Die Philosophie der Vorsokratiker

Ausgangssituation

Handel und Schifffahrt der Griechen erstreckten sich über die ganze Welt des Mittelmeeres. Rund um dieses Meer, bis zur Straße von Gibraltar im Westen und bis zum Schwarzen Meer im Osten, hatten sich im Laufe der Zeit griechische Kolonisten niedergelassen. An den Küsten von Spanien, Südfrankreich, Nordafrika, meist aber in Unteritalien und Sizilien sowie an der dem griechischen Mutterland gegenüberliegenden und mit ihm durch die Kette der Ägäischen Inseln verbundenen Westküste Kleinasiens, wurden griechische Städte gegründet.
Im Verbund mit dem Wohlstand, den Seefahrt und Handel in diese Küstenstädte brachten, erwuchsen die Grundlagen einer allgemeinen Bildung. Immer und überall in der Geschichte hatte das Meer und die durch es vermittelte Berührung mit fernen Kulturen und deren Denkweise auf das geistige Leben einen befördernden Einfluss gehabt. Bis zur Ausbildung der modernen Technik war der Verkehr über Wasser leichter als der Landverkehr über größere Entfernungen. Zumal Griechenland mit seiner zerklüfteten Bodengestalt im Innern, die Fülle seiner nach außen, zum Meer sich öffnenden Tallandschaften, verwies seine Bewohner mit natürlicher Notwendigkeit auf das Meer. Die alten Kaufleute und Seefahrer sind sicher die ersten Zweifler an den überlieferten Lebensformen, Denkweisen und religiösen Vorstellungen ihrer jeweiligen Heimat gewesen.
Die Küstenstädte und Handelsplätze, zuerst an der griechisch besiedelten kleinasiatischen Küste, dann in Italien, später erst an der Küste des Mutterlandes allen voran Athen waren es daher, in denen sich philosophisches und wissenschaftliches Denken zuerst regte, gefördert auch durch freiheitliche und demokratische Verfassungen und die durch diese bedingte Entwicklung der freien öffentlichen Rede. Zu den günstigen geographischen und gesellschaftlichen Vorbedingungen trat der glückliche historische Umstand, dass die Griechen zwar in kulturellen Austausch mit den älteren Kulturen des Ostens traten, ja viele Grundlagen ihrer Zivilisation dort entlehnten, so dass der griechische Geist die fremden Anregungen verarbeiten konnte.
Um die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr., also fast ein halbes Jahrtausend nach dem Ende der achäischen Kolonisation beginnt die zweite Periode der griechischen Ausbreitung im Mittelmeerraum. Sie wird von den breitesten Schichten des griechischen Volkes, vom Adel bis zu den besitzlosen, dem ländlichen Proletariat getragen. Sie ist, welche Gründe man auch immer anführen mag, vor allem der Ausdruck eines elementaren neuen Lebensgefühls, dem die Grenzen der Heimat zu eng geworden sind. So ist es kein Zufall, wenn sich das Leben des berühmten Archilochos von Paros, in diese Bewegung mit einfügt. Gegenüber der achäischen Expansion sind die Dimensionen, räumlich und bevölkerungspolitisch, fast bis ins Unendliche gewachsen: als die Kolonisation um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. allmählich abklingt, gibt es griechische Städte fast im gesamten Mittelmeerraum, nur im Osten haben die vorderasiatischen Großreiche die Festsetzung der Griechen an Syriens Küste verhindert. Eine Expansion, die umso erstaunlicher ist, als sie sich ganz als Planung und Durchführung griechischer Einzelgemeinden und Einzelpersönlichkeiten darstellt. Irgendeine Art zentraler Lenkung gab es nicht. Die Initiative ruhte bei den griechischen Gemeinden, den Poleis, oder bei gewissen Gruppen innerhalb der Bevölkerung.
Die Gründe für die Auswanderung liegen in den inneren Verhältnissen des griechischen Mutterlandes. Es ist einmal die Überbevölkerung von Hellas, eine periodisch wiederkehrende Erscheinung der griechischen Geschichte. Es ist unwahrscheinlich, dass sich Gebiete wie Thessalien, Böotien und Attika nicht an der Auswanderung beteiligt hätten. Vielmehr müssen auch sie den Überschuss an Menschen über die großen Häfen in die Ferne abgegeben haben. Neben der Überbevölkerung sind es die tiefgehenden sozialen Gegensätze, wie sie aus den inneren Auseinandersetzungen in Städten wie Megara, Korinth, Athen und Mytilene zu erschließen sind, die wiederum tausende zum Verlassen der Heimat veranlasst haben. Auch der Gegensatz von Teilen der Bürgerschaft zu den Tyrannen hat immer wieder Menschen aller Stände außer Landes getrieben.
Mit dem Streben nach neuem Ackerland verbinden sich handelspolitische Gesichtspunkte. Für die bedeutende Ausweitung der griechischen Schifffahrt und des griechischen Handels in jener Periode, die der Kolonisation unmittelbar vorausgeht, liegen zuverlässige Angaben nur für den Westen vor. An nicht weniger als 30 Stellen im Raum von Apulien bis Marseille ist griechischer Import, vor allem Vasen, im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. durch Bodenfunde nachgewiesen; die Vasen stammen aus dem Bereich nahezu der gesamten griechischen Welt. Es sprechen sogar Anzeichen dafür, dass man schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrhundert v. Chr. mit griechischen Künstlern in Etrurien, Falerii und Tarquinii rechnen darf. Die Kunde von der Geographie des Westens und des Nordens hat sich in der Odyssee und der Argonautensage niedergeschlagen. Die Kolonisation ist ein Zeitalter der Entdeckungen vorausgegangen; an ihnen hatten im Westen chalkidische Handelskapitäne einen großen Anteil.
Vornehmlich aus den Dichtungen Homers kennt man das damals bereits versunkene heroische Zeitalter der Griechen. Aus ihnen und aus dem Werke Theogonie des Hesiod und aus anderen Quellen kann man sich ein Bild von der griechischen Religion machen. Für das Verständnis der griechischen Philosophie ist die Kenntnis der altgriechischen Religion nicht in gleichem Maße unerlässlich, wie das etwa in Indien der Fall ist.
Dieser Welt von schönen, gütigen, sehr menschliche Züge tragenden Göttern, denen die Griechen sehr frei gegenübertraten, steht aber im griechischen Leben, vielleicht von Anbeginn an, jedenfalls schon zu der Zeit der Vorsokratiker, eine andersartige religiöse Strömung von ungefähr gleicher Macht gegenüber. Sie ist sicherlich nicht griechischen Ursprungs, sondern hat aus dem Orient nach Griechenland hinübergegriffen. Sie ist im Unterschied zu der ganzen Diesseitigkeit und Helle der homerischen Religion dem Dunkeln und dem Jenseits zugewandt, kennt Begriffe wie Sünde, Buße und Reinigung. Die in diese Richtung gehörenden Mysterienkulte (Eleusinische Mysterien, Dionysuskult, Orphik) trugen durchweg den Charakter von Geheimlehren, woraus die spärlichen Kenntnisse der Nachwelt über sie zu erklären sind. Große Teile der griechischen, später auch der römischen Bevölkerung hingen ihnen an. In der Philosophie erlangten aus dieser Strömung stammende Elemente mehrfach eine herausragende Bedeutung, so bei den Pythagoreern, bei Platon und im späteren Neuplatonismus.
Die Griechen haben zu keiner Zeit, weder später noch in der Frühzeit, einen Priesterstand besessen, der an gesellschaftlicher Macht oder geistigem Einfluss mit dem indischen oder ägyptischen zu vergleichen wäre. Die griechischen Priester haben daher insgesamt betrachtet weder die Entwicklung freien Denkens entscheidend gehemmt wie in Ägypten, noch an der Weiterbildung religiöser Ideen zu religiös-philosophischen Systemen maßgeblich mitgewirkt wie in Indien.
Die Zeit, in der der griechische Geist unter allmählicher Loslösung von der überlieferten traditionellen Religion und teilweise auch unter lebhafter Kritik an deren Vorstellungswelt mit dem Versuch beginnt, mit dem Mittel selbständigen, vernunftmäßigen Denkens die Welt aus natürlichen Ursachen zu erklären, liegt um das Jahr 550 v. Chr. Es ergibt sich dabei die merkwürdige Tatsache, dass dieser weltgeschichtlich entscheidenden Wendung in Griechenland geistige Umwälzungen von ähnlicher Tragweite in Indien und China zeitlich entsprechen. In China muss das Wirken des Lao Tse (ca. 609-517 v. Chr.) um die Mitte des 6. Jahrhunderts gelegen haben. Das des Konfuzius folgt unmittelbar darauf. In Indien traten zur gleichen Zeit Mahavira, der Stifter des Jainismus (ca. 599-527 v. Chr.), Buddha (ca. 563-483 v. Chr.) und andere bedeutende Denker und Religionsstifter auf. In Griechenland gab es zu dieser Zeit eine Reihe von Denkern, die die Begründer der griechischen Philosophie und der Wissenschaft überhaupt wurden. Das Bild vervollständigt sich, wenn man in Betracht zieht, dass um dieselbe Zeit im alten Judentum die Propheten wie Jeremia, der um 600 v. Chr. in Jerusalem wirkte, und Hesekiel mit seinem Wirken um 580 v. Chr. in Babylon erschienen. Möglicherweise gehört auch Zarathustra, der Stifter der alten persischen Religion, in die gleiche Zeit, was allerdings in der Forschung sehr umstritten ist.
