Das rechte Verständnis seiner Taufe ist für den Christen und sein geistliches Leben so wichtig wie die Quelle für den Fluss. Die Kirche hat daher für das Geschehen in der Taufe eine liturgische Form geschaffen, die dem Gläubigen zeigt, was ihm in dieser Handlung widerfährt. Das liturgische „Tun“ und „was in diesem passiert“ sind miteinander zu einer unauflöslichen Einheit verbunden. Es gibt verschiedene Deutungen dieses Mysteriums im Neuen Testament, unter denen die des Apostels Paulus im Römerbrief am deutlichsten das Geschehen in der liturgischen Handlung beschreibt. Da heißt es:
„Wisst ihr nicht, dass alle, die wir in Christus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir nun mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Laben wandeln“ (Röm 6,3-34).
Dieses „Mit-Christus-Sterben“ in der Taufe wird durch das rückwärtige Hinsinken des Täuflings in und unter das Wasser im Taufbecken liturgisch vollzogen. Der Eintritt in das neue Leben mit dem Auferstandenen wird in der Taufe ausgeführt mit dem aus dem Taufbecken nach Osten hin aufzurichtenden Täufling, wie einer der sich nun vom Schlaf erhebt. Die Symbolik der Handlung drückt aus, was geschieht: Wir steigen mit Christus in den Tod und bekommen in der Taufe gleichzeitig Anteil an der Kraft seiner Auferstehung. In der Taufe wird der Keim für unsre eigene leibliche Auferstehung in uns gelegt. D. h., so wie das Totenreich den in ihn eingegangenen Gekreuzigten nicht festhalten konnte, so muss es auch uns am Jüngsten Tag freilassen. Dem Tod bleibt also nicht einmal unser Leib.
Wie soll man dieses Taufgeschehen verstehen?
Zum rechten Verständnis unsrer Taufe müssen wir uns zwei Dinge bewusst machen:
- In der Taufe hat ein Handeln Gottes an uns stattgefunden, wie die Vergangenheitsformen der Verben in Röm 6,3ff. es belegen.
- Hier handelt Gott, der Raum und Zeit geschaffen hat, und daher auch über diese verfügen kann, was unser Fassungsvermögen übersteigt; es geht um ein Geschehen „über und außer und in dieser Welt zugleich“, d.h. das transzendent und immanent zugleich ist.
Zu 1.
Es wäre ein Missverständnis der Taufe, in ihrem liturgischen Vollzug eine symbolische Handlung im Sinne eines rein zeichenhaften äußeren Tuns zu sehen. Der Inhalt würde dann vom Menschen geliefert, der mit seiner Frömmigkeit die Handlung geistlich deutet oder mit seiner Entscheidung auffüllt. Es wäre dann der Mensch, der in der Taufe handelte. Die Vergangenheitsformen der Verben in Röm 6 besagen jedoch, dass an dem Menschen etwas geschehen ist, d.h., Gott ist in der Taufe der Handelnde.
Wenn die Taufe nur die Antwort des Glaubens auf die Verkündigung des Evangeliums wäre, hätte die Kindertaufe keine Berechtigung. In Wirklichkeit ist aber die Taufe, wie Röm 6,1-11 zeigt, für den Täufling eine Empfangshandlung.
Wenn aber durch die Taufe die Aufnahme des Täuflings in das Heilshandeln Jesu Christi, d. h. in das Reich Gottes erfolgt, wer kann der Kirche dann vorschreiben, Kinder davon auszuschließen? Das Verhalten Christi gegenüber Kindern ist der unwiderlegbare Hinweis, dass auch deren Aufnahme in das Gottesreich nichts entgegensteht.
Zu 2.
Was das Begreifen der Taufe für den Menschen so schwer macht, ist, dass wir mit einem ganz anderen Verständnis von Tod konfrontiert werden. Der Tod ist nicht mehr fixiert auf das biologische Ende des Lebens, auf das sog. „eherne Gesetz der Natur“, das einem atheistischen Weltbild entspricht. Der Tod ist in christlicher Sicht eine personale gottfeindliche Macht, die die Vernichtung des Menschen will. Durch den Sündenfall hat er seine Herrschaft über den Kosmos errichten können. Ihm tritt Gott entgegen, indem er seinen Sohn Mensch werden lässt. Da der Tod alle Menschen, die sterben, aufnehmen muss, hatte er keine Möglichkeit, dem gekreuzigten und getöteten Gottessohn auszuweichen. Es geschah und geschieht das, was der hl. Ephrem der Syrer wie folgt über den Einzug Jesu Christi in den Hades im 37. Hymnus besingt:
Du gabst für unsern Leib deinen Leib dem Tod, der uns verschlungen hatte, ohne satt zu werden. Durch dich allein wurde er satt; und er barst.
