Wie derzeit üblich, handelt es sich beim vortrefflichen Buch, welches eine Zukunft beschreibt, um eine Dystopie. Das Buch ist spannend und schon alleine deshalb lesenswert.
Robert Harris: Der zweite Schlaf
Heyne Verlag (30. September 2019)
ISBN-13: 978-3453272088
22 € 416 Seiten
Das Stück spielt im Königreich Wessex in England. Der König regiert selbstherrlich mit Hilfe der Katholischen Kirche. Wir sind im Hochmittelalter. Es gibt öffentliche Hinrichtungen, die Nahrungsmittel sind knapp, die Lebenserwartung ist kurz, Krankheiten werden kaum behandelt, Ketzer werden öffentlich hingerichtet, zuweilen gibt es Kriege zwischen Wessex und Frankreich oder Wessex und einem Islamischen Staat!
Bald wird klar, dass die alte Welt, wie wir sie Mitte des 21. Jahrhunderts kennen, also bald, untergegangen sein wird, gefolgt von einer erneuten Zivilisation.
Dieses mittelalterliche Epos erfüllt alle literarischen Bedürfnisse: Liebe und Hass, Aufopferung und Verrat, mehr Tod als Leben. Einige Menschen in einem kleinen Ort in Wessex wollen herausfinden, wie es zum Untergang der früheren Zivilisation, also unserer, gekommen ist. Keine Angst, ich verrate es nicht, da die Protagonisten keine zufriedenstellende Antwort finden. Mitraten ist angesagt.
Der Untergang unserer Zivilisation, wie unsere forschenden Nachkommen sich ihn vorstellen: Ein Atomkrieg ist unwahrscheinlich, eher ein Cyberkrieg, der von Gruppen angezettelt wird, die sich um die Zukunft sorgen: FFF, Extinction Rebellion, Politiker, Terroristen, Superreiche, Wissenschaftler, Oligarchen. Die Zivilisation, die unserer untergegangenen Zivilisation folgt, wird in wenigen Jahrhunderten unser jetziges technisches Niveau erreichen und uns Heutigen überholen. Wahrscheinlich beginnt dann der ganze Sch… von vorne. Klimawandel, Supervulkan und Asteroiden können als Untergangsgrund unserer Zivilisation ausgeschlossen werden, da sie Spuren hinterlassen. Die letzte Möglichkeit, die im Buch als Untergangsszenario erwähnt wird, ist eine pandemische Antibiotikaresistenz, die die Überlebenden in die Steinzeit katapultiert. Deutliche Ansätze sind bereits heute erkennbar. Die Forscher unserer Zivilisation halten irgendwelche Gegenmaßnahmen für nicht sinnvoll bis unmöglich, sie beabsichtigen stattdessen, die technische Zivilisation so schnell wie möglich wieder funktionsfähig zu machen. Ob sie in Jahrtausenden rechnen?
Die Forscher unserer Zivilisation warnen: Alle Zivilisationen hielten sich für unverwundbar! Dem ist nicht so. Ein kluger Gedanke, den wir Heutigen beherzigen sollen. Wahrscheinlich ist es bereits zu spät, da Politiker, Wissenschaftler und Völker weltweit die technische Zivilisation mitsamt der Naturgesetze, wozu auch das Klima gehört, vernichten wollen, was nicht gelingen kann.
Die Menschen, die den Untergang unserer Zivilisation erforschen, finden antike Steinhäuser vor, die die Hochhäuser des 20./21. Jahrhundert überlebt haben. Plastikmüll in manchen Meeren wird nachgewiesen. Die Forscher kommen zu dem richtigen Schluss, dass die damalige schnelle Informationsverbreitung das logische Denken und den gesellschaftlichen Umgang zersetzen. Diese Zersetzung mündet in einem Wahn, der das Ende der technisch-fortschrittlichen Zivilisation einleitet, einleiten muss.
Für die uns nachfolgenden Kirchenmächtigen gibt es einen theologischen Grund für den Untergang unserer Zivilisation: Der Weg in die Hölle beginnt, wenn zu viel in der Vergangenheit herumgeschnüffelt wird. Diese Einstellung gilt in den meisten Religionen bereits heute. Theisten und Anhänger von Wettererscheinungen folgen einem Glauben, der keine Wahrheit verträgt.
Ein weiser Satz aus dem Buch lautet: „Ein Glauben, der die Wahrheit nicht verträgt, ist nichts wert.“