Dominique Boudet (Hrsg.): Wohngenossenschaften in Zürich

Treppenhaus, Foto: Stefan Groß

Dominique Boudet (Hrsg.): Wohngenossenschaften in Zürich, Park Books, Zürich 2018, ISBN: 978-3-03860-041-1, 68 EURO

 

Wohngenossenschaften haben in der Schweiz und insbesondere in Zürich eine lange Tradition. Dieses Buch gibt erstmals einen umfassenden Überblick über genossenschaftliches Bauen und Wohnen in Zürich. Illustriert mit zahlreichen Abbildungen und Plänen, stellt es rund 50 Projekte im Detail vor. Darüber hinaus erläutern beteiligte Architekten ihre jeweilige Intention im Gespräch. Patrick Gmür stellt fest: „Bei den Genossenschaften ist auch interessant, dass sie sich sozial engagieren und einen guten sozialen Mix gewährleisten. Zürich will – und das ist im Übrigen eines der großen Politikziele – eine Stadt für alle bleiben.“ (S. 28)

Die Mitgliedschaft ist etwas zwischen Miete und Eigentum: „Die Genossenschaftsmitglieder kaufen ihre Wohnung nicht, sind aber durch ihr Anteilscheinkapital Mitbesitzer und haben ein Mitspracherecht. Man spricht in diesem Zusammenhang den genossenschaftlichen Wohnen auch vom ‚dritten Weg‘ zwischen Miete und Eigentum.“ (S. 245)

Die ersten Wohnungsgenossenschaften entstanden als Folge der schlechten Wohnbedingungen nach 1860 und besonders ab 1890 bis zum 1. Weltkrieg in den Städten Basel, Bern, Biel, Zürich, Winterthur und St. Gallen. Es folgten ab 1910 die ersten, von den Bundesbetrieben unterstützten Eisenbahnergenossenschaften. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Wohnungsnot derart groß, dass viele Städte, Kantone und auch der Bund eine aktive Wohnbauförderung betrieben.

Ab 1980 gründeten sich zahlreiche neue Wohngenossenschaften mit Selbstverwaltungscharakter. Ihr Wohnungsbestand fällt zahlenmäßig wenig ins Gewicht, doch gaben sie der traditionellen Art wichtige Impulse. Der Marktanteil der Wohngenossenschaften ist landesweit jedoch im Sinken begriffen, mit Ausnahme der Stadt und des Großraums Zürich. Dort sind traditionelle wie neuere Wohngenossenschaften weiterhin sehr aktiv in der Erneuerung ihrer Bestände und im Bau neuer Siedlungen, häufig in Partnerschaft mit den Stadtbehörden. Die Neubauten werden meistens in Architekturwettbewerben ermittelt und verwirklichen in verschiedener Hinsicht innovative Ansätze. Die meisten genossenschaftlichen Siedlungen entstanden mit direkter oder indirekter Unterstützung durch die öffentliche Hand. Sie sind auch nach Auslaufen dieser Unterstützungen, dank dem Prinzip der Gemeinnützigkeit, weiterhin preisgünstig und erfüllen wichtige gesellschaftspolitische Funktionen (soziale und kulturelle Integration, Stärkung der Zivilgesellschaft). I

In der Gegenwart gibt es über 120 Wohnbaugenossenschaften in Zürich mit über 40.000 Wohnungen, die im Durchschnitt 20%-30% günstiger als andere Mietswohnungen in der Stadt. Die Bereitstellung von preisgünstigen und sozialen Wohnen ist ein Vorbild für andere Städte gerade in Zeiten von steigenden Mieten, Gentrifizierung und Spekulantentum. Die hier vorgestellten Projekte können zwar nicht eins zu eins umgesetzt werden, sind jedoch eine Blaupause, wie genossenschaftliches Wohnen durch das Wirken verschiedener Akteure funktioniert.

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Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.