Die Ganzkörperkräftigungsmethode Pilates scheint, obwohl schon vor 80 Jahren entwickelt, beliebter und aktueller denn je. Dies gilt zumindest für den aufgeklärten Sportinteressierten, der sich offen für neue Sporttrends zeigt, wenngleich in Deutschland bislang der prozentuale Anteil der Pilatestreibenden gegenüber den traditionellen Breitensportlern immer noch gering ist. Dabei trifft sie den Zahn der Zeit, da der Wunsch nach „bewußter“ Körpererfahrung, gepaart mit einem effektiven Training, weit verbreitet ist.
Im Mittelpunkt der Methode steht der Rücken und die Tatsache, daß dieser heute extremer als je zuvor belastet ist. Als Pilates seinerzeit die Methode entwickelte und kommerziell zu vermarkten begann, war sie höchstens bei Tänzern und Leistungssportlern gefragt, die Sportmedizin steckte noch in den Kinderschuhen – Rückenschmerzen standen noch nicht an Platz eins der Volkskrankheiten. Die positiven Effekte auf die Körpermitte und die Wirbelsäule, die in den letzten Jahren im Zuge von Professionalisierung und Suche nach neuen Therapieformen wissenschaftlich untersucht und determiniert wurden, standen nicht im Vordergrund der ehemals Pilatestreibenden, sondern eher die Ästhetik in der Bewegung und körperliche Fitneß. Ein wichtiges Zeugnis aus der damaligen Zeit bildete dafür die Grundlage für das heutige Pilatestraining: Joseph Hubert begann in den frühen 30er-Jahren die Erfolge seiner Methode systematisch zu dokumentieren, wobei er seine Kunden jeweils vor der ersten und nach der dreißigsten Trainingsstunde fotografierte. Seine Erkenntnis aus dieser Dokumentation ist der werbewirksame, von vielen Pilatesstudios oft zitierte, Ausspruch:
„Nach 10 Stunden fühlen Sie den Unterschied,
nach 20 Stunden sehen Sie den Unterschied
und nach 30 Stunden haben Sie einen neuen Körper.“
Im Alter von 54 Jahren begann Pilates seine Erkenntnisse auch schriftlich festzuhalten. In „Your Health“ formulierte er die Eckpunkte zu seiner Trainingsmethode. Gerade in den letzten Jahren wurde diese in vielen Punkten gemäß den Erkenntnissen moderner Sportmedizin überarbeitet und aktualisiert, so daß sich die Methode bezüglich dem Volksleiden „Rückenschmerz“ erneut profilieren konnte. Die Effekte des Pilatestrainings auf die sogenannte posturale Tiefenmuskulatur (Haltungsmuskulatur) bei zunehmenden Bandscheibenproblemen und degenerativen Wirbelsäulenleiden sind nachweisbar und medizinisch anerkannt und im Rahmen der Sporttherapie und Prävention wegweisend. Nicht zuletzt die Krankenkassen zeigen sich überzeugt und bezuschussen im Rahmen des § 20 der Primärprävention anerkannte Pilateskurse, um die immensen Kosten zu behandelnder Rückenbeschwerden einzudämmen. Bleibt nur noch auf die fachliche Kompetenz der Anbieter hinzuweisen, dies hätte auch schon dem gleichnamigen Erfinder am Herzen gelegen, wobei die Gründung des Deutschen Pilatesverbandes im April 2006 für den deutschen Pilatesuser wegweisend war. Mit dem Deutschen Pilates Verband gibt es erstmalig eine Vereinbarung zwischen den führenden sechs Pilates Schulen weltweit, die die Mindestdauer einer Pilatesausbildung, Ausbilderqualifikationen, Fortbildungspflicht und Inhalte regelt. Daß die von ihm entwickelte Methode auch in Deutschland einen steigenden Zulauf verbuchen wird, hätte die durch seine eigenen gesundheitlichen Leiden motivierte Fitneßikone Joseph Hubert Pilates, der 1923 in die USA emigrierte, wahrscheinlich nicht zu hoffen gewagt.
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