Die Sozialistische Reichspartei (SRP) und ihr Verbot 1952 – ein Rückblick

Nach der Aufdeckung der Morde des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) im November vergangenen Jahres sind die Diskussionen um ein NPD-Verbotsverfahren wieder aufgeflammt. Befürworter und Gegner sind fast tagtäglich in den hegemonialen Medien der Bundesrepublik präsent; vor allem bis zu den Bundestagswahlen im nächsten Jahr werden die Diskussionen nicht nachlassen. Vor diesem Hintergrund ist es aufschlussreich zu sehen, wie das bislang einzige Verbot einer neonazistischen Partei in der Geschichte der Bundesrepublik, nämlich der Sozialistischen Reichspartei im Jahre 1952, zustande kam.

Die Sozialistische Reichspartei (SRP) wurde am 2.10.1949 in Hannover gegründet. Die wichtigsten Organe der SRP waren der Parteivorsitzende, der aus fünf Mitgliedern bestehende Vorstand, der Parteirat, der sich aus 21 Mitgliedern zusammensetzte, und die Parteiversammlung. Regional gliederte sich die SRP in Landes-, Kreis- und Ortsverbände, die jeweils von einem Vorsitzenden autokratisch geleitet wurden. Die Vertreter der höheren und mittleren Parteiebene waren fast alle langjährige Mitglieder der NSDAP und anderer völkischer Organisationen. Diese Personen besaßen bis 1945 zum Teil einflussreiche Funktionen im Partei- und Regierungsapparat der NSDAP.[1]
Es lässt sich nachweisen, dass ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus kein Nachteil, sondern eher eine Empfehlung für Führungsaufgaben innerhalb der SRP war. Der Führungsstab der SRP zielte darauf ab, frühere Nationalsozialisten in ehemals einflussreichen Positionen an sich zu binden und sie wieder mit wichtigen Aufgaben auszustatten. In den Akten des Bundesverfassungsgericht hieß es: „Der Zeuge Heller teilte am 28. September in seiner Funktion als Hauptgeschäftsführer der SRP dem Zeugen Finke einige Anschriften mit und schreibt dazu wörtlich: Ich bitte, die Anschriften vertraulich zu behandeln und eine persönliche Fühlungsnahme herzustellen, da die genannten Personen auf Grund ihrer früheren Tätigkeit wahrscheinlich unserem Gedankengut nahe stehen.“[2]
Bei den Mitgliedern der SRP war die Altersgruppe der 20-bis 40jährigen und der Anteil von Vertriebenen, der regional zwischen 30 und 60 Prozent schwankte, überdurchschnittlich stark vertreten.[3] Eigenen Angaben zufolge zählten insbesondere Arbeiter und Landwirte zu den Mitgliedern. Entsprechend ihres Selbstverständnisses der Einigung aller Deutschen in einer „Volksgemeinschaft“ wollte die SRP suggerieren, dass sie sowohl Mitglieder als auch Wähler aus allen Teilen der Bevölkerung anzuziehen vermochte.
In ihrer inneren Struktur war die SRP keine demokratische Partei. Entscheidungen wurden in der Regel nicht durch das Mehrheitsprinzip, sondern durch die Anordnung der Parteileitung an ihre Gefolgschaft getroffen.
Das politische Programm basierte auf der Weltanschauung des Nationalsozialismus. Es war vor allem gekennzeichnet durch eine totalitäre Staatsordnung und eine aus dem „Führerprinzip“ resultierende, diktatorische Regierungspraxis sowie durch das Einparteiensystem und die „Einheit von Partei und Staat“, durch den Mythos vom „Reich“ und vom „Rassenfeind“. Der auf dem Rassismus gründende weltgeschichtliche deutsche „Führungsanspruch“ wurde fortgesetzt. Die Anschauung, dass Deutschland nicht mehr einem absoluten Recht verpflichtet, sondern dass der Wille des „Führers“ oberstes Gesetz sei, wurde nicht geleugnet.[4] Die SRP verstand sich nicht nur als Partei, sondern als „Sammlungsbewegung des nationalen Widerstandes und deutschen Selbstbehauptungswillens“ innerhalb des politischen Lebens der BRD.[5] Dieses Selbstverständnis enthielt den Widerstand gegen die Herrschaft der Alliierten und die Restauration deutscher Großmachtpolitik.
Die SRP verfolgte die Idee der „nationalsozialistischen Revolution“ weiter: „In Europa ist in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen an verschiedenen Stellen der Versuch einer echten Lösung der nationalen und sozialen Probleme unternommen worden. Mag man diesen Versuch im wesentlichen als geglückt oder gescheitert ansehen, der Wille zu einer echten Lösung im Gegensatz zu der bolschewistischen Scheinlösung war zweifelsohne vorhanden. Und man wird schwerlich bestreiten können, daß er hier und da sichtbare Früchte zu tragen begann.“[6]
Am 15.11.1951 hielt der SRP-Bundestagsabgeordnete Franz Richter im Rahmen einer Debatte um die „Wiedergutmachung“ an Israel und die Rückerstattung ehemaligen jüdischen Vermögens eine antisemitische Rede, in der er den Staat Israel als „Aggressor“ im Nahen Osten brandmarkte und alle Personen, die sich für eine deutsch-jüdische Verständigung einsetzten, als „Kollaborateure“ beschimpfte.[7] Ein Redekonzept der SRP enthielt folgende Passage: „Glaubt man, den Antisemitismus zu besiegen dadurch, dass Emigranten in amerikanischer oder englischer Uniform 1945 einströmten, die man an den Nasen erkannte?“[8] Der SRP-Vorsitzende Fritz Dorls versuchte auf einer Pressekonferenz im Mai 1950, die Konzentrationslager als „historische Notwendigkeit“ hinzustellen: „Die Ära von 1933 bis 1945 war der Höhepunkt einer revolutionären Epoche des Abendlandes gewesen, in deren Mittelpunkt Deutschland gestanden hat. Die KZ’s und Gaskammern waren die revolutionäre Methodik dieser Epoche, in der ein neues Lebensprinzip geboren worden ist.“
