Mal weg von zuhause. Das bringt´s. Verreisen kann jeder. Aber abhauen? Das können Maik und der Junge, der sich Tschick nennt, fördergeschulter Spätaussiedler-Boy, Eltern Deutsch-Russen. Zwei Gymnasiasten zusammen in die großen Ferien. Weg von Berlin– in die Walachei. Wo immer die liegen mag. Irgendwo, wo nicht daheim ist. Aber wie hinkommen? In einem geklauten Lada. In Berlin und für Tschick kein Problem. 2013 freiwillig aus dem Lieben geschiedene Hamburger Autor Wolfgang Herrndorf (geboren 1965) ging jedenfalls davon aus, dass es für seinen Roman (2010 bei Rowohlt erschienen, „Spiegel“-Bestseller, 2011 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet) gut ist, zwei 14-Jährige in einem gestohlenen Lada ein Stück Welt er-fahren zu lassen. Fahren, fahren, fahren. Ein Kumpel-Abenteuer. Wie stellt man das auf die Bühne? Wie machten das Regisseur Philipp Moschitz und Dramaturgin Katharina Nay, die das Stück nach der Fassung von Robert Koall ins Studio der Münchner Theaterakademie August Everding (Prinzregententheater) brachten?
Ganz einfach. Sie setzten die zwei Jungs auf ein fahrbares Klavier. Draufhocken und – ab! So tun als ob man führe. Es sausen und flitzen lassen. Stoppen. Gegen die Windschutzscheibe rennen. Die Bremsen quietschen lassen. Ein Bein brechen. Nicht echt. Sondern ebendies und noch so vieles, was ein mitreißendes Jugend-„Roadmovie“ ausmacht, darstellen, spielen lassen. Von zwei umwerfenden jungen Schauspielern, denen man es– der eine 26, der andere 22 – sofort abnimmt, erst (oder nochmal?) 14 zu sein. So „Teenie“-mäßig geben sich Daniel Holzberg als Maik und Klaus Steinbacher als Tschick. Auch so unterschiedlich im Denken und Handeln. Klaus Steinbacher – er bringt in der Tat ein bisschen „Asi“-Look von Natur aus mit – gelingt es, sein ihm von Herrndorf „angedichtetes“ Alkohol-Problem latent zu zeigen. Das ist ebenso großartig wie Holzbergs Schwadronier-Kunst, seine Traurigkeitsanfälle und sein Auftauen beim Anblick weiblicher Reize.
Das Tolle: Sie halten, der eine als bebrillter Streber-Softie, der andere als (du liebe Güte: wirklich nicht an Mädchen interessierter?) nonchalanter Riski-Burschi, anderthalb Stunden die Zuschauer am Mund-nimmer-zukriegen. Geht`s noch? He? So phantastisch turnen und tollen und treiben es die beiden auf ihrem verbotenen Lada-Trip, dass es eine wahre Freud ist, jeweils auf den nächsten Regie-Gag – immer einen Gang höher geschaltet – zu warten. Davon gibt es zu genüge. Sie überstürzen sich geradezu. Keiner ist abgegriffen. Alle wirken wie frisch aus dem Eiskasten.
Das Duo komplettiert sich zum Trio – könnte „Tschick-eria“ heißen (und würde so der „Schick-eria“eins auswischen, vermutlich ganz im Sinne Herrndorfs) – durch Sveta Belesova, welche die den Jungs auf einer Müllhalde über den Weg gelaufene Isa spielt. Wie Holzberg und Steinbacher gehört Belesova Jochen Schölchs Studiengang Schauspiel im 3. Jahrgang an. Die 28-Jährige übertrifft ihremännlichen jungen Kommilitonen in manchen Passagen noch an darstellerischer Verve, ob als pfiffig-dreiste Göre mit Verführungsqualitäten, ob als verwirrter Tattergreis mit Glatze und Sabber-Kieke. Die drei baden im See? Ach wo. Sie spritzen sich ausgelassen mit Wasserpistolen voll. Den ozeanblauen See kriegt der Zuschauer per Video geliefert. Er hört es glucksen und plätschern. Alles perfekt simuliert. Wie Klavier ist gleich Lada. Pittoresk alles und voller Poesie. – Kein Wunder: „Tschick“ ist grad eben die gefragteste Theaterakademie-Produktion. Ständig ausverkauft. Was vom guten Theatergeschmack der Münchner zeugt. Zusätzliche Vorstellungen werden in den Spielplan eingebaut. Tipp auch für Schulklassen: Für die eine der April-Vorstellungen (26., 27., 28. – jeweils um 9 und 13 Uhr) schon mal gleich buchen: 089 – 2185 1917 oder 089 – 54 81 81 81.
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