Die älteste Periode des griechischen Denkens setzt ein mit dem nahezu gleichzeitigen Auftreten einer Reihe von Denkern, die alle das eine gemeinsam haben, dass sie unter Negierung von theologischen Vorstellungen nach einem Urstoff auf die Suche gehen. Man bezeichnet diese Periode als die ältere griechische Naturphilosophie. Auf sie folgt einerseits Pythagoras und seine Schüler, deren Denken eine mystische, am Begriff der Zahl orientierte Richtung einschlägt, andererseits die jüngeren Schulen der Naturphilosophie in der griechischen Welt. Allen ist als Ziel gemeinsam, dass sie auf eine Erklärung der natürlichen Welt aus sind und insofern Naturphilosophie methodisch betreiben. Das heißt, dass sie kritisch an Fragen der Welt herangehen und sich von mythischen Vorstellungsweisen lösen und stattdessen mit Logik und Rationalität arbeiten.
Die griechischen Sophisten, die die Widersprüche im bisherigen philosophischen Denken aufdecken und, indem sie dieses als ungenügend erweisen, zugleich den Weg bereiten für die drei größten Denker die Griechenland je hervorgebracht hat: Sokrates, Platon und Aristoteles, von denen der Jüngere jeweils der Schüler des Älteren war. Bei diesen drei Denkern erreicht die griechische Philosophie ihre einzigartige Höhe. Alle uns heute bekannten Zweige philosophischer Reflexion wurden dort ausgebildet: Logik, Metaphysik, Ethik, Natur- und Geschichtsphilosophie, Ästhetik und Pädagogik. Diese eigentliche Blütezeit der griechischen Philosophie, in der Athen ihr Mittelpunkt ist und die darum auch die attische genannt wird, beginnt mit dem Auftreten der Sophisten um die Mitte des 5. Jahrhunderts und reicht bis zum Tode des Aristoteles im Jahre 322 v. Chr. Erst mit dem 6. Jahrhundert verschwand die griechische Philosophie als selbständige Erscheinung vom Schauplatz der Weltgeschichte, die bildete aber einen Grundpfeiler zur Herausbildung der abendländischen Kultur.
Von keinem einzigen Philosophen des vorsokratischen Zeitalters ist das Werk oder auch nur eine einzelne Schrift vollständig erhalten. Manche dieser Denker haben überhaupt keine schriftlichen Quellen der Nachwelt hinterlassen, von deren sind die Werke verlorengegangen oder wurden zerstört. An unmittelbaren Quellen, d.h. von den Philosophen selbst stammenden Zeugnissen, gibt es für die ganze Zeitspanne für Bruchstücke, die Fragmente der Vorsokratiker. Es gibt aber mittelbare Quellen, die aus verschiedenen Bereichen stammen. Diese bestehen zum einen Teil in Werken späterer Philosophen, die der Darlegung ihrer eigenen Ansicht eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Meinungen ihrer Vorgänger vorangehen ließen. Zum anderen Teil bestehen die mittelbaren Quellen in den vollständigen Werken solcher Gelehrter, die sich die Darstellung der Geschichte der Philosophie zur ausdrücklichen Aufgabe gemacht haben, wozu die Anregungen von Aristoteles ausgegangen sind. Als Beispiel für diese letzteren sind die Bücher des Diogenes Laertios (um 220) über Leben und Lehre der namhaften Philosophen zu nennen. Weiterhin existieren Doxographien über die Geschichte der Philosophie von verschiedenen Autoren. Doxographien sind antike Werke, in denen die Lehren (doxai) verschiedener Philosophen zu bestimmten Fragen in Form einer Übersicht nebeneinandergestellt wurden.
Annas, J.: Kurze Einführung in die antike Philosophie, Göttingen 2009,
Geyer, C.-F.: Philosophie der Antike. Eine Einführung. 4. Auflage, Darmstadt 1996,
Held, K. Treffpunkt Platon. Philosophischer Reiseführer durch die Länder des Mittelmeers. 3. Auflage, Stuttgart 2001
Ries, W.: Die Philosophie der Antike, Darmstadt 2005,
Bengtson, H.: Griechische Geschichte. Von den Anfängen bis in die Römische Kaiserzeit, 8. Auflage, München 1994
Heuberger, N.: Griechenland und der Orient. Eine spannungsreiche Beziehung, Berlin 1983
Lemburg, I./Gerks, A.: Die Frühzeit Griechenlands, Wiesbaden 1967

Milet
Auf schmalem Küstensaum am Westrande Kleinasiens entlang der Ägäis hatten die Ionier zwölf wirtschaftlich blühende Städte gegründet. Hier endeten die großen Karawanenstraßen, die aus dem Inneren des asiatischen Kontinents kamen, hier wurden die von dort ankommenden Waren auf Schiffe verladen und nach Griechenland verfrachtet. Mit den Waren aus dem Osten kam die Kenntnis vieler kultureller Errungenschaften der asiatischen Völker auf diesem Wege zu den Griechen. Astronomie und Kalender, Münzen und Gewichte, vielleicht auch die Schrift, kamen aus dem Osten zunächst zu den kleinasiatischen Ioniern und wurden von ihnen den übrigen Griechen vermittelt. Die südlichste der zwölf ionischen Städte war Milet, im 6. Jahrhundert v. Chr. ein bedeutender Handelshafen und vielleicht die reichste Stadt der damaligen griechischen Welt. Die Stadt, wo verschiedene Völker lebten, ist die Geburtsstätte der griechischen und damit auch der abendländischen Wissenschaft und Philosophie.
Der erste der milesischen Naturphilosophen war Thales der in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. wirkte. Thales war erstens ein weitgereister und weltgewandter Kaufmann, der unter anderem Ägypten bereist haben soll. Zweitens war er Staatsmann, drittens ein vielseitiger Naturforscher. Er hatte wahrscheinlich aus dem Osten bezogene astronomische Kenntnisse und sagte zum Erstaunen seiner Zeitgenossen eine Sonnenfinsternis richtig voraus. Er beschäftigte sich mit Magnetismus und er fand eine Anzahl grundlegender Lehrsätze der Mathematik, die noch heute mit seinem Namen verbunden werden. Weiterhin ermittelte er die Höhe der ägyptischen Pyramiden durch Messung ihres Schattens zu einer bestimmten Tageszeit.
Unbestritten ist der Ruhm des Thales als des ersten Griechen, der das orientalische Wissen auf den Gebieten der Mathematik und Astronomie aufnahm und selbständig weiterverarbeitete. Den Griechen galt er als der erste der „Sieben Weisen“ der alten Welt. Wahrscheinlich ist, dass ein so überragender Kopf mit so ausgedehntem Wissen sich auch seine eigenen Gedanken über das tiefere Wesen der Dinge gemacht hat. Nach antiker Überlieferung antwortete er auf die Frage, was am schwersten von allen Dingen sei, sich selbst zu kennen. Auf die Frage, was denn am leichtesten sei, antwortete er, anderen Leuten einen Rat zu geben.
Unsicher ist, inwieweit Thales zu allgemeinen philosophischen Schlussfolgerungen gekommen ist. Eine philosophische Schrift ist von ihm nicht bekannt, was aber aufgrund der dünnen Quellenlage nicht heißen muss. Als Grundgedanke seiner Naturphilosophie gilt, dass das Wasser der Urstoff sei, aus dem aller hervorgegangen sei.
Dieser Urstoff Wasser ist für Thales von besonderer Bedeutung, da das Wasser mit Bezug auf Okeanos und die alten Mythen und in Bezug auf die Aussage, alles sei belebt, einen metaphysischen Aspekt erhält. Allerdings zeigt die Beobachtung der Welt, des Lebenden, des Wassers und ihre Verbindungen (der Wasserverbrauch der Lebewesen, die formende Wirkung des Wassers) einen weiteren Grund auf, warum das Wasser – von allen Legenden entledigt – auch rational als der Urgrund für die Dinge erkannt werden könnte. Das besondere Verdienst des Thales ist also darin zu sehen, dass er sich von dem Mythos als Erklärung der Welt abwandte und versuchte, sie in den natürlichen Erscheinungen – wie zum Beispiel den Aggregatszuständen des Wassers – zu finden. Hierbei ist der Einfluss der Mythen in seinen Überlegungen und in seinen Erläuterungen immer noch deutlich. Man muss bedenken, dass Thales noch in einer Welt mythologischer Terminologie lebte und dass sich sein Denken somit auch in dieser Terminologie abspielte. Da sollte es nicht überraschen, dass er, obwohl kritisch, auf die ihm bekannten Erklärungen der Welt zurückgriff, um seine Thesen zu entwickeln und somit deren Einfluss ausgesetzt war.
Anaximander war milesischer Mitbürger und ungefährer Zeitgenosse von Thales. Seine Lebenszeit wird etwa von 611-549 v. Chr. angesetzt. In ihm müssen wir, da man sich bei Thales in der Forschung nicht sicher ist, den eigentlichen Begründer der Philosophie als eigenständiger Disziplin sehen. Seine Ansichten legte er in einer nicht erhaltenen Schrift dar, die wahrscheinlich den später vielfach verwendeten Titel „Über die Natur“ hatte. Laut Anaximander sei das Urprinzip der Welt und die Ursache allen Seins ein Unbestimmtes und Grenzenloses, aus dem sich Kaltes und Warmes, Trockenes und Feuchtes sonderten. Mit dem Gedanken, dass die Erde, die er frei im Raum schwebend sich dachte, zuerst im flüssigen Zustand gewesen sei und bei ihrer allmählichen Austrocknung die Lebewesen hervorgebracht habe, wobei diese zunächst im Wasser lebten und später auf das Land übergewechselt seien.
Mit der Lehre, dass ein ursprünglich die Erde umgebener Feuerkreis nach seinem Zerspringen Feuer auslösend um die Erde rotiere, macht er den ersten Versuch, die Gestirne physikalisch zu deuten. Nach ewigem Gesetz gehen aus dem Unbestimmt-Grenzenlosen immer wieder neue Welten hervor und kehren wieder in dasselbe zurück, die „einander Strafe und Buße gebend für die Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit“, wie es in seinem einzig erhaltenen Fragment heißt.
