„Botanischer Garten? Wie? Wo? Da bin ich noch nie gewesen“. Das sagte José, ein junger Mann aus Granada, der seit vielen Jahren in München lebt, vor einigen Tagen zu mir. Kaum vorzustellen, dass einer der größten und schönsten Gärten weltweit nicht als ein Magnet für Jung und Alt zu jeder Jahreszeit wirkt. Nun haben nicht vorhersehbare Entwicklungen der letzten Monate dazu geführt, dass Vieles sich im Verborgenen abspielen musste. Das hat unsere Pflanzenwelt nochmals in ein anderes Licht gerückt. Denn was uns die Natur in ihrem reichen lebendigen Spektrum bietet, entfaltet im städtischen Umfeld eine magische Kraft, die alle Sinne aktiviert. Was etwa einem Jahrhundert als weltweite Besonderheit geschaffen wurde, hat auch in seiner baulichen Substanz historische Wurzeln. Diese beschreibt Prof. Susanne Renner sehr genau und subtil auf der Internetseite des Botanischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität (https://www.botmuc.org/de/info/botanisches_institut.html). Zu diesen Wurzeln gehören auch acht florale Ziervasen an dem Jugendstilgebäude des Botanischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität, einem „Schloss für Wissenschaft und die Blumen“ (Prof. Susanne Renner), die witterungsbedingt 1955/56 abgebaut werden mussten, nun originalgetreu rekonstruiert wurden und in schwindelnder Höhe eine nicht geheime, aktuelle Botschaft vermitteln.
Prof. Susanne Renner, als langjährige Direktorin des Botanischen Gartens Nachfolgerin von Koryphäen wie Franz von Paula von Schrank und Carl Friedrich Philipp von Martius, hat die Signalwirkung der Kunstwerke vernommen. Mit Hilfe von Stiftungen wie der Mooseder Stiftung und der Baudenkmal-Stiftung München, Institutionen wie dem Garden Club of Bavaria, dem Rotary Club München-Nymphenburg und Maxx Raumelemente, sowie privaten Geldgebern wie Herzog Franz von Bayern, Anna von Zumbusch, Francine von Finck, Friedgard Irlbacher-Halter, Dieter Lindner, Lorenz und Xaver Moll sowie Bert Ricklefs wiederherstellen lassen. Ein Betrag von ca. EUR 80 000,- , die sie gesammelt hat, stimmt nachdenklich. Gerade in der heutigen Zeit.
Was können solche Nachbauten bewirken? Welcher Sinn mag hinter diesen kostbaren Architekturverzierungen stecken? Wie wird José und seine Familie und andere Besucher/innen diese Pracht empfinden? Lässt sich die Harmonie beim Blick auf die Seerosen auf den Alltag transferieren?
Wenn der 60 Meter hohe Kran zwei Tage lang die Ziervasen an ihre ursprünglichen Plätze bringt, dann hat die Hightech neue Dimensionen erreicht. Denn wie die Poesie in Form von zeitlosen Blumen sich in ästhetischer Pracht entfaltet, so bekommen Wissenschaft und Lehre einen Stempel, durch den die Signatur zunächst verschlossen bleiben mag. Aber das Reizvolle ist nun, hinter diese mehrdimensionalen Konstruktionen zu blicken und aus Details und dem Gesamtwerk Wissen zu schöpfen. Und was sich im Garten und den Gewächshäusern generiert, das spiegelt sich oben wider.
Ein interdisziplinäres Gewebe lässt uns erstaunt zurück. Neugierde und Spannung erleben wir wie auf einer Expedition durch den Dschungel. Das Abenteuer spielt sich vor unseren Augen ab, wenn wir genau hinschauen. Es ist ein Schauder, der uns ergreift und zeigt, was wir angesichts dieser Offenbarungen an Erkenntnis gewinnen können. Dazu gehört auch das Gemeinschaftserlebnis, denn auf all diesen Wegen durch den Botanischen Garten sind wir nicht allein. Ein Freundeskreis von Gleichgesinnten stimmt in das florale Orchester mit ein. Ob im Freundeskreis, mit Familie oder als Single, jeder Mensch kann hier den Stimmgabeltest durchführen und seine Sensibilität prüfen, die Gesundheit stärken und sich mit dem Gefühl von Heimat und Geborgenheit durchdringen lassen. Hier spüren wir ganz deutlich unsere Wurzeln und sehen in den Pflanzen und den originären Nachbildungen einen Schatz, der sich in der Schatztruhe des Botanischen Gartens München-Nymphenburg, für alle wieder live erleben lässt.
Best practice: Hier gibt’s Beispiele, die auch in den möglichen Digitalisierungen Werte vermitteln, deren Inhalte neu zu formatieren und zugänglich zu machen sind. Der Botanische Garten bietet mit anderen bayerischen Einrichtungen eine einmalige Plattform, die Bildung mit humanistischer Tradition innovativ verknüpft und das Leben einfach lebenswert macht. Die positiven Impulse, die jemand wie Prof. Susanne Renner in der Tradition ihrer Vorgänger als Direktorin des Botanischen Gartens gesetzt hat, sind mit der Renaissance der einstigen acht Ziervasen nicht zuletzt als Symbol für die heutige Zeit zu verstehen. Das Historische ist nicht vom aktuellen Zeitgeist zu trennen. Im Gegenteil, das Sichtbarmachen vergangener Leistungen, wie es Prof. Susanne Renner beispielhaft gezeigt hat, führt uns in eine neue Welt, wo sich Wissenschaft, Lehre und Hightech mit Natur, Kunst, Ästhetik, Emotionen und Traditionen eng verbinden.