Dieter Winderlich war begeisterter „Volkspolizist“ der ersten Stunde und eingefleischter Marxist-Leninist. Beide Überzeugungen vertritt der ehemalige Generalmajor und, nach Karl Maron und Friedrich Dickel, letzte Anführer der „Deutschen Volkspolizei“ noch heute. Man kann das nachlesen in einem Artikel, den er zum 65. Gründungstag der „Volkspolizei“, aus der später, als sie noch „Kasernierte Volkspolizei“ hieß, die „Deutsche Grenzpolizei“ als Vorläufer der DDR-Grenztruppen, das „Ministerium für Staatssicherheit“ und 1956 die „Nationale Volksarmee“ hervorgingen, am 1. Juli 2010 veröffentlicht hat. Dort schwärmte er von der „antifaschistischen Polizei des Volkes“, in der „junge Arbeiter und Bauern“ gedient hätten. Dass diese Polizeitruppe von 80 000 Mann auch eine gut ausgerüstete Bürgerkriegsarmee war, um Aufstände und Unruhen bei wachsender Unzufriedenheit des hinter der Mauer eingesperrten „Volkes“ niederzukämpfen, schreibt er nicht.
In der Zeitschrift „RotFuchs“, einem neostalinistischen Blättchen, das seit 1999 in Berlin erscheint, hat Dieter Winderlich im Februar dieses Jahres unter dem Titel „Was geschah in Hoheneck?“ klassenkämpferisch Stellung bezogen gegen die „Spiegel“-Dokumentation „Eingesperrt, um frei zu sein“, die am 14. November 2009 vom Fernsehsender „Vox“ ausgestrahlt wurde. Diese Dokumentation über Frauenschicksale im Zuchthaus Hoheneck, das hoch über der Stadt Stollberg/Erzgebirge liegt und seit 1950 unter Aufsicht der „Volkspolizei“ stand, war ein erschütternder Bericht darüber, wie politische Gefangene von einer ideologisierten Wachmannschaft behandelt wurden, bis sie schließlich nach Karl-Marx-Stadt auf den Kaßberg überführt und vom Westen „freigekauft“ wurden. Darüber gibt es eine ganze Reihe von Büchern wie Ulrich Schachts „Hohenecker Protokolle“ (1984), die Haftberichte Ellen Thiemanns „Stell dich mit den Schergen gut“ (1984)und Eva Maria Neumanns „Sie nahmen mir nicht nur die Freiheit“ (2008) sowie die von Dorothea Ebert mit ihrem Bruder Michael Proksch verfasste „Geschichte einer Republikflucht“ mit dem Titel „Und plötzlich waren wir Verbrecher“ (2010).
Dieter Winderlich kennt diese Bücher alle nicht, er will sie offensichtlich auch nicht kennen, denn die „Volkspolizei“ erscheint dort nicht gerade in einem günstigen Licht! Ein Buch freilich, so scheint es, hat er gelesen. Es trägt den Titel „Die bröckelnde Festung“ (2002) und wurde geschrieben von der Erfurter Autorin Gabriele Stötzer, Jahrgang 1953, die 1988/89 ein Jahr gesessen hat wegen „Staatsverleumdung“, davon sieben Monate in Hoheneck. Sofort nach der Haftentlassung 1989 ist sie nach Ostberlin zu Christa Wolf gefahren, wo sie der ahnungslosen Schriftstellerin ausführlich berichtete über die Zustände in DDR-Zuchthäusern wie Hoheneck. In ihrer Erzählung „Was bleibt“ (1990) hat Christa Wolf von dieser unerwarteten Begegnung erzählt.
Dieses Buch gefällt Dieter Winderlich, hier kann er ausführlich Stellen zitieren über das segensreiche Wirken der „Volkspolizei“ und ihre „humane“ Einstellung zu den Gefangenen: „In den Paketen ließ sie sich Parfüm, Zahnbürsten, Wimpernspiralen, Deostifte, Lidschatten und Schreibwaren schicken…Zum Sprecher wechselten Äpfel, Zitronen, Erdbeeren, Kirschen, Himbeeren über das Jahr hin zu Pampelmusen, Bananen und Apfelsinen“. Es mag sein, dass es im letzten DDR-Jahr, als der Untergang des Sozialismus absehbar war, solche Dinge gegeben hat. Schließlich hatten 1983 UNO-Kommissionen einige DDR-Haftanstalten besichtigt und erhebliche Mängel festgestellt, die dann beseitigt wurden, weil der SED-Staat nach internationaler Anerkennung lechzte. Dennoch blieben die Gefangenen für die Wachmannschaft „Staatsfeinde“, denen das Leben schwer gemacht wurde.
Dieter Winderlich, der im DDR-Innenministerium für die Überwachung des Strafvollzugs zuständig war, verschweigthärtere Schilderungen des Haftalltags in diesem Buch, die es selbstverständlich auch gibt. Weil er in einigen Textpassagen dieses „beeindruckenden Buches“ (Dieter Winderlich) den „humanen Strafvollzug“ angeblich bestätigt findet, stellt er alles in Abrede, was in der TV-Dokumentation von 2009 angeführt wird. Dass die Wasserzellen im Zuchthauskeller von Gabriele Stötzer nicht erwähnt werden, deren Existenz aber von anderen Gefangenen bestätigt wurde, ist für ihn Beweis genug, dass es sie nicht gab, jedenfalls nicht in der Funktion, aufsässige Gefangene zu bestrafen. Er argumentiert so: „…ist ein Nachbau und wurde für Filmaufnahmen über die Nazizeit geschaffen.“ Den Titel des Films freilich, der angeblich dort gedreht wurde, nennt er nicht, weil es ihn nicht gibt, abgesehen davon, dass sich eine solche Wasserzelle im DEFA-Studio in Potsdam-Babelsberg leichter und billiger hätte nachbauen lassen!
Noch unglaubwürdiger aber wird der “Genosse Generalmajor“, wenn er die politischen Gefangenen im DDR-Strafvollzug mit zwielichtigen SED-Kriminellen vergleicht wie Egon Krenz (1937), dem letzten Staatsratsvorsitzenden, und Klaus-Dieter Baumgarten (1931-2008), dem Anführer der DDR-Grenztruppen. Die waren wegen Totschlags (leider nicht wegen Mordes!) verhaftet und zu jeweils sechseinhalb Jahren verurteilt worden und nicht, weil sie einen politischen Witz („staatsfeindliche Hetze“) erzählt oder hatten „illegal“ ausreisen („Republikflucht“) wollen. Sie waren auch nicht, wie Egon Krenz, in einem, verglichen mit Hoheneck, Hotel mit eingeschränktem Ausgang untergebracht, sie wurden auch nicht vorzeitig begnadigt und schrieben dann keine weinerlichen Bücher über das erlittene “Unrecht“ wie Egon Krenz mit seinen „Gefängnis-Notizen“ (2009)!
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