Die Preisträger:innen beim 39. FILMFEST MÜNCHEN

Filmfest 2022

Mit einer feierlichen Preisverleihung ging das 39. Internationale FILMFEST MÜNCHEN am Samstag, den 2. Juli 2022, zu Ende. „Broker von Hirokazu Kore-eda wurde mit dem ARRI Award für den besten internationalen Film im CineMasters-Wettbewerb ausgezeichnet, Charlotte Wells erhielt für „Aftersun“ den CineVision Award für den besten internationalen Nachwuchsfilm. Der erstmals verliehene CineRebels Award ging an „Cook F**k Kill“ von Mira Fornay. Zum Abschluss des Filmfests wurde nach der Preisverleihung „Der perfekte Chef“ mit Javier Bardem in der Hauptrolle als Deutschlandpremiere in der ausverkauften ASTOR Film Lounge im ARRI gezeigt.

Übersicht der Preisträger:innen

ARRI Award für den besten internationalen Film: „Broker“ von Hirokazu Kore-eda
lobende Erwähnung: „Leila’s Brothers“ von Saeed Roustaee

CineVision Award für den besten internationalen Nachwuchsfilm: Aftersun“ von Charlotte Wells
lobende Erwähnung: „War Pony“ von Riley Keough und Gina Gammell

CineRebels Award für „Cook F**k Kill“ von Mira Fornay

FIPRESCI-Preis für „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“ von Claudia Müller

CineKindl Award für „Comedy Queen“ von Sanna Lenken 

Bayern 2- und SZ-Publikumspreis für „Wann kommst du meine Wunden küssen“ von Hanna Doose

KINDERFILMFEST-Publikumspreis für Der Räuber Hotzenplotz“ von Michael Krummenacher

One-Future-Preis für „Nicht ganz koscher – eine göttliche Komödie“ von Stefan Sarazin und Peter Keller

ARRI AWARD
Als bester internationaler Film wurde der Film „Broker von Hirokazu Kore-eda mit dem ARRI Award ausgezeichnet. „‚Danke, dass du geboren wurdest.‘ – Ein einziger Satz, der das Publikum auf eine Weise berührt, wie es Filme nur selten können. Wenn jede noch so unbedeutende Figur vielschichtig, aber gleichzeitig zerrissen und letztendlich so liebevoll gestaltet ist, dann ist das Filmkunst. Großes Kino. Dieser Film ist eine Reise. Eine voller Sehnsüchte, voller Entscheidungen, voller Umwege. Manchmal sind es genau diese Umwege, die wir im Leben beschreiten müssen, um zu uns selbst und zueinander zu finden. Und in diesem Film haben wir ein Stück von uns selbst gefunden“, so die Jurybegründung.

„Leila’s Brothers“, das tragisch-komische Familienporträt des iranischen Regisseurs Saeed Roustaee, erhielt von der Jury eine lobende Erwähnung. „Ein Film über die Last der Tradition und die unentbehrlichen Familienbande. Er beleuchtet auf wunderschöne Weise die Momente im Leben, die uns zusammenbringen, selbst wenn alles scheinbar versucht, uns auseinanderzureißen. Dieser Film zeigt auf bemerkenswerte Weise, wie Familie Fluch und Segen zugleich sein kann. Ein ständiges Hin und Her zwischen Eigennutz und Uneigennützigkeit. Er ist zu gleichen Teilen ein sozialer Kommentar, ein nuanciertes Drama und eine Komödie der Irrungen, und auf genauso widersprüchliche Weise haben wir oft unter Tränen gelacht.“

Die Jury des ARRI Award bildeten in diesem Jahr die Schauspielerin Sibel Kekilli, der Produzent Philipp Kreuzer sowie der U.S.-amerikanische Regisseur Riley Stearns. Im Wettbewerb um den ARRI Award für den besten internationalen Film in der Reihe CineMasters konkurrierten die neuesten Filme von zehn namhaften internationalen Regisseur:innen. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird von dem Münchner Unternehmen ARRI gestiftet.

CINEVISION AWARD
Mit dem CineVision Award für den besten internationalen Nachwuchsfilm wurde „Aftersun“ der schottischen Regisseurin Charlotte Wells ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt: „Dieser Film ist eine wahre CineVision. Der Blick durch den Camcorder verbindet uns emotional sofort mit Vater und Tochter und ihrer liebevollen Beziehung. Dieser Film schafft es, uns in einen Urlaub mitzunehmen, mit dem wir uns alle identifizieren können. Wir riechen die Luft, schmecken das Meer, spüren die Hitze auf unserer Haut, spüren das Chlor in unseren Augen. Die Musik ist das Bindeglied zwischen Zukunft und Vergangenheit. Mit Humor, Liebe und Leichtigkeit werden wir von unseren Erinnerungen angezogen, auch wenn sie uns wie gelähmt zurücklassen.
Ein Urlaub, der für Sophie so schön war – einer, der nie enden sollte, ihr aber für immer in schmerzlicher Erinnerung bleiben wird. Das brillante Schauspiel von Paul Mescal & Frankie Corio und der sehr warme menschliche Blick auf ein sehr schwieriges Thema zeigen uns eine großartige visionäre Leistung von Charlotte Wells. Das ist Kino! Und wir können es kaum erwarten, mehr von dieser talentierten Regisseurin zu sehen und übergeben mit größter Freude und Stolz den Preis an AFERSUN!“