Die SRP schaffte mit der „Reichsjugend“ eine „unabhängige, auf dem Boden unserer Anschauung stehende Jugendbewegung“, die die lokalen, zumeist von ehemaligen HJ-Führern betriebenen neonazistischen Jugendgruppen zusammenfassen sollte. Das Bundesverfassungsgericht äußerte in ihrem Verbotsurteil, dass die „Reichsjugend“ nach dem Vorbild der Hitler-Jugend (HJ) organisiert war. Das Gericht verwies dabei auf die Ähnlichkeit der Uniformen der „Reichsjugend“ mit denen der HJ, von denen sich nur die Farbe des Hemdes – olivgrau statt braun – unterschieden.[9]
Die SRP war zwischen 1950 und 1952 für eineinhalb Jahre im Bundestag durch Franz Richter und Fritz Dorls vertreten, die von anderen Parteien zur SRP übergetreten waren. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 6.5.1951 erzielte die SRP mit 11% der Stimmen einen überraschenden Erfolg.[10] Sie stellte insgesamt 16 Landtagsmitglieder im Kabinett in Niedersachsen.
Das Verbot der SRP wurde durch die damalige Bundesregierung lange vorbereitet. Da das Bundesverfassungsgericht sich erst im Aufbau befand, musste sie mit ihrem Verbotsantrag noch warten. Im September 1951 beschloss die Bundesregierung unter Adenauer die Entfernung der SRP aus dem Öffentlichen Dienst.[11] Dem ging der Beschluss vom 4.5.1951 voraus, wo die Bundesregierung die SRP als verfassungsfeindliche Organisation bezeichnete. Aufgrund der Erfolge der SRP bei der niedersächsischen Landtagswahl stieg der Druck für ein Verbotsverfahren. Die oben angesprochene antisemitische Rede Richters im Bundestag, die eines der stärksten Tabus der deutschen Nachkriegsgesellschaft berührte, gab den entscheidenden Anstoß zum Verbotsverfahren. Am 19.11.1951 stellte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den Antrag, die SRP als verfassungsfeindliche Partei zu verbieten. Ende Januar 1952 wurde mit der Durchsuchung von Parteigeschäftsstellen und Privatwohnungen zur Sicherstellung belastender Materialien für den anstehenden Prozess begonnen. Im Verlaufe des Prozesses wurde der SRP im Juli 1952 jegliche öffentliche Werbung untersagt. Die Führung der SRP reagierte mit organisatorischen Planungen für den eventuellen Verbotsfall und löste ihre Partei am 12.9.1952 auf, um die Kontinuität der Arbeit ihrer Mitglieder nicht zu gefährden.[12]
Bei dem Verbot der SRP am 23.10.1952 bezog sich das Bundesverfassungsgericht auf Artikel 21 des Grundgesetzes, wonach Parteien oder Organisationen, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Mitglieder darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“, als verfassungswidrig einzustufen sind. Das Gericht begründete das Verbot hauptsächlich mit der These, dass die Partei in ihren Programmen sich selbst als Nachfolgeorganisation der NSDAP bezeichne und eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweise.[13] In der Begründung hieß es: „ Dass die SRP sich selbst als Nachfolgeorganisation der NSDAP fühlt, zeigt sich in der personellen Zusammensetzung der Führungsschicht, die überwiegend aus ehemaligen Nationalsozialisten besteht, in der Bemühung der Partei, frühere Nationalsozialisten als Parteimitglieder zu gewinnen – nicht obwohl, sondern weil sie Nationalsozialisten waren – und in der unverhohlenen Glorifizierung Hitlers (…). Mag auch der SRP die Übereinstimmung mit den Zielen und Methoden der NSDAP nicht in allen Einzelheiten nachzuweisen sein, so gebietet doch der auch im Bereich des Politischen gültige Schluss von der Form auf den Inhalt die Folgerung: eine Partei, die einer eindeutig verfassungswidrigen politischen Bewegung der Vergangenheit in ihrer Vorstellungswelt und in allen wesentlichen Formen der Äußerung wesensverwandt ist, wird auch, sofern sie weiterwirken kann, die gleichen oder doch gleichartige Inhalte zu verwirklichen suchen.“[14]
Bei dem Verbot spielten aber nicht nur innenpolitische Gründe eine Rolle. Es ist anzunehmen, dass die Bundesregierung durch die Wahlerfolge der SRP ihre Verhandlungen über die Souveränität der Bundesrepublik und ihre Eingliederung in das westliche Verteidigungsbündnis belastet sahen. Außerdem sollte das Verbot dem Ausland symbolhaft zeigen, dass die Bundesrepublik gewillt war, neonazistische Parteien nicht zu dulden. Ein weiterer Faktor war, dass eine starke Konkurrenz von Rechtsaußen den bürgerlichen Parteien auf Dauer auch Wähler streitig machen konnten. Dieser machtpolitische Aspekt darf unter keinen Umständen unterschätzt werden.
Der Vorsitzende Fritz Dorls plante nach dem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht, die SRP im Untergrund weiterzuführen. Bei Hausdurchsuchungen von mehreren hundert ehemaligen Mitgliedern der Partei wurden Unterlagen über die Fortführung der Parteiarbeit in Nachfolge- und Tarnorganisationen gefunden. Am 5.11.1952 wurden in einem Erlass des Innenministers von Niedersachsen 61 verschiedene SRP-Tarnorganisationen bekannt gegeben.[15] Dorls flüchtete vor der drohenden Verhaftung nach Ägypten. Als er 1955 wieder in die BRD zurückkehrte, wurde er verhaftet und 1957 zu 14 MonatenGefängnis wegen „Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation“ verurteilt.[16]