Der dritte der milesischen Naturphilosophen, Zeitgenosse des Anaximander, ist Anaximenes, dessen Tod auf 527 v. Chr. geschätzt wird. Anaximenes hat die Luft als den Urstoff angesehen, freilich wohl nicht im wörtlichen Sinne, denn er begreift darunter als belebenden Atem auch die Seele. Wie Aniximander lehrte er auch einen periodischen Wechsel zwischen Weltentstehung und Weltzerstörung.
Das Gemeinsame in den Lehren der drei Milesier liegt in dem Bestreben, die Entstehung alles Seienden aus einem letzten Urstoff oder stofflich aufgefassten Urprinzips zu erklären. Ihre Wichtigkeit für die weitere griechische Philosophieentwicklung liegt weniger in der Art und Weise, wie sie dies im Einzelnen versuchten, sondern in der Tatsache, dass sie erstmalig den Versuch machen, an diese Frage unvoreingenommen mit naturwissenschaftlichem Denken heranzugehen und in dem Mut, mit der sie die Vielfalt der Erscheinungen auf ein einziges Urprinzip zurückzuführen suchen.

Pythagoras und die Pythagoreer
Der Ruhm, die griechische Wissenschaft und dabei insbesondere die Mathematik begründet zu haben, kann mit gleichem Recht wie den milesischen Naturphilosophen auch dem Pythagoras zugebilligt werden. Der gebürtig aus Samos stammende Mathematiker, Astronom und Philosoph lebte zwischen 580-500 v. Chr. Nach langen Wanderjahren, die ihn nach antiken Quellen auch nach Ägypten und in den Orient geführt haben sollen, entfaltete er seine Wirksamkeit als Lehrer und Begründer eines religiösen Ordens in Kroton in Unteritalien. Seine Heimat verließ er der Überlieferung zufolge, da er die Tyrannei des Polykrates missbilligte und zu einem freien Ort auswandern wollte.
In der Mathematik ist der Name der Pythagoras vor allem mit dem bekannten Lehrsatz verknüpft, dass das Quadrat über der längsten Seite eines rechtwinkligen Dreiecks gleich groß ist wie die Summe der Quadrate über den beiden anderen Dreieckseiten. Auch die Erkenntnis, dass die Summe der Winkel eines Dreiecks gleich zwei rechten ist, wird auf ihn zurückgeführt. Pythagoras betrieb die Mathematik nicht als Selbstzweck oder begrenzte Fachwissenschaft. Er stellte sie, vor allem die Lehre von den Zahlen, in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Pythagoras war wahrscheinlich der erste Mensch, der das Wort Philosophie in dem uns heute geläufigen Sinne verwandte. Es erschien ihm nämlich anmaßend, sich nach der bis dahin üblichen Manier einen „sophos“, also einen Weisen zu nennen, und so nannte er sich in bescheidener Manier, einen Freund oder Liebenden der Weisheit.
In den Zahlen sieht die pythagoreische Lehre das eigentliche Geheimnis und die wesentlichen Bausteine der Welt. Jede der Grundzahlen von 1 bis 10 hat ihre besondere Kraft und Bedeutung, allen voran die vollkommenste und umfassende 10. Die Harmonie der Welt beruhe darauf, dass alles in ihr nach Zahlenverhältnissen geordnet sei. Dies zeigte sich für Pythagoras vor allem an der Musik. Er scheint der erste gewesen zu sein, der den harmonischen Zusammenklang der Töne und die Stufen der Tonleiter auf zahlenmäßige Verhältnisse zurückgeführt hat, nicht zwar Verhältnisse der Schwingungszahl, aber der Länge der klingenden Saiten. Die musikalische Harmonie findet Pythagoras im Aufbau des Weltalls wieder. Wie jeder bewegte Körper ein Geräusch verursacht, das von dessen Größe und der Schnelligkeit der Bewegung abhängt, so rufen die Himmelskörper beim Durchlaufen ihrer Bahn eine ununterbrochen erklingende, nur vom Menschen nicht wahrnehmbare Sphärenmusik hervor. Dieser Gedanke einer musikalisch verstandenen Harmonie des Weltalls ist seit Pythagoras nicht nur als dichterisches Bild, sondern auch in den physikalischen oder astronomischen Wissenschaften immer wieder aufgetaucht. Der große Astronom Johannes Kepler hat Pythagoras ein Buch gewidmet als Zeichen seiner Anerkennung.
Daraus wird ersichtlich, dass Pythagoras das Geheimnis der Welt nicht wie die milesischen Naturphilosophen in einem einzigen Urstoff sucht, sondern in einem Urgesetz, nämlich der unveränderlichen zahlenmäßigen Beziehungen unter den Bestandteilen der Welt. Wer das periodische System der Elemente und seine Ausdeutung durch die moderne Naturwissenschaft kennt, dem muss dieser Gedanke als geniale Vorahnung unserer heutigen Erkenntnis auf diesem Gebiet erscheinen. Mit der Zahlenlehre sind bei Pythagoras tiefreligiöse und mystische Ideen von wahrscheinlich orientalischem Ursprung verbunden, insbesondere ein dem indischen Denken eng verwandter Seelenwanderungsglaube. Danach durchläuft die unsterbliche Menschenseele einen langen Läuterungsprozess durch immer erneute Wiederverkörperungen, die auch in Tiergestalt erfolgen können. Dementsprechend findet sich wie in Indien das Gebot, kein Tier zu töten oder zu opfern und kein Fleisch zu sich zu nehmen. Da es als Ziel des Lebens angesehen wird, die Seele durch Reinheit und Frömmigkeit vom Kreislauf der Wiedergeburten zu erlösen, zeigt auch die pythagoreische Ethik der indischen verwandte Züge: Selbstdisziplin, Enthaltsamkeit und Genügsamkeit werden gefordert.
Eine Reihe strenger Regeln machte den von Pythagoras nach seinen Richtlinien gegründeten religiösen Bund zu einer nach außen abgeschlossenen und ihre Geheimnisse wahrenden Gemeinschaft, fast zu einem Staat im Staate nach eigenen Regeln. Die Mitglieder dieses Bundes mussten bei ihrer Aufnahme geloben, enthaltsam und bescheiden zu leben, kein Tier zu töten, das nicht den Menschen angreift, und jeden Abend ihr Gewissen zu prüfen, welche Fehler sie begangen haben und welche Gebote sie vernachlässigt haben. Außerdem waren sie zu unbedingtem Gehorsam und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Bund nahm auch Frauen auf, und die in Philosophie und Literatur, aber auch in häuslichen Fertigkeiten gebildeten Frauen sollen im Altertum als der höchste Frauentypus, den Griechenland je hervorbrachte, verehrt worden sein. Vorgeschrieben war weiterhin ein fünfjähriges, unter Bewahrung strikten Schweigens zu absolvierendes Studium. Die wissenschaftliche Bildung wurde neben Musik, Gymnastik, Heilkunde von den Pythagoreern besonders hochgehalten und gefördert. Die Autorität des Meisters stand dabei stets über allem; die im Orden gemachten wissenschaftlichen Entdeckungen wurden ihm stets zugeschrieben.
Der Versuch, das Gewicht des pythagoreischen Bundes auf dem Gebiet der Politik einzusetzen und zwar nach Pythagoras eigener Einstellung mit ausgesprochen aristokratischen Tendenzen, führte bald zu Angriffen gegen ihn und seine Anhänger und schließlich zu seiner gewaltsamen Zersprengung des pythagoreischen Versammlungshauses in Kroton. Nach verschiedenen Berichten soll Pythagoras selbst mit vielen seiner Anhänger dabei ums Leben gekommen sein. Nach abweichenden Darstellungen verließ er daraufhin den Ort und starb im hohen Alter im Metapont. Historisch gesehen bleibt der Bund der Pythagoreer bedeutsam als ein Versuch, religiöse und philosophische Gedanken in einer abgeschlossenen und disziplinierten Gemeinschaft in die Praxis umgesetzt zu haben.
Die Lehren des Pythagoras sind uns heute hauptsächlich aus den später abgefassten Schriften des griechischen Historikers Philolaos bekannt, von Pythagoras selbst ist keine Schrift erhalten. Ihr Einfluss war nicht mit dem Untergang des Ordens zu Ende. Er erstreckte sich vielmehr, weit über den Kreis ihrer unmittelbaren Anhänger hinaus, durch die gesamte Welt der Antike. In den postchristlichen Jahrhunderten kam die an Pythagoras anknüpfende Schule des Neopythagoreismus eine Zeitlang zu Blüte und Ansehen.

Die Eleaten
An der italienischen Westküste südlich des heutigen Salerno lag die Stadt Elea im italienischen Kolonisationsraum der Griechen. Dort entstand gleichzeitig mit Pythagoras eine Schule von Philosophen, die wegen ihres Heimatortes die Eleaten genannt wurden. Ihre bedeutendsten Vertreter sind Xenophanes, Parmenides und Zenon.
Xenophanes wurde wahrscheinlich um 570 v. Chr. in Elea geboren und stammte von der griechisch besiedelten Westküste Kleinasiens. Er durchwanderte jahrzehntelang als fahrender Dichter und Sänger die Städte der Griechen, bis er in Elea eine bleibende Stätte fand und zum Begründer der dortigen Philosophenschule wurde. Die aus dieser Zeit enthaltenen Fragmente stellen Teilstücke aus Gedichten dar, möglicherweise sogar philosophische Lehrgedichte.