Eine lobende Erwähnung der Jury erhielt „War Pony“ von Riley Keough und Gina Gammell. „Dieser kraftvolle, allegorische Film bietet eine dringend benötigte und zu selten erzählte Perspektive auf die Realitäten des zeitgenössischen Lebens in den Reservaten der amerikanischen Ureinwohner – mit Schwerpunkt auf den täglichen Kämpfen zweier Lakota-Jungen, die im Reservat Pine Ridge in South Dakota leben. Der Film holt mit Humor und Witz vor allem langjährige Symbole der nordamerikanischen Tradition zurück und erweckt die Lakota-Gemeinschaft zu lebendigem und fesselndem Leben. Unter aktiver Beteiligung und brillanten Darbietungen der Hauptdarsteller:innen LaDainian Crazy Thunder und Jojo Pabteise Whiting haben die Regisseur:innen Riley Keough und Gina Gammell einen ganz besonderen und wichtigen Coming-of-Age-Film über eine unterrepräsentierte Gemeinschaft geschaffen. Die CineVision-Jury ist stolz darauf, eine besondere Erwähnung an WAR PONY zu vergeben.“

Der CineVision Award im Wert von 15.000 Euro wird von der MPLC Deutschland GmbH (Motion Picture Licensing Company) gestiftet. Im Wettbewerb in der Reihe CineVision standen zehn Erstlings- und zweite Filme internationaler Regietalente, die mit ihrer Filmsprache neue Wege beschreiten.

Die Preisjuror:innen 2022 waren Regisseur Alexandre O. Philippe, Gráinne Humphreys, Festivalleiterin des Dublin International Film Festival, und Filmemacherin und Produzentin Roshanak Khodabakhsh.

CINEREBELS AWARD
Der in diesem Jahr zum ersten Mal verliehene CineRebels Award geht an „Cook F**k Kill“ von Regisseurin Mira Fornay. Der Preis zeichnet besonders rebellisches Filmschaffen aus – die Formatsprenger und Filmabenteu(r)er des internationalen Films. Im Wettbewerb in der Reihe CineRebels konkurrierten zehn Filme um den von Festival-Hauptpartner AUDI gesponsorten Preis in Höhe von 10.000 Euro.

Die Jury sagte über den Wettbewerb und den Gewinnerfilm:
„CineRebels sind radikal, experimentell, überraschend und gegen den Strich gebürstet. Wer dabei nur an ein visuelles Feuerwerk denkt, täuscht sich. Wir sind in dieser sehr internationalen Reihe auf eine große Themenvielfalt gestoßen und haben darin nach dramaturgischen, thematischen und inszenatorischen Rebell:innen gegraben. Regisseur:innen, die uns mehr als staunend zurücklassen. Die Preisträgerin Mira Fornay des Films „Cook F**k Kill“ widmet sich einem schmerzhaft aktuellen Thema. Häusliche Gewalt. Der Film basiert auf sorgfältigen Recherchen und wurde von der Jury als hochgradig authentische Beschreibung toxischer Beziehungsstrukturen empfunden. Dieser Film ist ein Rebell. Er wechselt die Genres. Er begegnet uns als Groteske, die es vermag, dennoch eine liebevolle Nähe zu den Figuren aufzubauen, ohne die Brutalität des Themas zu leugnen. Die Jury ist sich bewusst, dass dieser Film das Potenzial hat, Zuschauer:innen zu erzürnen, da er sich fortlaufend den Erwartungen entzieht. Eine experimentelle Position. Ein Wagnis. Dieser Film legt die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen gnadenlos offen. Dieser Film macht es uns nicht leicht und hat dabei dennoch einen hohen Unterhaltungswert. Vor allem schafft dieser Film eins – er zwingt uns zum Denken.

In der Jury des CineRebels Award waren die Filmregisseurin, Drehbuchautorin und Fotokünstlerin Franziska Stünkel, der Regisseur und Produzent RP Kahl und die Autorin, Filmemacherin und bildende Künstlerin Jovana Reisinger.

