Da hat man den Lift ins 2. Obergeschoß genommen, geht durch eine hohe, schwere Türe und fühlt sich erst mal mies. Düster, ungemütlich. Zeichenblock-große Blätter, schwarz bemalt, liegen in einer Vitrine dicht nebeneinander. Überall drei „Mannschkerl“ drauf. Tragen Anzug und Zylinder. Das gleiche Trio an den grau gestrichenen Wänden auf größeren Blättern an den Wänden. „A Muslim, a Christian and a Jew“ steht auf jedem Blatt. Seltsam. Am besten Platz nehmen auf der Sitzbank.
Ach – da zeichnet ein baumlanger Mann mit schwarzem Pinsel an die Wand! Er ist Linkshänder. Nicht echt vorhanden, nur eine Video-Aufnahme. Der Mann mit Glatze und Fünftagebart ist auf eine Aluleiter geklettert. Streckt sich. Fängt oben an zu zeichnen, nach der Art: Wer weiß, was daraus wird? Mal sehen. Nach wenigen Strichen: wieder die drei „Mannschkerl“. Wieder die Aufschrift. So viel Englisch kann jeder: Ein Muslim, ein Christ und ein Jude. Was schreibt der Typ dazu? „Knocking on Heaven`s Door“? Die drei „Mannschkerl“, die sich verblüffend ähnlich sehen, klopfen an die Himmelstür. Den Himmel deutet der Zeichner nur an: dickes Wolken-Band. Die drei Männer sind sich einig, wollen in den Himmel. Helfen zusammen. Einer stellt sich, auf einen Spazierstock gestützt, auf einem Hügel auf, ein zweiter sitzt ihm auf den Schultern, der letzte klopft mit dem Stecken an die Himmelstür. Wer weiß, ob sie Einlass finden? Der Zeichner ist schon weg. Malt ein neues Bild.
Weiter zuschauen oder lieber an die Blätter in der Vitrine und an den Wänden? Mal lesen, was zum Verständnis verhilft! Der Zeichner: Eran Shakine. Jahrgang 1962. Israeli. Lebt in Tel Aviv. Sohn eines französischen und eine ungarischen Schoa-Überlebenden. Sagt: „Wenn man all das entfernt, was wir nutzen, um uns voneinander abzugrenzen, haben wir alle das gleiche Grundbedürfnis: glücklich zu sein.“ Glücklich, wenn wir durch die Himmelstür, in den Himmel kommen?
Schon sind wir ins Fragen geraten. Und kriegen, zur Antwort, immer neue Bilder. Auf jedem die drei „Mannschkerl“. Vertreter dreier Weltreligionen: Islam, Christentum, Judentum. Gibt`s Unterschiede? Ja. Aber auch Gemeinsamkeiten. Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede? Ja. Jetzt geht`s an die anderen Geschichten, die Eran Shakine ausgebreitet hat, alle auf dieselbe Art. Alle mit den drei „Mannschkerl“. „Auf der Suche nach den gemeinsamen Ursprüngen ihrer Religion geraten sie in alltägliche und absurde Situationen“, heißt es auf dem Folder von der Kassenfrau.
Die „scheinbar flüchtig gezeichneten Bildgeschichten“ vermögen es, auf schlichte, hintergründige, stets mit Augenzwinkern wahrgenommene Art, den Betrachter zu verblüffen, aber ihm auch zu sagen: Das Leben, das wir suchen, und das Ende des Lebens, dem keiner entkommt, verbindet uns. Vor allem eins: die Suche nach Liebe. Auch wenn uns undefinierbare Mächte bedrohen, die uns das Suchen schwer machen – wir sollen uns nicht entmutigen lassen. Eine der wenigen farbigen, zugleich stärksten Arbeiten Shakines von 2017 (s. Foto) weist vehement darauf hin.
Die in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Berlin entstandene Ausstellung ist bis 21. Oktober zu sehen. Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr.
Foto (Hans Gärtner)
Eran Shakine: Ein Muslim, ein Christ und ein Jude fürchten sich nicht vor irgendwelchen Monstern. Acryl auf Leinwand. 2017.