Die schweren Jahre einer Komikerin

1936 in der Titelrolle des Films "Beim Nervenarzt"

Sabine Rinberger hat 11 Jahre auf den passenden Anlass gewartet. Der 125. Geburtstag von Liesl Karlstadt am 12. 12. 2017 kam der „Valentin-Karlstadt-Musäums“-Chefin gerade recht. Nun konnte sie endlich rausrücken mit dem kostbaren biografischen Material, das ihr vor elf Jahren eine junge Dame namens Brigitte Eriksson am Münchner Isartorturm vorbeibrachte: ein Packerl Briefe ihrer Mutter, der in den USA zum Doktor der Medizin promovierten Norma Lorenzer. Mit Andreas Koll inszenierte Rinberger ein bisher zwar nicht unbekanntes, aber nur lückenhaft belegtes Kapitel in der Lebensgeschichte der großen Komikerin, die oft nur als Partnerin Karl Valentins in der Münchner Theater-Landschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefeiert wurde. Dabei war es gerade das zwiespältige Verhältnis zum äußerst komplizierten Valentin, das der Karlstadt das Leben nicht nur schwer machte, es sie sogar zu beenden versucht hatte.

Aus den 130 Briefen und Postkarten, die Liesl Karlstadt zwischen 1935 und 1953 an ihre Freundin Dr. Norma Lorenzer gerichtet hatte und die jetzt zu Rinbergers besonders gehüteten Schätzen zählen, ließ sich eine fast zu punktgenaue und detailreiche, allerdings vielgestaltige und, mit der nötigen themabedingten Einschränkung, auch „amüsante“ Ausstellung basteln. Der beengte Raum im Isartorturm gebot es, so sparsam wie nur möglich bei der gelungenen Präsentation der vielen Exponate umzugehen. Die meisten haben Koll und Rinberger faksimiliert auf Rahmen gezogen und sie zu einigen realen Memorabilien gestellt. Ein paar Seh-Stationen wurden installiert, die alte Filmaufnahmen der Karlstadt, freilich stets mit ihrem Lebens-Bühnen-Partner Nr. 1 zeigen, etwa den thematisch höchst bemerkenswerten Film „Beim Nervenarzt“ (1936).

Von der Decke baumeln über der leidigen Lebenskapitel-Schau runde Stationstafeln auf grünem (Hoffnungs-)Grund mit den Jahreszahlen 1928 bis 1949 und Aussprüchen der Karlstadt oder Valentins wie „Im Ernst ko i net schimpf`n, höchstens woana!“ (1940), „All die Fenster kaputt, unsere Wohnungstür entzwei gerissen“ (1944) oder „Halte aus im Sturmgebraus!“ (1935). In diesem Jahr war es im Leben der gefeierten, stets aber auch stark leidenden und durch Rückschläge gefährdeten Schauspielerin Liesl Karlstadt, 1892 in München geboren, 1960 in Garmisch gestorben, zur Katastrophe gekommen. Bei der Biografin Gunna Wendt steht lapidar: „Nervenzusammenbruch. Am 6. April Selbstmordversuch. In den folgenden Jahren immer wieder Krankenhausaufenthalte in der Psychiatrischen Klinik in der Münchner Nussbaumstraße“.

Am 2. Oktober 1935 schrieb Valentin an seine „liebe liebe Li“: „… Halte aus! Halte aus! Halte aus im Sturmgebraus! Und wenn Du das tust, wird alles wieder gut. Wie sehr du mir nicht ans, sondern ins Herz gewachsen bist, wirst Du wohl nie erfassen …“ Was blieb der aus der Isar Geretteten, von Valentin zu wenig ernst Genommenen anderes übrig als weiterzukämpfen? Welches Glück sie doch hatte, zwei Jahre als „Gefreiter Gustav“ bei den Gebirgsjägern auf der Ehrwalder Alm zu verbringen, wo sie sich von Soldaten, Mulis und Katzen trösten ließ, zwischendurch Auftritte in München wahrnehmen konnte, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen! Mit Freundin Norma war sie übrigens 1939 in Venedig, um sich von einer bösen Angina zu erholen. Da soll es ihr (was Glück bedeutete) gelungen sein, zwischen zwei Carabinieri durchzuschlüpfen. So was erfährt man von Andreas Koll.

Diese Sonderausstellung, unterstützt vom Valentin-Karlstadt-Förderverein „Saubande“, hat die Potenz, die Karlstadt-Biographien von Wendt, Monika Dimpfl, Barbara Bronnen und Michaela Karl zu ergänzen. Bis 20. Februar geöffnet: Mo, Die, Do von 11.01 bis 17.29 Uhr, Fr, Sa von 11.01 bis 17.59 Uhr, So von 10.01 bis 17.59 Uhr, jeden ersten Fr im Monat bis 21.59 Uhr.

Foto (Hans Gärtner) Liesl Karlstadt in der Titelrolle des Psychiaters ihres „Patienten“ Karl Valentin in dem Streifen „Beim Nervenarzt“ (1936)

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Über Hans Gärtner 502 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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