Literatur
Assheuer, T./Sarkowicz, H.: Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und die neue Rechte, München 1990
Büsch, O./Furth, P.: Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland. Studien über die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP), Berlin 1957
Bv B 1/51
Deutsches Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Die westdeutschen Parteien, Berlin (Ost) 1966
Jenke, M.: Verschwörung von Rechts? Ein Bericht über den Rechtsradikalismus in Deutschland nach 1945, Berlin 1945
Kalinowsky, H.H.: Kampfplatz Justiz. Politische Justiz und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, Pfaffenweiler 1993
Landesinformationsdienst des Landes Schleswig-Holstein vom 28.12.1951, Akten 1 Bv/51-H6-Urkunde Nr. 237
Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, München 1999
Stöss, R.: Die Sozialistische Reichspartei (SRP): Ders. (Hrsg.): Parteien Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Band 4 NPD-WAW, Opladen 1986, S. 2286-2336

[1] Deutsches Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Die westdeutschen Parteien, Berlin (Ost) 1966, S. 493
[2] Bv B 1/51, S. 4
[3] Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, München 1999, S. 81
[4] Büsch, O./Furth, P.: Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland. Studien über die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP), Berlin 1957, S. 25
[5] Stöss, R.: Die Sozialistische Reichspartei (SRP), in: Ders. (Hrsg.). Parteien Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Band 4 NPD-WAW, Opladen 1986, S.2286-2336, hier S. 2286
[6] Rednerinformationen des Landesverbandes Niedersachsen, Nr. 4/1951, S. 3
[7] Jenke, M.: Verschwörung von Rechts? Ein Bericht über den Rechtsradikalismus in Deutschland nach 1945, Berlin 1961, S. 97
[8] Landesinformationsdienst des Landes Schleswig-Holstein vom 28.12.1951, Akten 1 Bv 1/51-H6-Urkunde Nr. 237
[9] Stöss, Die Sozialistische Reichspartei (SRP), in: Ders. (Hrsg.): Parteien Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Band 4 NPD-WAW, a.a.O., S. 2322f
[10] Ebd., S. 2278
[11] Kalinowsky, H.H.: Kampfplatz Justiz. Politische Justiz und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, Pfaffenweiler 1993, S. 132
[12] Stöss, Die Sozialistische Reichspartei (SRP), in: Ders. (Hrsg.): Parteien Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Band 4 NPD-WAW, a.a.O., S. 2274
[13] Pfahl-Traughber, Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 23
[14] Zitiert aus Assheuer, T./Sarkowicz, H.: Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und die neue Rechte, München 1990, S. 14
[15] Jenke, Verschwörung von rechts?, a.a.O., S. 115
[16] Ebd

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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