Versorgung und Entsorgung, Infrastruktur, Lebensqualität, Energie und Lebensmittel, Mobilität, Wasser und Nahrungsmittel und vieles andere mehr – in keinem anderen Zusammenhang stellen sich die Aspekte des alltäglichen Lebensvollzugs derart verdichtet dar wie im Kontext der Stadt. Dabei werden die Fragen nach der künftigen Ausgestaltung dieser Aspekte immer drängender und die Antworten immer notwendiger, um die ökonomische, soziale und ökologische Ausgewogenheit des menschlichen Zusammenlebens – gerade in den Städten – dauerhaft zu gewährleisten und zu gestalten. Gegenwärtig stellen fast 200 Länder auf der Weltausstellung in Shanghai unter dem Motto „Better City, better Life“ ihre Ansätze und Vorschläge für die aktuellen und kommenden urbanen Herausforderungen vor.
Dabei lässt sich die Schau in China durchaus einreihen in die Jahrtausende alten Überlegungen und Visionen über die ideale Stadt sowie die darin lebende Gesellschaft. Nicht nur das Modell der griechischen Polis ist hier zu erwähnen, sondern auch Werke wie „de civitate Dei“ des heiligen Augustinus (fünftes Jahrhundert) oder etwa der epochale philosophische Dialog über den Inselstaat „Utopia“, den der Heilige und Märtyrer Thomas Morus im Jahr 1516 veröffentlichte. Prominente Beispiele aus der Moderne sind etwa die berühmte Bauhaus-Schule in Dessau, die Errichtung von Brasilia durch Oscar Niemeyer oder auch Stadtplaner wie der Frankfurter Architekt Albert Speer, der gegenwärtig in China neue Großstädte konzipiert sowie einen städtebaulichen Masterplan für die Kölner Innenstadt erarbeitet hat. Und in zehn Jahren soll im Emirat Abu Dhabi mitten in der Wüste die von Norman Foster geplante erste emissionsfreie Stadt der Welt, Masdar City, stehen.
„Zu einer der wichtigsten Aufgaben der Stadtplanung gehört es angesichts von Urbanisierungsdruck und Stadtneugründungen, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit den Menschen in den Städten langfristig nicht nur die notwendige Versorgungssicherheit, sondern eben auch Identität und Individualität gegeben werden kann“, erklärt Albert Speer und ergänzt: „Dabei geht es beispielsweise um flexible Räume oder auch die vitale Mischung verschiedener Funktionen auf engem Raum.“ Nach Ansicht des Baumeisters sei es aber umso wichtiger, dass diese Aspekte von weltweiter Relevanz nachhaltig und in konzentrierten Foren wie beispielsweise der ab Herbst kommenden Jahres stattfindenden Kölner Messeveranstaltung „UrbanTec“ zusammengeführt werden.
Auch Wissenschaft und Forschung sind herausgefordert und befassen sich teilweise schon seit Langem sehr intensiv mit sozialgeographischen und urbanen Entwicklungen. Am Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) an der Universität zu Köln beispielsweise werden diese Fragestellungen und die damit verbundenen Herausforderungen mit erhöhter Aufmerksamkeit beobachtet – schließlich bietet sich die renommierte Einrichtung bezüglich der energieökonomischen Aspekte als kompetenter Ansprechpartner an. Direktor Professor Marc Oliver Bettzüge hofft dabei ebenfalls auf Formate wie die „UrbanTec“: „Gerne unterstütze ich, dass die Konferenz ein bedeutsames Zukunftsthema besetzt, das weltweit von wachsender Bedeutung ist. Auch denke ich, dass Deutschland ein hervorragender Standort ist, da uns ja weltweit eine führende Kompetenz im Bereich Energie- und Umwelttechnik zugesprochen wird.“ Nicht nur in Deutschland warten die Verbraucher mit Spannung auf das neue Energiekonzept der Bundesregierung.
Die herausfordernde These, dass bessere Städte auch besseres Leben bedeuten, wie es beispielsweise die EXPO 2010 präjudiziert, wird darüber hinaus noch beim Blick auf die weltweit zu beobachtenden klimatischen Veränderungen signifikant. Die Zunahme natürlicher Katastrophen wie Dürre oder Überschwemmungen treiben weitere Millionen Menschen in die Städte: Die wachsende Urbanisierung verlangt nach belastbaren und tragfähigen Modellen für die künftige Stadtentwicklung, nach nachhaltigen Konzepten beispielsweise für die Energiebereitstellung- und Versorgung, nach technischen Innovationen für die Ver- und Entsorgung. Eine Plattform hierfür wird die neue Technologiemesse der Koelnmesse ab Herbst 2011 sein.
