Bereits in seinen Ausführungen „Bonifikationen für Chefärzte zwecks Erreichung wirtschaftlicher Ziele“ (1) hat der Verfasser auf die negativen Folgen der Fallpauschalen und den verstärkten Zwang zur Profitabilität der Krankenhäuser hingewiesen. Nunmehr ist der Fall eingetreten, dass die Patienten in immer kürzerer Zeit behandelt werden. Mehr Patienten in kürzerer Zeit und zwar deshalb, da nicht mehr die Verweildauer dieser im Krankenhaus bezahlt wird sondern die medizinische Leistung. Derartige Praktiken finden auch bei Haus- und Fachärzten Anwendung.
Dieses hat wiederum zur Folge, dass zwecks Erreichung wirtschaftlicher Ziele in den Krankenhäusern jede Möglichkeit ausgeschöpft wird Operationen durchzuführen welche hohe Erstattungen und Honorare versprechen. Allein durch einen so genannten demografischen Wandel ist nicht mehr erklärbar, das Deutschland z.B. im OECD-Vergleich eine führende Stellung bei Hüftoperationen und Herzkatheder- untersuchungen einnimmt. Die Liste von Merkwürdigkeiten ließe sich wohl noch beliebig erweitern.
Wie bereits erwähnt kämpfen viele deutsche Krankenhäuser um ihre Existenz; ihre wirtschaftliche Situation hat sich deutlich verschlechtert. Den Kliniken fehlt das Geld zum investieren; bereits 2011 bestand bei 13 % der Kliniken erhöhte Insolvenzgefahr. Experten sehen einen Investitionsstau von ca. 15 Milliarden Euro. Die Einsparungen führen mittlerweile zu einer Gefährdung der Versorgung von Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung. Als Kostensteigerung wird auch die Privatisierung angesehen, da die Kapitalgeber entsprechende Renditen erwarten.
Mehr als 50 % der Chefärzte unterschreiben bereits heute bei der Einstellung Verträge welche wirtschaftliche Zielsetzungen beinhalten. Dieses führt zwangsläufig dazu, dass diese verantwortlichen Ärzte sich die eigentlich fremde Logik der Ökonomie zu ihrer eigenen machen. Dieses entspricht nicht der Ethik eines Arztes. Eine Medizin die Patienten meidet, kann sich nicht mehr als solche bezeichnen. Ärzte sind schließlich die Anwälte ihrer Patienten und dürfen sich nicht durch Bonifikationen korrumpieren lassen. Man muss sich mittlerweile die Frage stellen, ob bereits heute Patienten austherapiert werden, da die Kosten die Erstattungen durch die gesetzlichen Krankenkassen übersteigen. Das Thema wann austherapiert wird, was die Lebensdauer eines Patienten beeinflusst, scheint sich bereits heutzutage nach wirtschaftlichen Erwägungen auszurichten.
Der ständige ökonomische Druck führt ständig zu einer Verdichtung von Arbeit der Ärzte und Ärztinnen, sowie zur deren Demotivation. Es ist festzustellen, dass die Medizin nicht als industrieller Produktionsprozess behandelt werden darf und kann. Es kann nicht sein, dass den Krankenhausärzten die ökonomische Verantwortung für die Klinik, in der sie tätig sind, zugeschrieben wird.
Dadurch, dass ein Chefarzt bei seiner Einstellung einen Vertrag mit wirtschaftlichen Zielsetzungen unterschreibt, wird er im gewissen Sinne erpressbar. Es entspricht menschlicher Handlungsweise, z. B. die Insolvenz eines Unternehmens oder den Verlust seines Arbeitsplatzes unter allen Umständen zu vermeiden. Behandlungen von Patienten, welche wirtschaftlichen Zielen näher kommen werden bevorzugt oder Behandlungen abgebrochen, wenn diese wirtschaftlichen Erwägungen nicht entsprechen.
Was die Kostensituation im Gesundheitswesen auch negativ beeinflusst ist die von Controllern am Schreibtisch festgelegten Verweildauern von Patienten aufgrund der vorliegenden Erkrankung. Diese Verweildauer ist Grundlage für die Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung. Es sind die so genannten Fallpauschalen. Die Tatsache, dass wirtschaftliche Erwägungen die Handlungen von so genannten Medizinern beeinflussen, machen oftmals sehr aufwendige Nachbehandlungen erforderlich. Im ungünstigsten Fall treten Todesfälle oder die Notwendigkeit von zusätzlichen Operationen ein.
