Die zwei Gesichter der EU bei der Anerkennung der Unabhängigkeit neuer Staaten.

Flagge von Spanien, Foto: Stefan Groß

Die Katalonien-Krise offenbart, wie widersprüchlich die EU mit Unabhängigkeitsbestrebungen umgeht. Während der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach dem Brexit eine mögliche Abtrennung Schottlands von Großbritannien befürwortet, spricht er sich im Fall Kataloniens für das genaue Gegenteil aus. Hier wird deutlich: Die EU verfolgt rücksichtslos das Ziel, ihre Machtstrukturen zu festigen und ihre Einflusssphäre zu erweitern.

Mit welch fadenscheinigen Argumenten diese Ziele verfolgt werden, belegt das Agieren Junckers in der Katalonien-Krise. Kurz nach dem Brexit empfing Juncker schottische Regierungsmitglieder in Brüssel, nachdem diese den Wunsch geäußert hatten, in der EU bleiben zu wollen. Er machte bei dem Treffen deutlich, dass er eine Abtrennung Schottlands von Großbritannien sowie seine Aufnahme in die EU befürworten würde. Nur wenige Monate später ließ derselbe Juncker die Katalanen mit ihrem Wunsch nach Selbständigkeit im Regen stehen. Tagelang ließ er die Hilferufe der Regionalregierung aus Barcelona nach einer Vermittlung bei den zum Teil von Gewalttätigkeiten begleiteten Auseinandersetzungen mit Madrid unbeantwortet. Anschließend drohte Juncker den Katalanen sogar, bei der Erlangung ihrer Unabhängigkeit würden sie aus der EU und der Euro-Zone ausscheiden.

Juncker widerspricht sich selbst

Dabei bediente sich Juncker einer sonderbaren Argumentation: Er begründe seine Absage an eine Unabhängigkeitsbestrebung der 7,5 Millionen Katalanen damit, dass ein weiterer Staat für die EU eine Belastung wäre. Wörtlich sagte Juncker, er wolle „keine Europäische Union, die in 15 Jahren aus 98 Staaten bestehe, denn es ist mit 28 schon schwierig genug“. Der Kommissionschef widerspricht sich damit in zentralen Fragen selbst. Wenn ihm die EU mit 28 Mitgliedsstaaten bereits zu groß ist, dann dürfte er konsequenterweise nicht die Schotten in die EU einladen und schon gar nicht die Aufnahme der Türkei in die EU forcieren. Nach dieser Logik dürfte er nämlich keine weiteren Beitrittsgespräche führen.

Mal so, mal so – die imperiale Strategie der EU

Das eigenmächtige Handeln und Vorpreschen bei der Anerkennungen neuer Staaten wurde besonders deutlich im Fall von Slowenien und Kroatien. Diese beiden Länder wurden bereits am 23.12.1991 durch Deutschland anerkannt. Nur drei Wochen später folgten weitere EG-Staaten nach. Offenbar lag es vor allem im deutschen Interesse, die beiden Länder aus dem Einflussbereich Belgrads herauszulösen. Die Zerschlagung eines bevölkerungsreichen Staatengebildes, welches über Jahrzehnte eine eigenständige Politik verfolgt hatte, war hierbei ein gerne in Kauf genommener Nebeneffekt.

Ein weiterer Schlag gegen die Serben erfolgte im Jahr 2008. Damals wurde das Kosovo von der EU anerkannt und damit die Verletzung territorialer Integrität Serbiens in Kauf genommen.

Auf der anderen Seite versagte die EU Transnistrien, Abchasien und Südossetien die Anerkennung. Die proklamierten Sezessionen wurden nicht als solche anerkannt, sondern – wie beispielsweise im US-»Ukraine Freedom Support Act (UFSA)« von 2014-, als »Destabilisierung und Invasion der Ukraine wie anderer unschuldiger Staaten in Zentral- und Osteuropa, in Kaukasus und Zentralasien« charakterisiert.

Serbien: Anerkennung des Kosovo muss rückgängig gemacht werden

Solche Inkohärenz fällt natürlich ins Auge. Die serbische Ministerpräsidentin Bnrabić mahnte, man müsste angesichts der EU-Haltung im Katalonien-Konflikt über die Annullierung der Anerkennung des Kosovo sprechen. Andernfalls würde die EU innerhalb ihrer Grenzen Völkerrecht, außerhalb dessen »besonderes Völkerrecht« gelten lassen. „Die EU ist ganz offensichtlich nicht in der Lage, […] kohärente Konzepte zu entwickeln“, fasst Frau Professor Riedel von der Stiftung Wissenschaft und Politik die Lage zusammen.

Unterdessen bereitet Schottland ein zweites Referendum vor. Norditalien, Wallonien, Flandern und andere Regionen schielen nach Autonomie. Die EU steht vor einer Zerreißprobe.

 

 

 

 

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