Xenophanes eröffnet den Sturmangriff der Philosophie gegen die alte griechische Religion. Unwürdig des göttlichen Namens erscheinen ihm viele menschliche Züge tragenden Götter dieser Zeit. Homer und Hesiod warf er vor, Taten, die unter den Menschen als schändlich gelten wie Diebstahl, Betrug und Ehebruch, den Göttern angedichtet zu haben. In dem von ihm stammenden Lehrgedicht, von dem noch Teile erhalten sind, macht er die vermenschlichte Vorstellung von den Göttern lächerlich: Die Menschen würden sich einbilden, dass die Götter wie sie geboren werden, menschliche Gestalt haben, sich von Ort zu Ort bewegen, Kleidung tragen usw. Besäßen aber Ochsen, Pferde und Löwen Hände und könnten damit Bilder oder Statuen ihrer Götter anfertigen, so würden sie ohne Zweifel ihren Göttern die Gestalt von Ochsen, Pferden und Löwen verleihen, wie die Menschen den ihren die menschliche Gestalt. In Wahrheit haben die Menschen niemals Genaueres über die Götter gewusst und werden es auch niemals wissen. Nur eines ist für Xenophanes in seinen religiösen Vorstellungen gewiß: Es kann nicht eine Vielfalt an Göttern geben, es kann nicht ein Gott über den anderen herrschen. Das Höchste und Beste kann nur eines sein. Dieser eine Gott sei allgegenwärtig und den Sterblichen weder an Gestalt noch an Gedanken vergleichbar. Der höchste Gott ist für Xenophanes zugleich identisch mit der Einheit des Weltganzen, so dass man seine Lehre als pantheistisch bezeichnen kann.
Xenophanes ist so wahrscheinlich der erste unter den griechischen Philosophen, der als nüchterner Logiker gegen die althergebrachte Religion und auch gegen jede Art von Aberglauben und damit auch gegen die Seelenwanderungslehre wettert. Mit seiner Gleichsetzung des höchsten Wesens mit der Einheit des Weltganzen ist er zugleich der Begründer der Lehre von einem ewigen, unveränderlichen Sein hinter der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen.
Parmenides wurde ca. 525 v. Chr. in Elea geboren und war ein angesehener Bürger der Stadt. Es könnte sein, dass er ein Schüler des Xenophanes war. Parmenides entwickelte sich zum bedeutendsten Denker der eleatischen Schule. In der Antike war er einer der angesehensten Philosophen in Griechenland und darüber hinaus. Er griff den Gedanken des Xenophanes von einem unveränderlich Seienden auf und gab ihm eine systematische Form. Es ist nicht feststellbar, welche Gedanken Parmenides von Xenophanes übernommen hat und welche diesem vielleicht irrtümlicherweise zugeschrieben wurden. Platon hat einem seiner Dialoge den Titel Parmenides gegeben. Dort lässt er den schon gealterten Parmenides, dessen Schüler Zenon und Sokrates miteinander diskutieren.
Ein in Bruchstücken erhaltenes Lehrgedicht, das etwa 150 Zeilen in Hexametern umfasst, schildert eine Reise des Parmenides aus dem Reich der Nacht zu einer Göttin im Land des Lichts, was gleichbedeutend mit der Wahrheit verstanden werden muss. Wahrheit und Wissen einerseits, Schein und bloße Meinung andererseits werden in dem Gedicht gegenübergestellt. Nach Parmenides erlangt man wahres Wissen durch reine Vernunfterkenntnis. Diese aber lehrt, dass es nur ein Sein, nicht jedoch Nichtseiendes geben kann. Nur das Seiende ist, das Nichtseiende ist nicht und kann nicht gedacht werden. Unter Seiendem versteht Parmenides Raumerfüllendes, geleugnet wird also die Möglichkeit eines leeren Raumes. Die Annahme einer Bewegung setze immer Nichtseiendes voraus, denn damit sich ein Körper an einen bestimmten Ort bewegen kann, muss vorher dort leerer Raum, also nichts gewesen sein. Ebenso verhält es sich mit der Annahme der Entwicklung eines Werdens, denn was erst werden soll, ist zuvor noch nicht vorhanden.
Aus diesen Gedankenspielen folgt für Parmenides der Schluss, dass es in Wahrheit weder Werden noch Bewegung geben kann, sondern nur unveränderliches beharrendes Sein. Da das Seiende alles erfüllt, gibt es auch kein dem Sein gegenüberstehendes Denken. Vielmehr ist Denken und Seiendes eins. Die Sinne, die den Menschen eine Welt ständigen Werdens und Vergehens und steter Bewegung vorführen, seien eine Täuschung und die Quelle allen Irrtums. Hier wie bei praktisch allen Vorsokratikern ist allerdings jede Deutung aus den Textfragmenten unsicher und umstritten.
Die Lehre des Parmenides mit ihrer Leugnung jeglicher Veränderung klingt sehr angreifbar, und an Angriffen auf ihn und seine Lehre scheint es wohl auch nicht gemangelt zu haben, Sein Schüler Zenon, der um 490 v. Chr. geboren wurde, betrachtete es als seine Hauptaufgabe, die Lehren des Parmenides gegen kritische Einwände zu verteidigen. Dabei entwickelte er eine so scharfsinnige und überspitzte Kunst der Beweisführung, dass er als Begründer der in Griechenland später zur hohen Blüte gelangten Dialektik angesehen worden ist. Bei Zenon sind wie auch bei anderen Vorsokratikern im ursprünglichen Wortlaut nur wenige Fragmente erhalten; alles übrige, was man von Zenon und seine Philosophie weiß, beruht auf den Schriften Platons, Aristoteles und anderen späteren Quellen.
Zenon geht aus von dem Vorwurf der Widersprüchlichkeit, der gegen die von Parmenides gelehrte Leugnung der Vielheit und der Veränderung erhoben worden war, und macht sich daran, zu beweisen, dass vielmehr gerade die Annahme einer Vielheit des Seienden und die Annahme der Realität der Bewegung zu unauflösbaren Widersprüchen führen. Als Argumentation gegen die Bewegung führt er folgende Beispiele an. Bei einem Wettlauf zwischen Achilles und einer Schildkröte, bei dem diese auch nur einen geringen Vorsprung hätte, könnte Achill sie niemals einholen. Denn in dem Augenblick, in dem Achilles einen bestimmten Punkt A erreicht, an dem sich die Schildkröte unmittelbar vorher befand, ist diese gerade nach Punkt B weitergerückt. Erreicht er den Punkt, hat die Schildkröte diesen gerade wieder verlassen und rückt nach Punkt C weiter und so weiter. Somit kann also der Vorsprung der Schildkröte auf Achill zwar geringer werden, aber niemals eingeholt werden. Als zweites Beispiel geht Zenon von einem fliegenden Pfeil aus, der sich in jedem beliebigen Einzelmoment seines Fluges betrachtet an einer bestimmten Stelle des Raumes befindet, an dem er in diesem Moment ruht. Wenn er aber in jedem einzelnen Zeitpunkt seines Fluges ruht, so ruht er auch im Ganzen. Dies bedeutet für Zenon, dass der fliegende Pfeil sich nicht bewegt.
Natürlich ist nicht anzunehmen, dass Zenon im Ernst davon überzeugt war, die Schildkröte sein nicht einzuholen. Der Zweck seiner Beispiele und Argumente war ein negativer. Er wollte damit den Gegnern des Parmenides zeigen, dass es leicht sei, auch in ihren eigenen Ansichten Widersprüche nachzuweisen. Doch darf der von Zenon angewandte Scharfsinn nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in seiner Beweisführung elementare Schwächen gibt. Wenn jemand in der Zeit, in der der Pfeil fliegt, in eine Reihe von Einzelmomenten zerlege, so muss, wenn die Einzelelemente unendlich kurz gewählt sind, der Pfeil in jedem von ihnen als ruhend erscheinen. Die Zeit besteht aber in Wirklichkeit nicht aus einer Reihe von Zeitpunkten; ihr Wesen ist gerade ein stetiges, jeden Punkt hindurchlaufendes Fließen. Die Zerhackung in Einzelmomenten ist nicht der Zeit eigen, sondern stammt aus dem Denken des Menschen.
Es lässt sich feststellen, dass Zenons Beweisführung zumindest in einem bahnbrechend geblieben ist für alle nachfolgenden Philosophien: Sie haben den Blick dafür geschärft, dass die einleuchtenden, selbstverständlich scheinenden Annahmen und Aussagen, wenn man ihnen kritisch auf den Grund geht, sich als zweifelhaft, brüchig, widersprüchlich herausstellen können

Die Naturphilosophen im 5. Jahrhundert v. Chr.
Möglicherweise noch im 6. Jahrhundert v. Chr. und immer noch auf griechischem Kolonialboden in Italien außerhalb des Mutterlandes, diesmal im kleinasiatischen Ionien, wirkte Heraklit. In Ephesos, einer damals blühenden Metropole, wurde in einer vornehmen Familie um das Jahr 540 v. Chr. Heraklit geboren, dem die Nachwelt als Beinamen des Dunklen verliehen hat.
Er galt seit seiner Jugend als Einzelgänger, Verächter der Masse und Feind der Demokratie. Er suchte im Leben wie im Denken eigene bis dahin unbetretene Wege. Seine Philosophie legte er in einer Schrift über die Natur nieder. Sie ist in einem höchst zugespitzten und eigenwilligen, an Bildern und Vergleichen reichen Stil gehalten, auf knappen Ausdruck bedacht und wegen ihrer aphoristischen Kürze dunkel gehalten. Jedenfalls vermitteln die mehr denn hundert einzelnen Bruchstücke, die von der Schrift erhalten sind, diesen Eindruck. Im hohen Alter soll sich Heraklit gänzlich von seiner Umgebung abgesondert und in den Bergen das Leben eines Einsiedlers geführt haben.
