Es ist ein kühner Plan und er war bisher nur als Science-Fiction denkbar: die Vereinigten Staaten von Amerika wollen eine Streitmacht für den Weltraum aufbauen. Die Order kam jetzt direkt aus dem Weißen Haus:
US-Präsident Donald J. Trump wies sein Verteidigungsministerium an, „unverzüglich“ mit den Vorbereitungen für eine Waffengattung zu beginnen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. „Der Präsident weiß, dass der Weltraum wesentlich für den amerikanischen Lebensstil und für wirtschaftlichen Wohlstand ist und dass er ein lebensnotwendiger Bereich der nationalen Verteidigung ist,“ ließ Trump mitteilen. Die Space Force solle neben Heer, Luftwaffe, Marine, Küstenwache und Marineinfanteriekorps die sechste Teilstreitkraft der USA werden.
Damit nimmt eines der ehrgeizigsten Militärprojekte in der Menschheitsgeschichte seinen Lauf – wenn das zustimmungspflichtige US-Abgeordnetenhaus „Yes“ sagt. Dort ist eine heftige Debatte um Trumps militärisch hochfliegenden Pläne entbrannt. Neben patriotischen Jublern, die das Konjunkturprogramm für die Raumfahrtindustrie begrüßen, gibt es in Washington eine Menge Kritiker. Dazu gehört Fox Deborah Lee James, unter Präsident Barack Obama die administrative Leiterin über die 660.000 Angehörigen der US-Luftstreitkräfte. James und andere befürchten exorbitante Kosten, Einschränkungen für die herkömmliche Air Force und noch mehr Bürokratie beim Militär.
Erwartungsgemäß wenig begeistert zeigt sich Russland: „Militarisierung im Weltraum ist ein Weg ins Desaster,“ sagt Generaloberst Wiktor Bondarew, der bis September 2017 Oberkommandierender der russischen Luft- und Weltraumkräfte war und nun dem Verteidigungsausschuss der Duma vorsteht. Schließlich bestehe ein weltweites Verbot für Atomwaffen im All. Kein Wort aus Moskau jedoch dazu, dass der Kreml wie China und die USA längst atomar bestückbare Gleitfluggeräte mit Hyperschallgeschwindigkeit testet, die derzeitige Abwehrsysteme überlisten können, weil diese zu langsam sind.
Das Trump-Lager warnt vor einem technologischen Rückstand der USA. „Aggressive Feinde“, wie China und Russland, hätten ja längst Technologie zum Abschuss von Satelliten getestet. „Die Zeit ist reif, um das nächste großartige Kapitel in der Geschichte unserer Streitkräfte zu schreiben und uns auf das nächste Schlachtfeld vorzubereiten,“ sagt Mike Pence, der US-Vizepräsident, und kalkuliert erste Kosten in Höhe von acht Milliarden US-Dollar über fünf Jahre verteilt ein.
Unbestreitbar ist: 56 Jahre nach US-Präsident John F. Kennedys (Foto rechts) Startschuss für die Eroberung des Weltraums ist der Kosmos längst Militärgebiet. Neben den Supermächten unternehmen etwa Japan und Indien enorme Anstrengungen, im Universum allerlei Waffen- und Aufklärungssysteme zu stationieren. Brasilien arbeitet nach Expertenansicht mit Israel bei der Entwicklung eigener Raketen zur Beförderung hochauflösender Spionagesatelliten zusammen.
Das militärische Denken Europas, das schon Probleme beim Zusammenwachsen der 28 konventionellen EU-Armeen hat, ist unterdessen noch äußerst erdverbunden. Zwar ist die Europäische Union mit eigenen Raketen und Satelliten, die bei der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) koordiniert werden, forscherisch außerordentlich erfolgreich. Dazu zählt der Aufbau des eigenen Navigationssystems Galileo, welches das vom US-Militär kontrollierte GPS ablösen soll. Galileo umfasst auch verschlüsselte Nutzungen für Polizei, Rettungsdienste, Zoll und Militär.
Galileo, das finanziell intensivste Großprojekt der EU, hat aber nichts mit Weltraumwaffen zu tun. Ebenso wenig wie bestehende militärische Kooperationen etwa zwischen Frankreich und Deutschland bei Spionagesatelliten. Dabei dreht es sich höchstens um den Umgang mit digitalen Attacken, wie das Hacken von Satelliten sowie deren Blindmachen, Überlisten und Lahmlegen – nicht aber um deren Vernichtung.
Nach der Ankündigung Trumps, eine Space Force aufbauen zu wollen, wurde der Plan im Internet umgehend durch den Kakao gezogen. Nach „America First!“ käme nun also „Make The Galaxy Great Again!“, witzelte jemand auf Twitter. Doch das Weiße Haus meint es ernst und macht unmissverständlich klar, wem der Weltraum künftig gehören soll. Trump-Vize Pence: „Es ist nicht genug, nur eine amerikanische Präsenz im Weltraum zu haben. Wir müssen die Dominanz der USA erreichen. Und das werden wir.“
Doch bevor die Space Force von der Fiction zur Realität werden kann, wird noch viel Wasser den Mississippi herunterfließen. Eine neue Streitmacht baut man nicht über Nacht auf. Allein die vom Weißen Haus definierten Vorarbeiten sind enorm:
Beschleunigung bei der Entwicklung von Weltraumtechnologie,
Gründung einer Weltraumagentur,
Aufstellung einer hochqualifizierten Weltraumoperationstruppe,
Aufbau von Operationsstrukturen und ziviler Kontrollmechanismen,
Einsetzen eines US-Oberkommandos für Konflikte im All.
Die To-do-Liste zeigt: Kein Mensch hat bislang präzise berechnet, welche Kosten bis zum Mobilsein tatsächlich erforderlich sind, wie viel Personal nötig ist, ob man bestehende Einheiten zusammenfügen kann oder ob gänzlich neue Weltraumkrieger rekrutiert werden müssen. Todd Harrison, Direktor der unabhängigen Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS), glaubt gar, eine Space Force brauche gar keine Soldaten ins All schicken: „Es dreht sich alles um unbemannte, ferngesteuerte Satelliten. Alle Krieger werden auf der Erde bleiben. Nur die Operationen (activities, d.A.) verlagern sich in den Weltraum.“
Eines ist klar: ob bemannt oder unbemannt – der Kosmos kann künftig zum Aufmarschgebiet und zur Kampfzone werden. Europa sollte sich daher rasch mit dem Gedanken befassen, was es bedeutet, wenn der Raum zwischen den Galaxien zum Aufmarschgebiet wird. Überspitzt gesagt: wir alle wollen nicht eines Tages wie im Science-Fiction-Film „Elysium“ als reine Arbeitstiere auf einer kaputten Erde enden, die aus einer sicheren Raumstation für privilegierte Reiche heraus regiert werden. Mal drüber nachdenken…?!