Es bedarf wohl nicht einer weiteren Erläuterung, dass die angeführten Aktivitäten die Patienten schädigen und gleichzeitig die Kosten im Gesundheitswesen negativ beeinflussen.
Es ist unverständlich, dass sich Ärzte, also Akademiker, von Nichtärzten (Controllern) Weisungen erteilen lassen, welche einen Eingriff in die Therapie beinhalten. Als besonders verwerflich wird die häufige Handlungsweise von so genannten Fachärzten angesehen, welche nach dem Muster der Konzepte von McKinsey ver- fahren. Diese empfehlen, sich nicht um potentielle Kunden zu bemühen die man nicht haben will. Fachärzte wollen privat Versicherte Patienten behandeln, welche gut betucht sind um denen Therapien zukommen zu lassen die viel Geld bringen. Dieses betrifft auch die Verschreibung von teuren Medikamenten. Die Vergabe von Konsultationsterminen richtet sich bereits danach, ob ein Patient privat oder gesetzlich versichert ist. Zur Abschreckung werden entsprechende Wartezeiten von über 3 Monaten für gesetzlich Versicherte in Aussicht gestellt.
Selbst der Gesetzgeber sieht sich mittlerweile gezwungen gegen derartige Verhaltensweisen vorzugehen.
Es ist u. a. erstaunlich, dass Patienten sich mit minderwertigen Medikamenten welche die Krankenkassen vorschreiben, ohne Widerspruch zufrieden geben. Die Begründung, dass in billigeren Medikamenten gleiche Wirkstoffe wie in teuren vorhanden sind erinnert an die Aussage, dass billige Weine den gleichen Alkoholgehalt wie Spitzenweine zum Inhalt haben, also gleichwertig sind. Richtig ist, dass teure Medikamente nicht unbedingt besser sein müssen als billige. Es ist aber auch richtig. dass Qualität einen gewissen Preis beinhaltet. Die Qualität eines Medikaments hängt zum Beispiel zum großen Teil von seiner biologischen Verfügbarkeit ab. Auf die missbräuchliche Preisgestaltung vieler Medikamentenhersteller kann im Rahmen des Kommentars nicht eingegangen werden.
Wenn man anerkennt, dass eine Qualität einen höheren Preis hat dann sollte man sich nicht darüber wundern, dass das Gesundheitswesen in der BRD immer weiter in ein Zweiklassensystem abgleitet. Betroffen von den drastischen Einsparungen und der daraus resultierenden Verschlechterung der Leistungen sind zum größten Teil die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen. Dieses sind in der Regel Patienten die nicht über entsprechende Mittel verfügen eine bessere Qualität, als den vorhandenen Standard, in Anspruch zu nehmen.
Die Aussage, dass weniger begüterte Menschen früher sterben als Reiche dürfte als immer realistischer einzuschätzen sein.
Als eine besonders üble Variante selbsternannter „Patientenschützer“ dürfte anzusehen sein, dass diese die Forderung aufstellen, die Kosten für selbst verursachte Erkrankungen nicht mehr von den Krankenkassen erstatten zu lassen. Diese Forderung, welche auf das Verursacherprinzip der Ökonomie zurückgreift, ist als Beweis dazu anzusehen, wie sehr das Gesundheitsweisen und die Medizin ökonomisiert wurden und diese weiter betrieben wird.
Auf die ethische Problematik der Forderung nach dem Verursacherprinzip im Gesundheitswesen braucht wohl nicht näher eingegangen werden. Es wird aber darauf hingewiesen, dass derartige Überlegungen allein an genetischen und sozialen Vorbelastungen eines Menschen scheitern. Bei derartigen Überlegungen wird immer davon ausgegangen werden, dass das Verhalten von Menschen ständig im Zusammenhang von Kosten zu sehen wäre; dieses würde die totale Entmenschlichung dieser bereits angeschlagenen Gesellschaft beinhalten. Man muss sich in diesem Zusammenhang dann die Frage stellen, wer es eigentlich wagen will die Entscheidung darüber zu treffen, ob eine Krankheit durch eigenes Verschulden aus- gelöst wurde. Bereits heute entscheiden irgendwelche Gutachter der Rentenversicherung darüber, ob ein Mensch mit Krankheiten nur weniger oder mehr als 3 Stunden am Tag arbeiten kann. Eine Aussage in solchen Fällen kann nur als unakademisch oder als „Kaffeesatzleserei“ bezeichnet werden.