Gelehrtheit im Sinne bloßen Vielwissens schätzte Heraklit gering ein. Dies formt nicht den Geist, könnte sie das, so würde sie sicher Hesiod, Pythagoras und Xenophanes erleuchtet haben. Vielmehr komme es darauf an, den einen Gedanken zu finden, der das Geheimnis der Welt aufschließt. Auch Heraklit sieht wie seine Vorgänger ein Einheitliches jenseits der Vielheit. Aber er sieht es nicht wie etwa Parmenides einfach in einem unabänderlich beharrenden Sein, und in Werden und Vielheit bloße Täuschungen. Er sieht es aber auch nicht im Gegenteil, also in einem endlosen Fließen aller Dinge. Heraklit hat gesagt, dass wir nicht zweimal in denselben Fluss steigen können, denn neue Wasser sind inzwischen herangeströmt und auch die Menschen selbst sind schon beim zweiten Mal andere geworden. Sein berühmtes Wort „Alles fließt, nicht besteht“ findet sich zwar nicht unter seinen Fragmenten, wird Heraklit aber in der Forschung einhellig zugeschrieben. Wohl also hat er das Geheimnis der Zeit und des ewigen Wandels tief empfunden. Aber nicht darin liegt die Größe seiner Erkenntnis, sondern erst darin, dass er hinter und dem unaufhörlichen Fluss doch eine Einheit, nämlich ein einheitliches Gesetz erblickt.
Der Logos, der nach Heraklit das Geschehen in der Welt leitet und auf den die Menschen hören sollten, kann als „Aussage“ oder „Prinzip“ übersetzt werden. Die Deutung bleibt jedoch unsicher, zumal sich Heraklit keine Gedanken darüber gemacht hat, eine saubere Definition vorzulegen. Er scheint auch eine Ursubstanz angenommen zu haben, aber nicht wie die Milesier das Wasser oder die Luft. Heraklit sprach in diesem Zusammenhang von einem Urfeuer, aus dem nach ewigem Gesetz, indem es aufbrennt und wieder erlischt, die Welt nur in Gegensätzen hervortritt und in das sie wieder zurückfällt. Wahrscheinlich dachte Heraklit nicht so sehr an Feuer im wörtlichen Sinne als vielmehr in einer allgemeineren und übertragenen Bedeutung im Sinne von Feuer als Energie. Dafür spricht, dass das Urfeuer ihm anscheinend zugleich das Göttliche ist und er in der menschlichen Seele einen Teil desselben sieht.
Das große Gesetz, nach dem sich aus der einen Energie unablässig die Vielheit entfaltet, ist die Einheit der Gegensätze. Alle Entwicklung geschieht im polaren Zusammenspiel gegensätzlicher Kräfte: „Gott ist Tag und Nacht, Winter und Sommer, Krieg und Frieden, Überfluß und Hunger.“ Im Kampf zwischen Idee und Idee, Mensch und Mensch, Mann und Frau, Klasse und Klasse gestaltet sich die harmonische Ganzheit der Welt. In diesem Sinne ist Kampf, ist Krieg „aller Dinge Vater“. Jedes Ding bedarf zu seinem Sein seines Gegenteils, nicht steht für sich: „Sie verstehen nicht, wie es auseinandergetragen mit sich selbst im Sinn zugeht: gegenstrebige Vereinigung wie die des Bogens und der Leier.“
Darum haben laut Heraklit diejenigen Unrecht, die ein Ende des Krieges und den ewigen Frieden herbeisehnen. Denn mit dem Aufhören der „schöpferischen Spannungen“ würde angeblich totaler Stillstand und Tod eintreten. Darum auch wäre es für die Menschen nicht gut, wenn er ans Ziel aller seiner Wünsche käme. Denn es ist die Krankheit, die die Gesundheit angenehm macht, nur am Übel gemessen tritt das Gute in Erscheinung, am Hunger die Sättigung, an der Mühsal und Arbeit, die Ruhe und Entspannung.
Mit dieser Lehre vom Zusammengehören und Zusammenwirken des Gegensätzlichen schuf Heraklit ein erstes Modell der dialektischen Entwicklungslehre, die mehr als zwei Jahrtausende nach seinem Tod bei Hegel und im dialektischen Materialismus der Marxisten wieder auferstand und die vielleicht den bisher gelungensten Versuch des Menschengeistes darstellt, dem Geheimnis des Werdens mit dem Denken auf die Spur zu kommen.
Heraklit befindet sich auf dem Wege, der von der griechischen Göttervielfalt wegführt, hin zum Gedanken des einen Gottes, in dem alles ruht, in dem alle Gegensätze aufgehoben sind. Heraklit sagte: „Für (den) Gott sind alle Dinge schön und gut und gerecht, die Menschen halten das eine für gerecht, das andere für schlecht.“ Er blickt nicht nur wie seine Vorgänger oder Zeitgenossen auf die stoffliche Welt und ihre vermeintlichen Ursachen. Er blickt zugleich in die Tiefen der menschlichen Seele und ordnet den Menschen und sein soziales Verhalten in einen metaphysischen Sinnzusammenhang ein. Dabei schließt er von sich selbst auf alle anderen Menschen: „Mich selbst habe ich erforscht“ ist ein bekanntes Zitat von Heraklit.
Nur bei Platon und Aristoteles erreicht das griechische philosophische Denken wohl eine ihm vergleichbare Tiefe und alles umgreifende Weise. Die Nachwirkungen der Gedanken des Heraklit liegen weniger in einer besonderen Schule, die es wohl auch in Ansätzen gab. Sie reicht bis in die heutige Moderne; der von ihm eingeführte Begriff des Logos wurde zum göttlichen Wort der christlichen Theologie. Seine Lehre von der Einheit der Gegensätze kehrt spätestens bei der Hegelschen Philosophie wieder. Auch die Entwicklungslehre von Herbert Spencer ist mit ihr verwandt. Heraklits Gedanke vom Kampf als Väter aller Dinge klingt immer wieder auf, speziell bei Nietzsche und Darwin. Die Fragmente, die diese dunkle und von Geheimnis umwitterte Gestalt in der Geschichte der Philosophie hinterlassen hat, bestehen weiter wie niemals ausgeschöpfte tiefe Brunnen eines urtümlichen Wissens.
Empedokles wurde ca. 490 v. Chr. in Akragas auf Sizilien geboren. Er galt als Multitalent im Altertum; er war Staatsmann, Dichter, Religionslehrer, Prophet, Arzt und Philosoph zugleich. Empedokles ist für die Geschichte der Philosophie weniger als origineller Denker bedeutsam denn als ein Mann, der aus vorausgegangenen Systemen Gedanken auswählte und sie zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen suchte. Er wurde daher als Eklektizist (Auswähler) bezeichnet. In den Bruchstücken der von ihm verfassten Lehrgedichte begegnet man zum Beispiel in dichterisch gehaltener Form den auch von Pythagoras vertretenen und aus Indien bekannten Gedanken der Seelenwanderung. Außerdem enthalten die Lehrgedichte den von Heraklit und anderen Denkern entwickelten Gedanken eines periodischen Wechsels von Weltentstehung und Weltvernichtung. Manche Gedanken aber wurden von Empedokles zuerst, jedenfalls in der bei ihm geprägten Form, ausgesprochen, und auf diesen beruht hauptsächlich seine bleibende Bedeutung.
In der milesischen Naturphilosophie war zuerst das Wasser, später die Luft, von Heraklit war das Feuer zum Urstoff aller Dinge erklärt worden. Bei den Eleaten war die Erde als Urstoff aller Dinge stärker in Betracht gezogen worden. Empedokles stellt nun erstmalig diese vier Grundstoffe gleichberechtigt nebeneinander und begründet damit die im Bewusstsein der Menschen bis heute erhaltene Vorstellung von den vier Elementen (Feuer, Wasser, Luft, Erde) Er bringt damit die auf einen Urstoff ausgehende alte Naturphilosophie zu einem gewissen Abschluss und zu einer neuen Harmonie.
Als treibende und formende Kräfte allen Geschehens erscheinen bei Empedokles eine vereinigende und eine trennende, die er Liebe und Hass, Anziehung und Abstoßung nennt. In dem Entwicklungsgang der Welt herrscht abwechselnd die eine oder die andere Kraft vor. Bald sind alle Elemente durch die Liebe zu einer vollkommenen seligen Einheit zusammengeführt, bald sind sie durch den Hass wieder auseinandergerissen. Dazwischen gibt es allerdings Übergangszustände, in denen die Einzelwesen entstehen und vergehen.
