Er hätte gut und gern bei Berlioz bleiben können. Aber nein, für den Hünen Valery Gergiev musste es Richard Strauss sein, der den V. Akt von Hector Berlioz` Oper „Les Troyans“ umklammerte – mit „Don Juan“ und „Ein Heldenleben“. Beide Tondichtungen wären durch Berlioz` „Symphonie fantastique“ und „Harold in Italien“ zu ersetzen gewesen – und es wäre beim Helden-Thema geblieben, das sich Gergiev zum Auftakt der seiner zweiten Spielzeit als Chef der Münchner Philharmoniker auserkor. Warum Strauss? Weil Bayerisches nicht fehlen sollte – bei dem (gesangs-solistisch) russischen Überhang? Oder weil der Überhang an Pathos durch Strauss` witzig-selbstironisierende Abrechnung mit seinen Kritikern etwas von der Schwere des Abends eingebüßt hätte?
Das – nein, natürlich wohlweislich: Ein – Heldenleben, das bombastische Opus 40 lässt den Garmischer Komponisten viele seiner eigenen musikalischen Motive zitieren. Heldenhaft, wie er das schaffte! Heldenhaft auch, wie Gergiev seine zu jedem Scherz bereiten und zu dickstem Auftrag, aber auch zu süßesten Sologeigentönen (dank Lorenz Nasturica-Herschcowici) fähigen Philharmoniker dazu animierte, dass das, trotz Gliederung, geballt geladene, immer wieder neu sich (selbst)glorifizierende Klanggemälde so unterhaltsam zu präsentieren, dass am Ende (schon 22.45 Uhr!) noch erklecklicher Beifall zu hören war.
Das nach dem einleitenden „Don Juan“-Gewitter mit hohem Anteil an weltzugewandten Liebesschwüren des sagenhaften „Weiberhelden“ in den Fokus gestellte Werk, das Berlioz als Bewunderer der Antike zeigt, wird höchst selten auf die Opernbühne gebracht. Zuletzt wagten es in München mit unerwartet großem Erfolg vor 15 Jahren Zubin Mehta und Graham Vick. Hätte man nur das Programmbuch von damals ins Gergiev-Konzert mitgenommen – man wäre nicht so armselig dagesessen und hätte gewusst, wovon vorne (fünf Solisten) und hinten (der mächtig aufdrehende und sogar Solostimmen einbringende Philharmonische Chor unter Andreas Herrmann) gesungen wurde. Ein eklatantes Manko, dass dem Zuhörer das Libretto des Schlussaktes von „Les Troyens“ vorenthalten wurde.
Den Mangel beklagend, kann nur gesagt werden, dass aus dem gut besetzten Mariinsky-Solo-Quintett (mit Sergej Semishkur als Énée, Yekaterina Krapivina als Anna, Evgeny Akhmedov als Hylas und dem Bass Yuri Vorobiev) die Karthago-Königin Didon der glutvoll ihren hochdramatischen Mezzo verströmenden Yulia Matochkina (Foto) herausragte. Eine schöne Frau im herben Liebesschmerz! In ihrer Weltentsagung – das Feuer des Scheiterhaufens, auf dem sie ihr Leben aus enttäuschter Liebe ließ, ließ Gergiev förmlich prasseln – war diese Sängerin einsame Spitze.
Die kraftstrotzende Saison-Eröffnung wurde vom französischen TV-Sender „Mezzo“ aufgezeichnet. Hoffentlich richteten sich die vier Kameras nicht auch auf die relativ vielen leeren Reihen der Gasteig-Philharmonie. In Frankreich (und wo immer die Sendung des Kanals „Mezzo“ gesehen wird) bekäme man ein falsches Bild des überragenden München-eigenen Orchesters.
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