„Urban Tec: Smart Technologies for better cities“ ist diese exportorientierte Leistungsschau der deutschen und europäischen Industrie überschrieben. In den drei Feldern „Ausstellung“, „Kongress“ sowie „Demonstrationsfeld“ geht es dann um die Darstellung von Technologien und Entwicklungen, die das Leben in bestehenden, wachsenden und neu zur errichtenden Ballungsgebieten, Großstädten und Megacities verbessern sollen. Ihr habt die Städte, wir das Wissen – so lässt sich möglicherweise in verknappter Form das Konzept dieser Messeveranstaltung zusammenfassen, mit der sich die Koelnmesse insbesondere auch an Planer, Unternehmen vor Ort sowie politische und administrative Entscheidungsträger aus führenden Industriestaaten und Schwellenländern wendet, in denen der Urbanisierungsdruck immer größer wird.
Die Koelnmesse erhofft sich natürlich auch deshalb einen Erfolg für diese neue Schau, weil ihr die Thematik der aktuellen Weltausstellung bereits im Vorfeld ein prominentes internationales Forum schafft. Eigentlich sind die Themen des Messemarktes ausgereizt, der Wettbewerb- zumal in Deutschland, weltweit nach wie vor als Messestandort führend – besteht oftmals vor allem darin, sich die ökonomisch bedeutenden Messeveranstaltungen gegenseitig abzuwerben. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, das existenzielle Thema der urbanen Herausforderungen sowie die Suche nach der „Stadt im Gleichgewicht“ (Motto des deutschen Pavillons in Shanghai) in ein Messeformat zu kleiden., wie allein schon einige Zahlen unterstreichen: Lebten Anfang des 19. Jahrhunderts noch etwa 97 Prozent der Menschen auf dem land, so sind es heute mehr als die Hälfte, die in Städten sind. Tendenz steigend. Experten rechnen mit einer Zunahme der Stadtbevölkerung um 25 Prozent bis zum Jahr 2050. Laut Vereinten Nationen leben dann Dreiviertel der Weltbevölkerung, in absoluten Zahlen: etwa 6,7 Milliarden Menschen, in Städten oder Megacities. Der Zug in die Stadt wird auch daran deutlich, dass gegenwärtig pro Woche rund eine Million Menschen in afrikanische oder asiatische Großstädte abwandern. Allein in China mit so vielen gewaltigen Städten neben denen sich deutsche Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München wie deren Vororte ausnehmen, werden in den kommenden Jahren rund 350 Millionen Menschen in Städte abwandern, die teilweise noch gebaut werden müssen.
Dass es bei der Herausforderung der Verstädterung neben so wichtigen Fragen wie möglicher innerstädtischer Anbaustrategien für die Landwirtschaft oder effizienter Systeme für die Kanalisation auch noch andere herausragende Aspekte gibt, macht der renommierte Sozialwissenschaftler Wolfgang Ockenfels deutlich. „Die weltweite Urbanisierung zieht Probleme nach sich, die nicht allein technisch zu lösen sind. Es entstehen auch hierzulande immer neue Konfliktfelder der sozialen, kulturellen und religiösen Art. Der Zusammenprall der Kulturen findet in den wachsenden Großstädten statt“, so der Dominikanerpater. Ockenfels, Lehrstuhlinhaber für Christliche Gesellschaftswissenschaften an der Universität Trier, , unterstreicht in diesem Zusammenhang daher die große Herausforderung, der sich aus seiner Sicht die christlichen Kirchen immer deutlicher werden stellen müssen: „Was wir dringend brauchen ist eine humane Kultur der Solidarität, besonders mit den Hilfsbedürftigen. Nötig ist aber auch die Bereitschaft der Immigranten, sich an die allgemeine Rechtsordnung zu halten und die Mehrheitskultur zu respektieren. Die Stadt ist kein rechtsfreier Raum, und wir sollten die Entstehung von Slums und religiösen Ghettos rechtzeitig verhindern. Hierin liegt eine wichtige Integrationsaufgabe der christlichen Kirchen.“
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