Die Kraft, die die Einheit aus der Vielheit hervorzubringen vermag, ist die Liebe. Der Antipod dazu, also das, was in der Lage ist, die Einheit auf die Stufe der Vielheit zurückzuwerfen, ist der Streit. Diese zwei personifizierten Kräfte sind laut Empedokles göttlich, unsterblich, unsichtbar, gleichgewichtig und gleichaltrig und darüber hinaus in alle Richtungen gleichmäßig ausgespannt im Raum, folglich gleich an Länge und Breite. Anders gesagt könnte man sie sich auch als ausgespanntes, isotropes und homogenes Kraftfeld vorstellen, das sich sowohl auf die materielle als auch auf die belebte Welt auswirkt und so die Ursache für alle Ereignisse und Erscheinungen in der Welt ist. Die zwei Prinzipien müssen immer zusammen mit den vier Elementen gedacht werden, da sie zwar von diesen unabhängig, aber ohne diese keinerlei Funktion hätten. Folglich sind sie nicht, wie häufiger vermutet, zwei zusätzliche Elemente, sondern eher die Situation der Elemente ausdrückende Modi, denn ohne die Liebe kann die Situation der Anziehung nicht erklärt werden und ohne den Streit nicht der Umstand der Abstoßung. Dennoch scheint sich eine Asymmetrie zwischen den beiden Grundmodi abzuzeichnen, denn Empedokles wähnt selbst, dass sich die Liebe in und durch alle Wurzeln bewegt, also als in diesen „angelegt“ erscheint, während der Streit außerhalb stehend, in den Hintergrund tretend, keinen Rückhalt in den für die natürlichen Dinge Fundamentalen findet. Wenn dem aber so ist, warum setzt sich dann Empedokles durch die Doppelung der Kräfte von Parmenides ab, anstatt sich wie dieser nur auf die Kraft der Liebe zu beschränken? Er könnte doch auch selbst, wenn er ein solches Phänomen wie Vergehen annehmen möchte, dieses mit weniger Anziehungskraft (Schwinden der Liebe) erklären. Dem ist aber nicht so, denn eine solche Annahme würde wiederum die Frage aufwerfen, weshalb etwas, sich einst stark Anziehendes, auf einmal diese Kraft verlieren sollte. Da Empedokles sich die durch Liebe und Streit begünstigte Mischung und den Austausch als „Zusammenwachsen“ und „Auseinanderwachsen“ dachte, brauchte er zwei als Attraktion und Repulsion wirkende Kräfte, da er ansonsten nicht erklären könnte, warum Verbundenes zerfällt.
Die Entstehung der Lebewesen ist nach Empedokles so vor sich gegangen, dass erst niedere, dann die höheren Organismen entstanden. Erst sind die Pflanzen und Tiere entstanden, dann die Menschen. Erst waren Wesen vorhanden, die beide Geschlechter in sich vereinigten, später traten die Geschlechter in zwei selbstständige Individuen auseinander. Dies waren Vorstellungen, die Anklänge an die spätere und moderne Entwicklungslehre aufwiesen. Für die Erkenntnis stellt Empedokles den Grundsatz auf, dass jedes Element der Außenwelt durch ein gleichartiges Element in uns selbsterkannt wird. Um die zu seinen Lebzeiten verbreitete Ansicht von seiner Göttlichkeit zu stützen, soll sich Empedokles nach antiker Überlieferung in den Krater des Ätna gestürzt haben, so dass jede Spur von seinem Tode getilgt werde und eine Legende von einem übernatürlichen Ende sich bilden sollte. Jedoch soll der Vulkan diese Absicht vereitelt haben, indem er einen Schuh des Empedokles wieder ausspie.
Leukipp gilt als der Begründer des wichtigsten naturphilosophischen Systems der alten griechischen Philosophie. Er stammte aus Milet oder aus Abdera, das in Thrakien an der Nordküste der Ägäis lag, wo er um die Mitte des 5. Jahrhunderts gewirkt hatte. Ein einziges Fragment seiner Lehre ist im Wortlaut erhalten. Dort heißt es: Kein Ding entsteht planlos, sondern alles aus Sinn und unter Notwendigkeit.“ Dies war das erste klare Diktum des Kausalgesetzes in der abendländischen Philosophie. Seine Atomlehre kennt die Nachwelt nur durch seiner Schüler Demokrit, der vermutlich alle Gedanken von Leukipp in sein System aufgenommen hat.
Demokrit stammte aus Abdera, der Wirkungsstätte seines Lehrers, und soll nach der antiken Überlieferung 109 Jahre alt geworden sein. Sein beträchtlich ererbtes Vermögen gab Demokrit für Studienreisen aus, die ihn nach Ägypten, Persien und Indien geführt haben sollen. Er sagte über sich selber: „Ich aber bin von meinen Zeitgenossen am weitesten auf der Erde herumgekommen, wobei ich am weitesgehendste forschte, und ich habe die meisten Himmelsstriche und Länder gesehen und die meisten gelehrten Männer gehört.“ Nach seiner Heimkehr führte er bis an sein Lebensende in seiner Heimatstadt in bescheidener Zurückhaltung ein ganz dem Studium und dem Nachdenken gewidmetes Leben. Von öffentlichen Debatten hielt er sich fern und begründete auch keine Schule nach seinen Lebensgrundsätzen. Seine Studien waren von vielseitiger Art: Seine Veröffentlichungen erstreckten sich nach antiker Quelle auf die Fächer Mathematik, Physik, Astronomie, Navigation, Geographie, Anatomie, Physiologie, Psychologie, Medizin, Musik und Philosophie. Demokrit hat also das von seinem Lehrer Leukipp erworbene Wissen zu einem geschlossenen System ausgebaut.
Die eleatischen Philosophen, insbesondere Parmenides, hatten gezeigt, dass Vielheit, Bewegung, Veränderung, Entstehung und Vergehen nicht denkbar seien, wenn man ein Nichtseiendes, den völlig leeren Raum, als existierend annehme. Da ihnen diese Annahme unmöglich schien, waren sie dazu gekommen, Bewegung, Vielheit und die anderen Bezeichnungen einfach zu leugnen und die alleinige Wirklichkeit eines unveränderten Seienden zu behaupten. Demokrit war nun einerseits überzeugt, dass ein absolutes Entstehen aus dem Nichts undenkbar sei, dies hätte auch dem Lehrsatz des Leukipp von der Notwendigkeit allen Geschehens widersprochen. Andererseits erschien es ihm aber auch nicht haltbar, wie die eleatischen Philosophen Bewegung und Vielheit zu leugnen. So entschloss er sich, im Gegensatz zu Parmenides doch ein Nichtseiendes, eben leeren Raum, als bestehend anzunehmen. Demnach besteht die Welt nach Leukipp aus zahllosen winzigen, wegen ihrer Kleinheit nicht wahrnehmbaren Körpern. Diese selbst haben kein Leeres in sich, sondern füllen den Raum vollständig aus. Sie sind auch nicht teilbar, weshalb sie Atome, also unteilbare Körper genannt werden. Damit warfen Demokrit und sein Lehrer Leukipp diesen Begriff zum ersten Male in die wissenschaftliche und philosophische Debatte. Sie konnten damals noch nicht ahnen, welche theoretische und praktische Bedeutung dies einst haben sollte. Die Atome sind unvergänglich und unveränderlich, bestehen alle aus dem gleichen Stoff, sind dabei aber von verschiedener Größe und einen dieser entsprechenden Gewichtes. Alles Zusammengesetzte entsteht durch Zusammentreten getrennter Atome. Alles Vergehen besteht im Auseinandertreten der bis dahin verbundenen Atome. Die Atome selbst seien ungeschaffen und unzerstörbar. Die Anzahl der Atome sei nach Demokrit unbegrenzt.
Alle Eigenschaften der Dinge beruhen auf den Unterschieden in der Gestalt, Lage, Größe und Anordnung der Atome, aus denen sie zusammengesetzt sind. Jedoch kommen nur die Eigenschaften der der Schwere, Dichtigkeit und Härte den Dingen an sich zu. Diese wurden später als primäre Eigenschaften bezeichnet. Alles andere, was den Menschen als Eigenschaft eines Dinges erscheint, wie Farbe, Wärme, Geruch, Geschmack, hervorbringende Töne – all das liegt nicht in den Dingen selbst, sondern hat seine Ursache nur in der Eigenart der Sinne und des Wahrnehmungsvermögens. Dies ist eine Zutat, die wir zu den Dingen hinzutun. Dies ist keine objektive, sondern nur subjektive Realität und wird dementsprechend als sekundäre Eigenschaft klassifiziert.
Von der Ewigkeit her bewegen sich die unzähligen Atome nach dem Gesetz der Schwerkraft im unendlichen Raum. Aus ihrem Zusammenstoß und Abprallen entstehen Wirbelbewegungen, in denen die Atome zu Zusammenballungen, Atomkomplexen, zusammengeführt werden. So wird Gleiches zu Gleichem gefügt, und es entstehen die sichtbaren Dinge, so entstehen und vergehen von Ewigkeit her zahllose Welten, deren die Menschen einer von diesen Welten angehören. Solche Weltentstehung erfordert keinen planenden und lenkenden Geist, auch keine bewegenden Kräfte wie Liebe und Hass des Empedokles, aber ebensowenig ist die dem Zufall unterworfen. Demokrit verwirft den Zufall ausdrücklich als eine Erfindung, die nur die Unkenntnis der Menschen verhüllen soll. Alles geschieht mit eherner, dem Seiendem innewohnender immanenter Gesetzmäßigkeit.
Auch Leib und Seele des Menschen besteht aus Atomen. Die Seele ist insofern etwas, wenn auch sehr feines Körperliches. Nach dem Tod des Menschen zerstreuen sich die Seelenatome. Die für die Menschen erreichbare Glückseligkeit besteht in heiterer Zufriedenheit des Gemüts (ataraxia). Der Weg zu dieser Glücksseligkeit ist Mäßigung, Geringsschätzung des Sinnengenusses, vor allem der Hochschätzung der geistigen Güter. Körperkraft sei die Sache von Lasttieren, die Menschen aber streben dagegen nach Seelenstärke. Die Ethik Demokrits erhebt sich etwas unvermittelt neben seinem naturphilosophischen System. Dieses ist mit einzigartiger Folgerichtigkeit durchgeführt. Es wird materialistisch genannt, weil in der Welt nur stoffliche Atome vorkommen, und es ist das klassische materialistische System des Altertums, ohne dass alle späteren gleichgerichteten Systeme nicht denkbar sind
Demokrits Einfluss reicht in ununterbrochener Linie bis in das wissenschaftliche Weltbild der Gegenwart hinein. Allerdings ist das, was bislang Atom hieß, nun als ein weiter Teilbares erkannt worden und man sollte bei den Atomen des Demokrit vielleicht eher an die nunmehr kleinsten Bestandteile des Seienden angesehenen Elementarteilchen denken. Anscheinend hat Demokrit keinen Versuch unternommen, seine Ethik mit seiner Atomtheorie wissenschaftlich zu verknüpfen und so in ein beide umfassendes philosophisches System einzufügen.
