennstoffe verursacht werden, sind voller Risiken, sondern auch andere ökologische und gesundheitliche Auswirkungen dieses Prozesses. Wir bitten die politischen Entscheidungsträger, die sich in Kopenhagen versammelt haben, folgende Punkte zur Kenntnis zu nehmen:
1. Zeit ist das Wichtigste für die drängenden Änderungen des globalen Energiesystems.
Die Welt ist in den vergangenen 150 Jahren zunehmend durch fossile Brennstoffe mit Strom versorgt worden. Nun muss dieser Trend in einem viel kürzeren Zeitraum rückgängig gemacht werden. Diesen massiven Veränderungen, die sowohl den Einzelnen als auch die Gemeinschaft betreffen, muss gutdurchdacht Rechnung getragen werden. Die politischen Entscheidungen der nächsten Jahre werden sehr große Auswirkungen auf zukünftige Generationen haben.
2. Nachhaltigkeitsanalysen und eine ökologische Wirtschaft sind grundlegende Voraussetzungen für künftiges politisches Denken.
Die Tätigkeiten des Menschen, die Energie benötigen, müssen so entwickelt werden, dass diese Land, Wasser und Luft nicht stark schädigen. Alle zukünftigen Energie-Optionen sollten auf erneuerbaren Treibstoffen und Baumaterialien basieren, die im Prinzip wieder verwertbar oder haltbar sind. Die zukünftigen Herausforderungen können nicht bewältigt werden, indem mehr Energie und mehr Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden, die dann durch ineffiziente Nutzung vergeudet werden. Bemühungen zur Steigerung der Effizienz würden alle anderen Bemühungen um einen Übergang zur schadstofffreien Energieproduktion – unter Berücksichtigung aller Umwelt- und sozialen Auswirkungen – deutlich glaubhafter machen. Bisher ist die Weltwirtschaft nicht bereit gewesen, die Kosten der Ausbeutung von Rohstoffen und die nachteiligen Auswirkungen der Herstellung, Verteilung und des Konsums von Energie auf die Umwelt zu beziffern. Diese Faktoren müssen jedoch einbezogen werden, da Politiker und Unternehmer sich nach ökonomischen Kriterien richten.
3. Agrarproduktion sollte hauptsächlich Nahrungsmitteln dienen, die weltweite Zerstörung von Wäldern vermeiden und die Artenvielfalt bewahren.
Selbst mit diesen Einschränkungen wird eine Menge an Bio-Energie aus Resten und organischem Abfall gewonnen werden können. Die neun bis zehn Billionen Menschen, die im Jahr 2050 als Weltbevölkerung erwartet werden, werden Lebensmittel mit einem Energie-Gehalt von 10.000 Terawattstunden pro Jahr benötigen (2.500 Kilokalorien pro Tag pro Person). Sehr viel mehr Energie wird bereitgestellt werden müssen – heute noch aus fossilen Quellen – um Nahrungsmittel zu produzieren und zu verteilen.
4. Elektrizität wird der Hauptenergieträger der Zukunft sein müssen,
da die meisten nicht-fossilen Energiequellen elektrische Energie abgeben. Elektrizität lässt sich mit 100-prozentiger Effizienz in mechanische Bewegung umsetzen, im Vergleich liegt diese bei Verbrennung nur bei 25 Prozent. Auf diese Weise können wesentliche Einsparungen durch den Austausch von Verbrennungsmotoren mit elektrischen Motoren erreicht werden.
5. Investitionen in Energieforschung und -entwicklung sind außerordentlich wichtig,
wenn wir ein nachhaltiges Energiesystem schaffen wollen, das über die Ära der fossilen Energie hinaus Bestand hat. Aktivitäten auf dem Gebiet der Energie sollten weltweit koordiniert werden, um eine künftige Krise zu vermeiden – technisch weit entwickelte Länder haben hier eine besondere Verantwortung. Es ist wichtig, eine komplette Analyse des Energiesektors und eine realistische Einschätzung des Zeitrahmens, der Kosten, der Umweltfolgen und der Anpassungsfähigkeit der verschiedenen Energiesysteme vorzunehmen. Ein ganz direkter Austausch von Informationen zwischen Politkern und Wissenschaftlern ist außerordentlich wichtig und wird uns dabei helfen, Veränderungen schneller herbeizuführen.
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