Christus zerbricht die Macht des Todes durch dessen eigenes, alles Leben verschlingende Prinzip, wie es das Ostertroparion uns zeigt:
Christus ist erstanden von den Toten und hat den Tod durch den Tod zertreten und denen in den Gräbern das Leben geschenkt.
In der Taufe werden wir diesem Tod Christi „einverleibt“ und damit auch Anwärter auf die Auferstehung des Leibes, wie sie an Christus geschah.
Mit anderen Worten: Unser Tod in der Taufe ist der „große, befreiende Tod“, , das Unterpfand für die Auferstehung unsres Leibes aus dem Grab.. Demgegenüber ist der physische Tod an unserem Lebensende für den Gläubigen nur der „kleine Tod“, der Durchgang unsrer Seele zu Christus. Unser Leib ruht in der Erde und wird bei der zweiten Ankunft Christi wieder mit der Seele vereint.
Diese Wiedervereinigung der Seele mit ihrem Leib, die sich bei Christus nach seiner Kreuzigung drei Tagen später vollzog, als er den Aposteln erschien, werden auch wir erleben. Die Taufe hat uns nämlich nicht nur mit dem Tod Jesu Christi vereint, sondern auch mit der Leben spendenden Kraft seiner Auferstehung. Die Zeit zwischen unserem physischen Tod und der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, in der unser Leib in der Erde ruht, werden wir nicht spüren, weil unsere Seele mit unserem Lebensende jenseits von Raum und Zeit ist, wo „tausend Jahre sind wie ein Tag und wie eine Nachtwache“. So könnte es sein, dass wir nach unserem Tod, da wir Zeit nicht mehr spüren, unmittelbar vor den Richterstuhl Christi treten. So können wir ohne Bedenken sagen, dass unsere Taufe unser Ostern ist. Das griechische Wort „pas/cha“, das aus dem Hebräischen stammt, bedeutet “Hinübergang“, gemeint ist der Hinübergang vom Tod zum Leben. Der Heilige Geist ist es, der ja seit Pfingsten in der Kirche und daher in jeder Taufe wirkt. Er vereint den Täufling mit dem Sterben und Auferstehen Jesu Christi damals vor fast 2000 Jahren, reißt uns wie die Verstorbenen aller Zeiten heraus aus der Macht des Todes.
So setzt die Taufe einen Anfang in unserem Leben, der über unser Lebensende hineinreicht in das ewige Leben und dort in der Gemeinschaft des Lebens vor Gott seine Vollendung findet. Dies ist die eschatologische Dimension der Taufe.
Es ist deutlich geworden, wie das Geschehen in der Taufe eine Einheit bildet mit ihrem liturgischen Vollzug. Leider haben Theologen einer späteren Zeit, diese Einheit in zwei Teile aufgespalten, in „materia“ und „forma“, d.h. in Inhalt und Form. Durch diese Trennung war die Möglichkeit gegeben, beide Teile verschieden zu werten und die Form, den äußeren Taufvollzug, zu verändern zur Begieß- bzw. Besprengtaufe.
Beide Taufformen geben jedoch in ihrer Symbolik nicht mehr den Zusammenhang von Taufe mit Tod und Auferstehung Jesu Christi wieder. Daraus folgt, dass dann auch der Inhalt des Taufgeschehens verdunkelt wurde, weg von der inhaltstärksten Aussage über die Taufe wie sie Paulus in Röm 6 geliefert hat. So konnten sich diese veränderten Taufformen, die im ersten Jahrtausend nur für den äußersten Notfall geduldet waren, zur Norm erheben.
Die heute in den nichtorthodoxen Christentümern des Westens übliche Besprengform stellt einen Traditionsbruch gegenüber dem altkirchlichen Taufverständnis dar. Sie ist unvereinbar mit dem Taufgebrauch der orthodoxen und orientalischen Kirche von heute, wie auch mit der Praxis der westlichen Christenheit, die bis ins hohe Mittelalter mit den großen Taufbecken immer noch richtig liturgierte, ja sogar mit dem Kleinen Katechismus Martin Luthers, in dem davon die Rede ist, „dass der alte Adam ersäuft werde“. So widerspricht sie auch der modernen protestantischen Exegese, die fein herausgearbeitet hat, dass die Taufe ein Tod ist.