Auch Anaxagoras entstammte, wie alle bisher behandelten Denker aus dem griechischen Kolonialreich. Er wurde um 500 in Klazomenai in Kleinasien geboren. Er ist der erste Denker gewesen, der die Philosophie nach Athen getragen hat, der Stadt, in der sie nach ihm ihre höchste Blüte entfalten konnte. Zur Zeit des Anaxagoras fand sie allerdings noch keine günstigen Voraussetzungen. Die Aufnahme, die ihm in Athen zuteilwurde, das Schicksal, das ihm dort, wie nach ihm Sokrates bereitet wurde, zeigen dies eindeutig.
Wie sich jetzt zeigte, war es kein Zufall gewesen, dass das freie philosophische Denken sich bis dahin nur in den kleinasiatischen, unteritalienischen und thrakischen Kolonien der Griechen hatte entfalten können. Offenbar war die dem Mutterland und seinen festen Traditionen ferngerückte Atmosphäre des kolonialen Neulandes viel günstiger als Athen und das Mutterland, wo diese Traditionen, insbesondere die religiösen, in kaum verminderter Stärke fortwirkten. Anaxagoras, der sein Interesse vor allem den Himmelsrichtungen zuwandte und diese auf natürlichem Wege zu erklären unternahm, geriet in Athen in heftigen Widerstreit mit den konservativen starren Anschauungen der alteingesessenen Einwohner, dass ihm schließlich der Prozess wegen Gottlosigkeit gemacht wurde. Auch der Einfluss des mit ihm befreundeten Staatsmannes Perikles konnte ihn nicht davor bewahren. Der Vollstreckung des Todesurteils konnte er sich nur durch die Flucht aus Athen entziehen. Anaxagoras starb dann schließlich verbittert im Exil.
Die philosophischen Ansichten des Anaxagoras sind mit denen der anderen Naturphilosophen verwandt. Während aber die alten Milesier nur einen Urstoff annahmen, Empedokles deren vier, und die atomistische Schule gegenüber diesen eine quantitative Vielheit der Weltbausteine lehrt, nimmt Anaxagoras eine unbegrenzte Vielheit voneinander verschiedener Urstoffe an, die er „Samen“ oder „Keime“ der Dinge nannte.
Was Anaxagoras jedoch von jenen weit stärker unterscheidet und worin seine eigentliche Bedeutung für die Philosophiegeschichte beruht, ist die von ihm erstmalig vorgenommene Einführung eines abstrakten philosophischen Prinzips, des Nous. Nous steht für einen denkenden, vernünftigen und allmächtigen, dabei unpersönlich gedachten Geist. Dieser Geist hat Anstoß dazu gegeben, dass sich aus dem ursprünglichen Chaos das schöne und zweckvoll geordnete Ganze der Welt bildete. Hierin erschöpft such auch bei Anaxagoras die Wirklichkeit des Nous. Überall dort, wo er im Einzelnen die Erscheinungen und die Ursachen erforscht, sucht er rein natürliche, mechanische Ursachen auf. Es scheint also, dass Anaxagoras den göttlichen Geist nur als die erste Bewegung angesehen hat, der der Schöpfung zwar den ersten bewegenden Anstoß gegeben hat, sie dann aber ihrer eigengesetzlichen Entwicklung überlassen hat. Aristoteles hat später über Anaxagoras geäußert, dieser sei mit dem Begriff eines weltordnenden Geistes unter die vorsokratischen Philosophen wie ein Nüchterner unter betrunkenen Leuten getreten.

Die Sophisten
Das 6. und das 5. Jahrhundert v. Chr., in denen an den verschiedensten Stellen des griechischen Gebietes nahezu gleichzeitig das philosophische Denken erwacht und sich in zahlreichen originellen Beiträgen zu einer philosophischen Weltansicht verdichtet, bietet ein Schauspiel, das in der Geistesgeschichte kaum seinesgleichen findet. Gleichsam treten die verschiedensten Möglichkeiten einer natürlichen Welterklärung auf. Alle Richtungen der griechischen und abendländischen Philosophie haben ihre Wurzeln und ihre Vorgänger. Es gibt kaum ein Problem, das in der späteren Philosophie eine Rolle gespielt hat, das nicht schon in jener Zeit vorgedacht oder gar gelöst wurde. Die Fragmente der Vorsokratiker stehen vor uns wie Wissensbrocken, für die Nachwelt vieldeutiger Auslegung fähig und in ihrer ursprünglichen Ganzheit nur noch zu erahnen.
Gerade die Vielzahl der Lehren und die zwischen ihnen bestehenden Widersprüche waren es nun aber, die den nächsten Schritt in der philosophischen Entwicklung fast zwangsläufig herbeiführten. Je mehr Systeme es gab, umso näher lag die Möglichkeit, und umso mehr drängte sich die Notwendigkeit auf, zu prüfen und zu vergleichen und den Widersprüchen auf den Grund zu gehen. Und aus dem Misstrauen, das manche Philosophen gegen die Zuverlässigkeit der sinnlichen Wahrnehmung als Erkenntnismittel verbreitet hatten, konnte leicht ein allgemeiner Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen überhaupt werden. Damit begann die Tätigkeit der Sophisten.
Man kann diesen Protagonisten und ihren besonderen Leistungen nur gerecht werden, wenn man außer der damaligen Lage der Philosophie die großen Umwälzungen berücksichtigt, die inzwischen im politischen und gesellschaftlichen Leben Griechenlands vor sich gegangen waren. Seit der siegreichen Verteidigung der griechischen Autonomie in den Kriegen gegen die Perser (500-449 v. Chr.) entstand in Griechenland und vor allem in Athen, das nun zum geistigen und politischen Mittelpunkt Griechenlands wurde, in der gehobenen Klasse Reichtum und Luxus und damit auch das Bedürfnis nach höherer Bildung. Die demokratische Verfassung Athens erhob die Kunst der öffentlichen Rede zu wachsender Bedeutung. In den Volksversammlungen in Athen und vor den Volksgerichtshöfen hatten diejenigen Personen einen entscheidenden Vorteil, die ihre Angelegenheit mit den besten Argumenten und in der geschicktesten Form vertreten konnten. Wer also in Athen Karriere im politischen Bereich machen wollte, musste eine gründliche Ausbildung als Staatsmann und Redner vorweisen können.
Diesem Bedürfnis der Zeit kamen die Sophisten entgegen. Das griechische Wort „Sophistai“ bedeutet „Lehrer der Weisheit“. Zunächst hatte es auch nur diese Bedeutung, ohne jeden Beigeschmack. Die Sophisten zogen als Wanderlehrer von Stadt zu Stadt und erteilten gegen nicht geringe Bezahlung Unterricht in den verschiedensten Künsten und Fertigkeiten, besonders aber in der Beredsamkeit. Sie waren also keine Philosophen im eigentlichen Sinne, sondern Praktiker, die theoretischen Erkenntnissen nur geringen Wert beimaßen. Dieser Umstand wirkte zusammen mit der oben geschilderten Situation der Philosophie in Griechenland zu dieser Zeit dahin, dass die meisten Sophisten sich alsbald der Auffassung verschrieben, eine objektive Erkenntnis sei überhaupt unmöglich. Dabei wirkte auch mit, dass die steigende Bildung weiterer Kreise die Möglichkeit eröffnet hatte, fremde Völker, Sitten und Religionen kennenzulernen, wodurch bis dahin nicht erschütterte Vorurteile ins Wanken geraten waren. Gibt es aber keinen objektiven Maßstab, um zu entscheiden, wer in einer bestimmten Frage recht hat, so wird es eben darauf ankommen, wer recht behält, also wer seinen Standpunkt am geschicktesten durchzusetzen versteht.
