„Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott – ob er es weiß oder nicht“, lautet eines der bekannten Zitate der heiligen Edith Stein, die nicht zuletzt durch ihr eigenes Leben und ihr umfangreiches schriftstellerisches Werk stets selbst auf der Suche nach der Wahrheit gewesen ist. „Sie ist uns geschenkt worden für unseren Weg durch das dritte Jahrtausend und unserer Suche nach Wahrheit“, stellt ebenso schlicht wie treffend Schwester Ancilla Wißling fest. Ein wunderbarer Ort für diese Suche ist jetzt im Kloster Karmel Maria vom Frieden in Köln entstanden, dem Schwester Ancilla als Priorin vorsteht: das erweiterte Edith-Stein-Archiv. Nach rund 16 Monaten Bauzeit wurden die Räumlichkeiten eingeweiht. Mit ihren warmen Holzfarben, dem schrägen Dach sowie den Licht durchfluteten Fenstern strahlen sie den inspirierenden Geist einer behaglichen Studierstube unter der wohltuend unauffälligen Einbeziehung aller technisch relevanten Möglichkeiten aus.
Damit ist nicht nur die bauliche Voraussetzung für die sachgerechte Lagerung von rund 25000 Blättern aus dem handschriftlichen Nachlass der 1942 in Auschwitz ermordeten Karmelitin jüdischen Ursprungs geschaffen worden. Mehr noch: Nach der technisch aufwendigen Bearbeitung des zum Teil schwer beschädigten Nachlasses, der auf abenteuerliche Weise in den 1990er Jahren in den Kölner Karmel gelangte, ist es mit Hilfe eines Großscanners gelungen, alle Seiten zu digitalisieren und nun der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor allem nach derHeiligsprechung im Jahr 1998 sowie ihrer Erhebung zu einer Patronin Europas im Jahr darauf haben das wissenschaftliche Interesse an der 1891 in Breslau geborenen Nonne entscheidend befördert und den Konvent veranlasst, für die Begegnung mit dem Leben und dem Studium des geistlichen Werks von Edith Stein geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Dies war wohl auch eines der Motive der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, um das Edith-Stein-Archiv mit einem namhaften Betrag zu fördern. „Die Stiftung will Kultur fördern, aber sie verbindet damit zudem einen sozialen Zweck, denn es geht auch um die Zugänglichkeit von Kultur und dadurch um den Aufbau sozialer Netzwerke“, betonte Stiftungsvorstand ProfessorBarbara Schock-Werner in ihrer Rede bei der Einweihung des Archivs. Zahlreiche Vertreter aus Kirche und Gesellschaft bildeten bereits ein solches Netzwerk, als sie in die Klosterkirche gekommen waren und sich nach dem Festakt von der Attraktivität und einladenden Atmosphäre der neuen Räume überzeugten. Im Mittelpunkt steht dabei ein Lesesaal, in dem das Schaffen der Philosophin und Märtyrerin erfasst und „in einem lebendigen intellektuellen Austausch in Verbindung mit der Spiritualität des Karmels spürbar werden soll“, so die Archivleiterin, Schwester Antonia Sondermann. Diese Spiritualität wird nicht zuletzt durch die Authentizität des Ortes besonders spürbar. Edith Stein lebte von 1933 bis zu ihrer politisch bedingten Übersiedlung in die Niederlande im Jahr 1938 in Köln. In ihrem Testament bat sie Gott unter anderem um die „Heiligung und Vollendung unseres heiligen Ordens, namentlich des Kölner Karmels“.
Das Testament der Ordensfrau mit dem Namen Teresia Bendicta a Cruce war auch Ausgangspunkt des Festvortrags von Andreas Uwe Müller. Der Fundamentaltheologe der Universität Fribourg erinnerte an die „lebendige Gegenwart und unaufdringliche Heiligkeit“ von Edith Stein. Er stellte aber auch klar, dass sich lebendige Erinnerung, aus der heraus auch jeder selbst aufgerufen ist, sein Leben zu gestalten, nicht mit einem Archiv und dem Aufsammeln von Überresten füllen lässt, „sondern von einem Funken, der in unsere Herzen fällt“. Mit ihrem Lebenszeugnis und ihren Werken habe Edith Stein Wegweisendes zur Sprache gebracht. Nun gelte es, diese Überzeugung weiterzugeben. Durch das Archiv sei es möglich, „dass Edith Stein über ihre hier aufbewahrten Handschriften und Zeugnisse selbst zu uns spricht“
In diesem Sinne die Person und das umfangreiche Schaffen von Edith Stein auch für die Kirche und die Verkündigung fruchtbar zu machen, ist auch eine der Intentionen, die Kölns Generalvikar Dominik Schwaderlapp mit dem Archiv verbindet. Er wies aber darüber hinaus vor dem Hintergrund der Ermordung im Konzentrationslager auf einen anderen bemerkenswerten Aspekt hin: „So wird das Archiv auch eine Gedenkstätte für die konkrete irdische Existenz von Edith Stein.“
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