Im Kontext zu der genannten Forderung ist die Frage nach der Verantwortlichkeit des betroffenen Menschen zu stellen. Psychiater, Psychologen, Neurologen und Sozialarbeiter könnten zu diesem Thema wohl einige wertvolle Beiträge leisten.
Festzustellen ist, das die Forderung nach dem Verursacherprinzip in der Regel von Menschen gestellt werden, welche über erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Mittel verfügen. Offensichtlich ist diesen der Solidaritätsgrundsatz und so etwas wie Empathie abhanden gekommen. Derartige unüberlegte Verhaltensweisen können dazu führen, dass Behandlungskosten, die durch Solidaritätsverhalten bezahlt werden, für den Einzelnen nicht mehr erschwinglich sind. Dieses kann dann durchaus für gut Begüterte dann irgendwann gelten.
Wenden wir uns im Gesamtzusammenhang dann dem Überschuss im Gesundheitsfonds zu, der Ende 2013 ca. 13,3 Mrd. Euro betrug. Dieser Überschuss und die gesteigerten Rücklagen der Krankenkasse wurden durch radikale Leistungsverminderungen, vornehmlich für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen, erzielt. In diesem Zusammenhang ist der Investitionsstau in den Krankenhäusern von ca. 15 Mrd. Euro als ein interessanter Faktor zu bezeichnen.
In den Gesundheitsfonds zahlt die Bundesregierung Zuschüsse zwecks Finanzierung von versicherungsfremden Leistung wie beispielsweise die kostenlose Mitversicherung von Kindern. Der erzielte Überschuss wurde prompt, zwecks Haushaltssanierung, für 2014 um 3,5 Mrd. Euro gekürzt. Für 2015 ist eine Kürzung um 2,5 Mrd. Euro bisher vorgesehen. Aus Sicht des Verfassers handelt es sich bei diesen Maßnahmen um eine verwerfliche Vorgehensweise, da die Sparmaßnahmen oder Leistungskürzungen im Gesundheitswesen einer anderen Verwendung zugeführt werden; vornehmlich zu Lasten der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung. Vorbeugend, da sich erkennbar die Überschüsse abbauen, hat die Bundesregierung wieder Zusatzbeiträge der Krankenkassen künftig genehmigt, was letztendlich zu Lasten der abhängig Beschäftigten geschehen wird. Dieses wird umso deutlicher, da man zusätzlich die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gedeckelt hat.
Die gegenwärtige Situation stellt sich derzeit so dar, dass sich bereits im zweiten Quartal der Fehlbetrag der gesetzlichen Krankenkassen auf 620 Millionen Euro belaufen, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete. Demnach soll gemäß des Ersatzkassenverbandes bereits eine Unterfinanzierung eingetreten sein, da die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht ausreichen.
Abschließend ist festzustellen, dass sich offensichtlich der neoliberale Virus auch im Gesundheitswesen weiter vermehrt hat. Es ist festzustellen, dass neoliberale Steuerungselement in der Medizin nichts zu suchen haben, da diese moralischen und ethischen Erwägungen widersprechen. Abgesehen von diesen, werden Fehlhandlungen gegen Patienten und gegen medizinische Notwendigkeiten über einen vermeintlichen Wettbewerb geradezu provoziert.
Wenn nun der selbsternannte Experte für Gesundheitsfragen der SPD, Herr Lauterbauch, sichin der Öffentlichkeit für eine Suizidhilfe einsetzt, dann würde es ihm gut zu „Gesicht“ stehen, sich mit den negativen Folgen des Neoliberalismus im Gesundheitswesen zu befassen; den Kommentar „Datenphobie der Deutschen“ zu lesen (2) und sich dann auch mit möglichen, und wenn nicht sogar wahrscheinlichen Folgen der „Geschäftemacherei“ im Gesundheitswesen zu befassen. Eine Abhilfe zwecks Beseitigung des als „krank“ zu bezeichnenden Systems ließe sich nur durch eine solidarische Krankenversicherung darstellen in der alle Bürger einzuzahlen hätten. Übrigens wurde dieses Konzept einmal von den „Sozialdemokraten“ propagiert.
Den interessieren Lesern wird empfohlen, sich weitere Informationen über das „Deutsche Ärzteblatt“ zu beschaffen. Das komplexe Thema konnte im Rahmen eines Kommentars natürlich nicht in aller Ausführlichkeit behandelt werden.
Kommentarhinweise:
(1) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3951/
(2) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3343/
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