Diese zunächst nur theoretische Skepsis dehnte sich bald auf das Gebiet der Ethik aus. Auch hier wurde nun gelehrt, dass schließlich beim menschlichen Handeln, wie bei theoretischen Auseinandersetzungen, der Erfolg allein entscheidet. So wurde die Redekunst der Sophisten zu einem Mittel der Überredung mehr als der Überzeugung und in ethischer Hinsicht gab es für die Sophisten kein objektives, alle bindendes Recht, sondern nur das Recht des Redegewandteren, der letztlich am überzeugendsten wirkt. Platon lässt einen Sophisten die Rhetorik mit folgenden Worten kennzeichnen: „Wenn man durch Worte zu überzeugen imstande ist, sowohl vor Gericht die Richter als in der Ratsversammlung die Ratsherren und in der Volksversammlung das Volk. (…) Dann hast du dies in deiner Gewalt, so wird der Arzt dein Knecht sein, der Turnmeister dein Knecht sein, und auch bei dem Bankier wird sich zeigen, daß er für andere erwirbt und nicht für sich, sondern für dich, der du verstehst zu sprechen und die Menge zu überzeugen.“
Derselbe Sophist bemerkt zum Thema Recht und Gesetz folgendes: „Gesetz und Brauch stellen immer die Schwachen und die Menge auf. (…) Dadurch wollen sie den stärkeren Menschen, die die Kraft besäßen, sich mehr Vorteile zu verschaffen als sie, einschüchtern und, damit sie dies nicht tun, sagen sie, es sei häßlich und ungerecht, auf mehr Vorteile auszugehen. (…) Denn sie, meine ich, sind ganz zufrieden, wenn Gleichheit herrscht, weil sie die Minderwertigen sind. (…) Meines Erachtens beweist die Natur selbst, die Gerechtigkeit bestehe darin, daß der Edlere mehr Vorteile hat als der Geringe, und der Leistungsfähigere mehr als der minder Leistungsfähige. An vielen Fällen, sowohl bei den übrigen Lebewesen als auch bei den Menschen, an ganzen Staaten und Geschlechtern sieht man, daß es sich so verhält: daß nämlich das als gerecht anerkannt wird, daß der Stärkere über den Schwächeren herrscht. (…) Oder welches Recht konnte Xerxes für sich in Anspruch nehmen, als er gegen Griechenland zu Felde zog? – man könnte ja tausend solcher Beispiele anführen! Wahrhaftig, ich meine, diese Männer handeln so nach der Natur der Gerechtigkeit und – beim Zeus!- nach dem Gesetz der Natur, freilich nicht nach dem Gesetz, was wir fingieren, die wir die tüchtigsten und stärksten Persönlichkeiten unter uns schon in der Jugend vornehmen und wie Löwen bändigen, indem wir sie hypnotisieren und ihnen suggerieren, es müsse Gleichheit bestehen, und das sei gut und recht. Wenn aber, mein ich, ein Mann ersteht, der die genügende Kraft dazu hat, dann schüttelt er das alles ab, zerreißt seine Bande (…) tritt unser Buchstabenwerk, unsere Hypnose, unsere Suggestion und die sämtlichen naturwidrigen Gesetze und Bräuche mit Füßen, unser bisheriger Sklave tritt auf einmal vor uns hin und erweist sich als unser Herr, und das leuchtet in seinem Glanz das Recht der Natur!“
Die Leugnung objektiver Maßstäbe für Wahrheit und Gerechtigkeit, in Verbindung mit der Tatsache, dass die Sophisten für ihren Unterricht eine hohe Bezahlung zu nehmen pflegten, während ihnen die dem Erwerb dienende Arbeit an sich als verächtlich galt, führte zu dem negativen Bild der Sophisten bei Platon und Aristoteles, die sich gegen die Sophisten und ihre Weltdeutung auflehnten.
Die Sophisten bildeten niemals eine zusammenhängende Schule, sondern lebten und lehrten als einzelne Personen. Sie wichen daher in verschiedener Weise voneinander ab. Der wichtigste der Sophisten war Protagoras von Abdera, der etwa von 480-410 v. Chr. lebte. Er durchwanderte ganz Griechenland und lehrte als einer der ersten die Kunst, im Bereich des Rechtswesens und der Politik die eigene Sache so überzeugend darzustellen, und erwarb sich dabei in Athen Ruhm und Reichtum. Der berühmteste Ausdruck des Protagoras lautete: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, des Seienden für sein Sein, des Nichtseienden für sein Nichtsein.“ Damit wollte er andeuten, dass es keine absolute Wahrheit, sondern nur eine relative gibt. Es gibt auch keine objektive, sondern nur eine subjektive, eben für den Menschen. Ein und derselbe Satz kann einmal wahr und einmal falsch sein, je nachdem, von wem und unter welchen Umständen er ausgesprochen wird. Für diese Lehre hat sich Protagoras sowohl auf das ewige Fließen des Heraklit wie dessen Gesetz von der Einheit der Gegensätze berufen. Die Skepsis des Protagoras schließt auch die Religion nicht aus. Eine Schrift von ihm soll nach antiker Überlieferung mit dem Satz begonnen haben, dass man von den Göttern weder wissen könne, ob sie existieren oder auch nicht. Dies zu ermitteln sei die Sache als solche viel zu dunkel und unser Leben viel zu kurz. Dies führte dazu, dass Protagoras der Gottlosigkeit angeklagt wurde und aus Athen verbannt wurde.
Neben Protagoras ist Gorgias von Leontinoi der bekannteste Sophist in dieser Zeit. Er lebte etwa zur selben Zeit wie Protagoras. In seiner Schrift „Über das Nichtseiende oder die Natur“ bewies er mit einem an Zenons Dialektik geschulten Argumentationsmuster, dass erstens überhaupt nichts existiere, zweitens, wenn doch etwas existieren würde, es jedenfalls unerkennbar wäre und drittens, selbst wenn etwas erkannt werden könnte, solche Erkenntnis nicht mitteilbar wäre. Die skeptische Philosophie des Protagoras wurde hier von Gorgias noch einmal radikalisiert.
Für die Geschichte der Philosophie liegt der Wert der Sophistik nicht so sehr in den einzelnen von ihr hinterlassenen Lehrsätzen und Einstellungsmustern, sondern in drei verschiedenen Verdiensten. Erstens haben die Sophisten zum ersten Mal in der griechischen Philosophie den Blick von der Natur weg auf den Menschen gelenkt. Zweitens haben sie das Denken selbst erstmals zum Gegenstand des Denkens gemacht und mit einer Kritik seiner Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen begonnen. Sie haben auch die ethischen Wertmaßstäbe einer ganz vernunftgemäßen Betrachtung unterzogen und damit die Möglichkeit für die kommende Philosophie eröffnet, die Ethik wissenschaftlich zu behandeln und sie in ein philosophisches System folgerichtig mit aufzunehmen. Daneben haben die Sophisten aufgrund ihrer eingehenden Beschäftigung mit Stilkunde und Beredsamkeit auch Sprachwissenschaften und die dazu gehörige Grammatik vorangebracht. Die Sophistik war aber insgesamt gesehen nur eine Übergangserscheinung, aber eine so bedeutsame, dass ohne sie die folgende Blütezeit der griechischen und genauer gesagt attischen Philosophie nicht denkbar gewesen wäre.
Die Lehre des Sokrates ist unmittelbar verbunden mit dem Aufkommen der Sophistik im antiken Griechenland. Sokrates war ein tiefreligiöser Mensch, der die Pflichten gegenüber den Göttern zu den wichtigsten Pflichten des Menschen zählte. Sein Instinkt ließ ihn an dem bloßen dialektischen Spiel, das alles und nichts beweist und am Ende eine Zerstörung jeden Maßstabes zutage fördert, keinen Gefallen finden. Er fühlte, dass eine innere Stimme in ihm war, die ihn leitete und von ungerechten Handlungen abhielt. Diese nannte er „daimonion“, das Gewissen. Für ihn bedeutete Tugend gleich Einsicht. Wo es unmöglich ist, das Rechte zu tun, wenn man es nicht kennt, so war es nach Sokrates auch unmöglich, das Rechte nicht zu tun, sofern man es nur kennt. Denn da niemand anderes tut, was seinem eigenen Besten dient, das sittlich Gute aber nichts anderes ist als dieses, so braucht man den Menschen nur über die wahre Tugend belehren, um sie tugendhaft zu machen.
Diese Verknüpfung der Tugend mit dem Wissen ist das eigentlich Neue an der Lehre des Sokrates. Mit der Aufdeckung des Nichtwissens will er seine Zeitgenossen zur Selbstprüfung und Selbsteinkehr aufrufen. Wenn die Menschen durch Selbstbesinnung und Einkehr in ihr inneres Wesen zur Einsicht in die sittliche Armut und Blindheit gebracht sind, in der sie leben, werden sie laut Sokrates zum Suchen und Sehnen nach dem sittlichen Ideal kommen. Sokrates wandte sich niemals an eine allgemeine Menschenmenge, sondern immer nur an den vor ihm stehenden einzelnen Menschen. Als Menschenbildner, vom Glauben an die Menschen und Liebe zu ihm getrieben, muss man ihn und seine Lehre verstehen, er war niemals ein Lehrer allgemeiner abstrakter Sätze. Die Nachwirkung des Sokrates beruht auf seiner einzigartigen Persönlichkeit, die den Nachkommen noch immer menschlich nahe sein kann, als auf dem, was er lehrte, indem nämlich mit ihm etwas in die Menschheit eintrat, was von da an zu einer immer weiter wirkenden ethischen und gesellschaftlichen Kraft wurde: die an sich unerschütterlich gegründete, autonome sittliche Persönlichkeit. Das ist das Vermächtnis von Sokrates vom innerlich freien Menschen, der das Gute um seine selbst willen tut.

Buchheim, T.: Die Vorsokratiker. Ein philosophisches Porträt, München 1994.
Flashar, H. u. a. (Hrsg.): Frühgriechische Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 1, Basel 2013,
Fränkel, H.: Wege und Formen frühgriechischen Denkens, München 1955.
Gadamer, H.-G.: Der Anfang der Philosophie, Stuttgart 1996.
Gigon, O.: Der Ursprung der griechischen Philosophie. Von Hesiod bis Parmenides, Basel/Stuttgart 1968.
Hölscher, U.: Anfängliches Fragen. Studien zur frühen griechischen Philosophie, Göttingen 1968.
Long, A.A. (Hrsg.): Handbuch frühe griechische Philosophie. Von Thales bis zu den Sophisten, Stuttgart 2001.
Ludwig, R.: Die Vorsokratiker für Anfänger. Eine Lese-Einführung, München 2002.
Rapp, C.: Vorsokratiker, München 2007.
Schadewaldt, W.: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Die Vorsokratiker und ihre Voraussetzungen, Frankfurt 1978.
Volkmann-Schluck, K.-H.: Die Philosophie der Vorsokratiker. Der Anfang der abendländischen Metaphysik, Würzburg 1992.
Stapelfeldt, G.: Mythos und Logos: Antike Philosophie von Homer bis Sokrates, Hamburg 2007.
Annas, J.: Kurze Einführung in die antike Philosophie, Göttingen 2009,
Geyer, C.-F.: Philosophie der Antike. Eine Einführung. 4. Auflage, Darmstadt 1996,
Held, K. Treffpunkt Platon. Philosophischer Reiseführer durch die Länder des Mittelmeers. 3. Auflage, Stuttgart 2001
Ries, W.: Die Philosophie der Antike, Darmstadt 2005,

Finanzen

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.