FIPRESCI-PREIS
„Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“ von Claudia Müller gewann den FIPRESCI-Preis 2022. Die Jury des internationalen Kritikerverbandes bildeten in diesem Jahr die Österreicherin Barbara Gasser, der türkische Journalist Engin Ertan und die Brasilianerin Enoe Lopes Pontes. Sie begründeten ihre Entscheidung wie folgt: „Die FIPRESCI-Jury des 39. Filmfest München hat entschieden, einen Film für seine herausragende Schnitttechnik auszuzeichnen, die dem Kinopublikum die Empfindungen einer umstrittenen Künstlerin näherbringt. Die Regisseurin hat eine einzigartige künstlerische Vision, die mit der Protagonistin harmoniert. Ihr Film ist ein Paradebeispiel für die Annäherung zweier unterschiedlicher Kunstdisziplinen: Film und Literatur. Der FIPRESCI-Preis geht an einen zeitgemäßen Dokumentarfilm: „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“ von Claudia Müller.“

CINEKINDL AWARD
„Comedy Queen“ von Sanna Lenken gewann den CineKindl Award für den besten Film beim KINDERFILMFEST MÜNCHEN. Der erstmalig verliehene Preis ist mit 2.500 € dotiert und wird von megaherz gestiftet, seit fast 40 Jahren Produktionsfirma für Kinderfilme und -sendungen, deren Anliegen es ist, die heranwachsenden Generationen in den Bann zu ziehen, zu informieren und zu bilden. „Der Verlust eines Elternteils ist der wohl schlimmste Schmerz, den Kinder erleben können. Sich diesem Thema in einem Film für ein (wohl gemerkt nicht nur) junges Publikum zu widmen ist mutig, wichtig und hier herausragend umgesetzt. Denn Sanna Lenken gelingt es, den genau richtigen Ton zwischen Schwere und Leichtigkeit zu treffen. Die grandios spielende Sigrid Johnson nimmt uns mit in die Innenwelt der 13-jährigen Sasha, für die es nach dem Tod der Mutter zum wichtigsten Ziel geworden ist, ihren trauernden Vater endlich wieder zum Lachen zu bringen. Für eigene Tränen ist da kein Platz. Mit dieser schlichten Prämisse entfaltet sich eine gefühlsgewaltige Filmerfahrung, die bei ihrer Auflösung kein Auge trocken lässt“, so die Begründung der Jury.

Eine lobende Erwähnung erhielt Joya Thomes Dokumentarfilm „One in a Million“: „Durch den respektvollen Blick unter die Oberfläche werden in diesem Film zwei Lebensrealitäten erfahrbar, die – zumindest geografisch – nicht weiter auseinanderliegen könnten. Beiden Protagonistinnen gelingt es, sich in einer von Follower-Zahlen und Klicks bestimmten Teenagerwelt von den Erwartungen an sie zu lösen. Sie lernen ihre Körper, Ängste, Bedürfnisse und Grenzen kennen und lassen diese Erfahrungen zu einem neuen Lebenspfad werden. Durch ihr mutiges Forschen nach dem wahren Selbst entwickeln die beiden Mädchen Yara und Whitney eine enorme innere Kraft, die uns durch diesen so zarten und wichtigen Coming-of-Age-Dokumentarfilm trägt.“

Die CineKindl-Jury bildeten Schauspielerin und Moderatorin Pia Amofa-Antwi, Autor und Regisseur Reza Memari und die Produzentin Jana Kreissl.

PUBLIKUMSPREISE
Am letzten Festivaltag wurde auch der Publikumspreis des Festivals vergeben. Der Bayern 2- und SZ-Publikumspreis ging an den Film „Wann kommst du meine Wunden küssen“ von Hanna Doose. Den KINDERFILMFEST-Publikumspreis erhielt Der Räuber Hotzenplotz“ von Michael Krummenacher.

ONE-FUTURE-PREIS
Der ONE-FUTURE-PREIS, verliehen von der Interfilm-Akademie, ging in diesem Jahr an den deutschen Film „Nicht ganz koscher – eine göttliche Komödie“ von Stefan Sarazin und Peter Keller. Eine lobende Erwähnung erhielt der brasilianische Film „Paloma“ von Marcelo Gomes, der auf dem FILMFEST MÜNCHEN seine Weltpremiere feierte. Der internationalen Interfilm-Jury 2022 unter Vorsitz von Filmpfarrer Eckart Bruchner (Deutschland) gehören an: Galina Antoschewskaja (Russland), Bhagu T. Chellaney (Indien), Ileana Cosmovici (Italien), Natalia Putintseva (Russland), Christine Weissbarth (Österreich).

FÖRDERPREIS NEUES DEUTSCHES KINO
Bereits am Freitag wurden außerdem deutsche Nachwuchstalente mit dem begehrten Förderpreis Neues Deutsches Kino ausgezeichnet. Die Jury – bestehend aus Schauspielerin Almila Bagriacik, dem Regisseur und Produzenten Sönke Wortmann und dem Produzenten Ingo Fliess – ehrte Sophie Linnenbaum mit dem Preis für die Beste Regie für ihren Film „The Ordinaries“. Britta Strampe und Laura Klippel erhielten ebenfalls für „The Ordinaries“ den Preis für die Beste Produzentische Leistung. Florian Plumeyer und Katharina Woll wurden für das Beste Drehbuch für „Alle wollen geliebt werden“ ausgezeichnet, der Preis für das Beste Schauspiel ging an Lena Schmidtke in „Wut auf Kuba“.